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Rote Schuhe hinterm Regenbogen
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Henry
Mason inszeniert das Musical "Der Zauberer von
Oz" an der Volksoper
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Von Astrid Mathis
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Da kann einem warm ums Herz werden! Am 6. Dezember
feierte das Musical "Der Zauberer von Oz"
(nach dem Kinderbuch-Klassiker von Lyman Frank Baum)
an der Wiener Volksoper eine umjubelte Premiere. Damit
ist erstmals die 1987 für die Royal Shakespeare
Company erstellte Bühnenfassung in Wien zu erleben.
Die Inszenierung orientiert sich an dem Film mit der
jungen Judy Garland aus dem Jahre 1939 und trägt
eindeutig die Handschrift von Regisseur und Autor
Henry Mason. Viel Liebe zum Detail und zu den Figuren,
eingebettet in ein zauberhaftes Bühnenbild und
phantasievolle Kostüme, außerdem die richtige
Mischung aus spannenden und lustigen Momenten machen
das farbenfrohe Theaterereignis besonders und begeistern
kleine wie große Zuschauer auf Dorothys Reise.
Ihre Begleiter werden nicht nur ihre Freunde: Mit
jeder Szene verliebt sich das Publikum mehr in die
Vogelscheuche ohne Verstand, den Blechmann ohne Herz
und den Löwen ohne Mut. In die garstig-grüne
Hexe des Westens sowieso, denn wo sie auftaucht, ist
immer was los. Wie gut, dass Dorothy die roten Zauberschuhe
hat, die sie vor allem Unglück bewahren.
Seine
Leidenschaft für Musikstücke mag Henry Mason
dank seiner Eltern, die sich beide dem Operngesang
verschrieben, in die Wiege gelegt worden sein, aber
natürlich geht der in Österreich lebende
Brite längst seinen eigenen Weg. Neben Theater
mit Musik widmet er sich Inszenierungen für junges
Publikum und Werken von William Shakespeare.
Noch bevor der gebürtige Londoner sein Studium
an der Universität in Exeter 1997 abschloss,
begann seine Theaterarbeit. Seitdem führten ihn
verschiedene Produktionen unter anderem an das Linzer
Theater Phoenix, das Stadttheater Klagenfurt, die
Oper Dortmund und immer wieder an das Theater der
Jugend in Wien. Im Sommer 2013 debütierte er
bei den Salzburger Festspielen mit Shakespeares "Sommernachtstraum",
2015 inszeniert er dort die "Komödie der
Wirrungen". Auch die Wiener können sich
freuen. Schon jetzt steht fest: "Der Zauberer
von Oz" wird an der Wiener Volksoper auch in
der nächsten Spielzeit gegeben, die Reise in
die Smaragdstadt geht weiter.
War "Der Zauberer von Oz" ein Traum von
Ihnen?
Henry Mason: Nein, nicht im speziellen. Ich
wurde angefragt für die Produktion und mag die
Version. 1987 habe ich die Uraufführung in London
gesehen und war begeistert.
Was haben Sie für eine Beziehung zu der Geschichte?
Henry Mason: Ich bin mit dem Film von 1939
aufgewachsen, und diese Filmfassung mochte ich schon
immer. Für mich war die Musik untrennbar mit
dem Stoff verbunden. Das fällt auch in einen
Bereich, den ich sehr gern mag: Musicals und Mitte
des 20. Jahrhunderts. Ich durfte das vorher nicht
machen.
Kam
für Sie das Buch zuerst oder der Film?
Henry Mason: Der Film! Von klein auf. Ich bin
ja in einer musikalischen Familie aufgewachsen, in
der viel Klassik gehört wurde. Auch klassische
Musicals... "West Side Story", "Cabaret"...
Meine ersten Musicals live waren "Oliver!",
"Guys & Dolls" und "Anatevka"
im West End in London.
Und jetzt haben Sie selbst den "Zauberer"
inszeniert. Ein Musical.
Henry Mason: Ich versuche immer, nur die Sachen
anzunehmen, die mich wirklich interessieren. Das habe
ich sehr schnell gelernt. Wenn ich nicht dahinter
stand, habe ich es immer bereut.
"Der Zauberer von Oz" war sicher eine
sehr große Herausforderung.
Henry Mason: Ja, allein die Logistik! Wir hatten
eine enge Dispo und sind sehr knapp fertig geworden.
Zuletzt mit dem Licht. Wie organisiert man die Proben,
wann kommt das Ballett? Solche Fragen zu klären,
war eine echte organisatorische Herausforderung. Wir
waren aber sehr gut vorbereitet, weil wir wussten,
dass es eng werden kann. Dadurch stand für unser
Team eigentlich alles schon im März. Wie man
welches Bild erzählt mit welchen Mitteln, manchmal
gab es drei Varianten. Noch nie hatten wir so viele
Listen. Es war aber auch seltsam, alles wieder vorzuholen,
was so lange gelegen hat. Die Proben begannen ja erst
am 20. Oktober.
Dazu noch der technische Aufwand... die Zauberei.
Henry Mason: Klar. Da sind schwierige Sachen
drin. Die Technik hat man als Regisseur letztlich
nicht in der Hand. Am Ende müssen die Schauspieler
im Moment entscheiden, wie sie agieren, wenn während
einer Vorstellung etwas technisch nicht funktioniert.
Das ist, wie man so schön sagt, höhere Gewalt.
Inwiefern haben Sie die Besetzung bestimmt?
Henry Mason: Christian Graf wollte ich unbedingt
für die Rolle der bösen Hexe des Westens
haben. Dafür braucht man die richtige Art von
Humor und Energie. Und der Puppenspieler von Dorothys
Hund Toto stand für mich auch fest. Daniel Jeroma.
Ich kannte ihn schon aus der Zusammenarbeit für
die "Unendliche Geschichte" im Theater der
Jugend - er kann hinter der Puppe verschwinden. Es
ist insgesamt ein sehr schönes Ensemble, eine
glückliche Konstellation.
Viele verbinden mit dem "Zauberer von Oz"
eine Botschaft... "Alles ist möglich"
zum Beispiel. Was ist denn Ihre Botschaft? Was wollen
Sie mitgeben?
Henry Mason: Ach, Botschaft. Ich halte es mit
dem Zitat: Wenn du eine Botschaft mitgeben willst,
schick' ein Telegramm. Es ist einfach eine gute Geschichte,
die um Themen kreist, die spannend sind, die Fragen
aufwerfen. Mir gefällt sie so, weil es eine Geschichte
von Figuren ist, die denken, dass sie schwach sind
und nichts verändern können und gleichzeitig
glauben, dass es welche gibt, die es können,
die ihnen helfen. Was dann stattfindet, ist eine Desillusionierung
im positiven Sinne. Die Figuren lernen, dass die scheinbar
Mächtigen nur bluffen und dass sie selbst zu
viel mehr fähig sind, als sie dachten. So beschreibt
die Geschichte den Schritt vom Kind zum Erwachsenen,
eines potenziellen Erwachsenen. Aber die Geschichte
erzählt auch, dass wir weder ohnmächtig
noch allmächtig sind. Alle haben Stärken
und Schwächen. Sei nicht hörig! Glaube nie
den Leuten, die sagen, dass du etwas nicht kannst.
Das steckt für mich in dieser Geschichte.
Welche Schwäche haben Sie?
Henry Mason: Wenn man als Regisseur anfängt,
denkt man, man muss alles selber machen, aber mit
der Zeit lernt man, wie wichtig Loslassen ist und
Vertrauen. Es geht mir zunehmend darum, im Probenraum
Dinge freizusetzen, viele verschiedene Kreativitäten
zu ermöglichen. Ich komme immer an den Punkt,
wo ich denke: "Du darfst weniger machen."
Dass man als Regisseur sagen darf "da weiß
ich grad nicht mehr weiter", habe ich auch gelernt.
Sie haben eine märchenhafte Karriere hingelegt.
Sehen Sie das auch so?
Henry Mason: Ich hoffe, sie geht noch weiter...
(lacht)
Das habe ich nie geplant und plane das auch jetzt
nicht. Mit guten Leuten zu arbeiten und damit Geld
zu verdienen, ist toll. Na klar. Aber nur der Bekanntheitsgrad
darf kein Kriterium sein für das, was ich mache.
Deshalb bin ich zum Beispiel immer wieder am Theater
der Jugend. Dort ist eine Atmosphäre, in der
ich gern arbeite. Wenn mich ein Projekt interessiert,
mache ich das.
Ich mag es, wenn ich nicht weiß, wie ich etwas
lösen soll.
Heute bin ich innerlich mutiger und etwas gelassener
als früher. Ich habe immer darauf vertraut, dass
die richtigen Sachen kommen. Zwischendurch gibt es
Zeiten, in denen ich denke, ich habe genug vom Theater.
Es ist ein schöner Beruf, und man muss aufpassen,
dass man sich nicht auspowert, dass Arbeit nicht Leben
ist.
Wollten Sie zwischendurch nie nach England, um
dort mal ein Stück zu inszenieren?
Henry Mason: Nein. Ich habe hier genug Projekte,
die mir Spaß machen. Die nächsten zwei
Jahre bin ich ausgebucht.
Haben Sie einen Wunsch?
Henry Mason: Ich würde gern mehr Musical
machen. Es ist toll, mit Musik zu arbeiten. Das möchte
ich weiter verfolgen, auch Shakespeare. Ich habe keine
Langeweile. Als freischaffender Regisseur ist es anders,
als wenn man fest am Haus ist. In drei Wochen habe
ich Geburtstag. Ich habe noch mindestens 20 Berufsjahre
vor mir und sage: Was kommt, das kommt. Ich arbeite
ja schon seit 18, 19 Jahren professionell und habe
meine Lehrlingsjahre gemacht, das Feld sozusagen seit
15 Jahren beackert.
Sie haben offensichtlich einen Faible für
Charles Dickens. Im Theater der Jugend inszenierten
Sie "Große Erwartungen".
Henry Mason: Ich mag dicke Wälzer. Viele
Figuren mit einer komplizierten Geschichte. Das ist
bei Shakespeare auch so. Beide haben prägnante,
unverwechselbare Figuren.
Was schreiben Sie eigentlich, wenn Sie nicht gerade
eine Bühnenfassung erarbeiten?
Henry Mason: Geschichten. Früher mal.
Aber dazu bin ich schon länger nicht gekommen.
Vielen
Dank Ihnen!
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Die schönste Zeit ist heut'!
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"Ein
Käfig voller Narren" in der Bar jeder Vernunft
Berlin
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Von Astrid Mathis
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Als Travestiestar Zaza das legendäre "Ich
bin, was ich bin" singt, hat sie schon längst
alle in der Tasche. Das heißt, Hannes Fischer
hat sie. Mitsamt Narrenkäfig. Denn diese Stimme
ist einfach zum Niederknien. Und, ja, Zaza ist zu
Recht der Star des von Georges geführten Nachtclubs.
Kein Wunder, dass er sich Zaza alias Albin geangelt
hat. 30 Jahre sind die beiden ein Paar, mal abgesehen
von Georges Ausrutscher mit einer Frau, ungestört.
Ergebnis: Jean-Michel, seines Zeichens Hetero und
schwer verliebt. Ach, mehr noch, heiraten will er
sein Täubchen sogar. Papa Georges fällt
aus allen Wolken, zumal er den Eltern der Auserwählten
eine konservative Nummer vorspielen soll - ohne Zaza,
mit der echten Mutter. Und das in dem unverkennbaren
Nachtclub, der noch vier ebenso schwule Travestiekünstler
zu bieten hat und die hinreißende Butlerin Fausto
Israel alias Jacob, die mal in Serviermädchen-Kleidung
bezaubert, mal im Glitzerfummel, mal im Bananenkostüm.
Bühnenbildner
Friedrich Eggert hat den Paradiesvögeln ein Zuhause
geschaffen, wie es sich für eine solche Musical-Show
ziemt - die ägyptischen Säulen, die Chaiselongue,
der Tisch, der sich von der Zeltkugel heruntersenkt,
einfach alles. Der Boden ist für Chantal, Hanna,
Mercedes und Phaedra bereitet, einen Traum in Rosa,
Orange und Pink eröffnen sie dem Publikum, sie
machen gute Laune, ihre Fasanenfedern beben.
Was
1973 als Theaterstück begann und 1983 Musicalpremiere
feierte, ist ein echter Knaller. Nicht nur, weil die
Travestiekünstler vor Charme nur so übersprühen.
Herrlich bodenständig kommt Sebastian Stert als
Jean-Michel daher, seines Zeichens Sohn. "Leben
ist erst richtig mit Anne" singt er und reißt
beim Tanzen die Zuschauer mit, die sich in dem Moment
vielleicht an ihre erste große Liebe erinnern
und gar nicht ausmalen mögen, wie es ist, in
einem Nachtclub aufzuwachsen. Der trockene Humor -
"was haben wir großgezogen? - Ein Tier!"
- begleitet das Publikum durch die Show. Beim Liebesduett
von Georges und Zaza schippern sie mit einem Schwan
an die Tische der Bar und drehen sich in alle Richtungen,
so dass jeder das Phallussymbol erkennen kann. Im
Narrenkäfig ist ein Schwan eben nicht einfach
ein Schwan! Im "La Cage" nehmen sie das
Leben von einer bestimmten Seite.
Als
Zaza erfährt, dass sie ausquartiert werden soll,
ist allerdings Schluss mit Lustig.
Nach dem berühmten "I am what I am"
und einer heiteren Lektion in Sachen männlicher
Gang kommt es zwischen George und seinem Sohn zum
Eklat. Zwischen Fasanenfedern aufzuwachsen, ist nämlich
überhaupt nicht lustig, wenn man in der Schule
dafür gehänselt wird. Dass diese Szene wahrhaftig
und ergreifend wirkt, ist dem Zusammenspiel von Sohn
(Sebastian Stert) und Vater (Peter Rühring) zu
verdanken. Aufatmen kann das Publikum wieder bei der
Tellerchoreographie, die das Abendessen mit dem konservativen
Politiker einleitet. Dann geht alles sehr schnell,
Drama, Versöhnung, Schlussapplaus. Das letzte
Lied "Die schönste Zeit ist heut" entlässt
die Zuschauer mit einem Ohrwurm, der noch lange an
diesen schillernden und bewegenden Musicalabend erinnert.
Noch
bis zum 31. Mai 2014
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|
Von Astrid Mathis
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Es war ein trauriger Anlass, der Anfang Februar die
Créme de la créme der Wiener Musicalliebhaber,
im Raimundtheater zusammenführte. Zum dritten
Mal seit der Uraufführung 1992 sagte Sisi Adieu.
Das Musical "Elisabeth" war im September
2012 noch einmal zum 20-jährigen Jubiläum
zurückgekehrt. Uwe Kröger, Pia Douwes und
Viktor Gernot, die Ursprungsbesetzung, lächelten
in die Kameras. Jetzt standen die Erfinder Michael
Kunze und Sylvester Levay zum Schlussapplaus mit der
letzten Wiener Besetzung auf der Bühne. Und,
ja, sie verdrückten ein paar Tränen. Und,
nein, niemals hätten sie mit so einem Erfolg
von Deutschland bis Japan gerechnet, betonten sie
jetzt noch einmal. Mit dem Musical "Elisabeth",
einer aufgeräumten Version der Lebensgeschichte
von Österreichs Kaiserin, und Ohrwurm-Musik ist
dem Traumpaar von Text und Klang ein Coup gelungen,
der seinesgleichen vergeblich sucht. Harry Kupfers
Inszenierung ahmten unzählige Musicaltheter der
Welt nach. Unvergesslich ist das Bühnenbild,
das im Theater an der Wien am besten zur Geltung kam,
da das Schachbrett noch leuchtete, auf dem die Mutter
von Franz Joseph ihre Intrigen mit dem Hofstaat ausklügelte,
und nicht nur angeleuchtet wurde. In der Hauptsache
galt doch: Hauptsache Wien, denn wie in Wien, unweit
von Schloss Schönbrunn und Hofburg entfernt,
kann das Musical nirgendwo sonst vollends wirken.
Zum
letzten Mal sank Annemieke van Dam als Elisabeth also
am 1. Februar in die Arme von Mark Seibert, dem Tod
in persona, so anziehend wie erschreckend, so mit
Charme wie auch mit Kalkül lächelnd. Kurosch
Abbasi alias Luigi Luccheni sauste als Erzähler
der Geschichte (und Mörder Sisis) über die
Bühne, die Geweihe hingen von der Decke, als
der junge Kaiser seiner Braut zum ersten Mal begegnete,
Lucheni ließ die Schleier für die Trauung
fallen, die Todesengel tanzten. Die Feile verharrte
drohend über jedem Bild. Nichts - weder von der
Inszenierung noch vom Bühnenbild - hat den magischen
Zauber in den 20 Jahren bzw. in den letzten eineinhalb
Jahren seit der Wiederaufnahme eingebüßt.
Die hinzugewonnenen Nuancen, wie das Lied "Schwarzer
Prinz", fügten sich geschmeidig in die Liebesgeschichte
ein. Die Todessehnsucht im Widerstreit zu der Sehnsucht
nach einem Mann, der Sisi auffängt. Das Wiener
Ensemble trug die Dernière aber nicht allein.
Für die letzte Vorstellung hatten sich die Wiener
Fans etwas Besonderes ausgedacht. Sie verteilten Taschentücher,
damit das gesamte Publikum damit winken konnte, wenn
Franz Joseph (Franziskus Hartenstein) und Elisabeth
als Königspaar Ungarns geehrt würden. Knicklichter
sollten die Stimmung beim Duett zwischen Franz und
Sisi "Boote in der Nacht" unterstreichen.
Und schließlich gab es Liedzettel für jeden
Besucher, um dem Ensemble ein persönliches Dankeschön
auf die Melodie von Elisabeths "Ich gehör'
nur mir" zu singen. Auch wenn die zwei Organisatorinnen
der Aktion vor Aufregung auf der Bühne nach dem
Schlussapplaus kaum einen richtigen Satz herauskriegten,
bleibt Anerkennung. So einen Musicalabschied mit einem
Publikumschor bekommen wohl nur die Österreicher
hin.
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© POTZDAM 2014
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