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Schaulaufen auf
dem roten Teppich
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Von
Astrid Mathis
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Donnerstag,
05.02.09
Clive Owen
Nina Hagen
Richard von Weizsäcker
Christiane Paul
Bernd Eichinger
Herbert Grönemeyer
Tilda Swinton
Christoph Schlingensief
Caroline Herfurth
Clive Owen
Freitag, 06.02.09
David Kross
Kate Winslet
Stephen Daldry, Kate Winslet und
David Kross
Kate Winslet
Kate Winslet
Sonnabend,
07.02.09
Hans-Christian Schmid
John Goodman
Bürgermeister
Klaus Wowereit begrüßt Kerry Fox am roten Teppich
Sonntag,
08.02.09
Steve
Buschemi mit Fan in der Bar Tausend Bahnhof Friedrichstraße
bei der Aftershowparty von "John Rabe"
Sonnabend,
14.02.09
Bürgermeister Klaus Wowereit
mit Schal und Partner
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
(außer Konkurrenz)
Harald Zwart "Pink Panther 2"
Clouseau
stürzt den Papst
Der
Tornado ist los, und wo auch immer er auftaucht, verschwinden
Kunstschätze. Vom Grabtuch von Turin bis zum Diamanten
"Der rosarote Panther". Das ist ganz klar ein Fall
für Inspektor Clouseau bzw. Steve Martin, der die Nachfolge
von Peter Sellers 2006 antrat. Chefinspektor Dreyfus (John
Cleese) kommandiert Clouseau ab, Clouseau kann das Strafzettelschreiben
sein lassen und im Dream Team mitmischen. Seine rechte Hand
ist Ponton (Jean Reno), seine Sekretärin immer noch Nicole
(Emily Mortimer), der er tolpatschig-schmachtend hinterhersteigt.
Im Dream Team steht er eigentlich allein, will doch jeder
den Fall am liebsten allein lösen, von Andy Garcia über
Alfred Molina und Yuki Matsuzaki bis hin zu Bollywood-Schönheit
Aischwarya Rai Bachchan. Auf dem Weg zum Enttarnen des Diebes
wird nicht mit Slapstick gespart. Und auch der größte
Lachmuffel wird in der Szene mit dem Papst nicht anders können,
als loszuprusten. Wie Steve Martin im Aufzug des Papstes das
katholische Oberhaupt mimt, um den Tathergang nachzustellen,
auf den Balkon tritt, das Volk wie nebenbei begrüßt,
dann ins Straucheln gerät und stürzt, das hat fast
schon etwas Frech-Prophetisches.
Die
Pressekonferenz
"Ja!
Ich krieg´ die erste Frage", sagt Steve Martin
auf der Pressekonferenz begeistert und wird dann erst mal
ernst, betont Clouseau wäre der Hamlet unter den Komikern
und der Film sei physische und verbale Komödie zugleich.
Aischwarya Rai Bachchun ergänzt: "Das ist James
Bond ohne Gewalt, ein Wohlfühlfilm, einfach süß,
unschuldig." Und Regisseur Harald Zwart liefert eine
Erklärung für so viel Süße und Unschuld:
"Ich bin von `Tom und Jerry´ beeinflusst."
Was die Kritiker meinen, sei erst einmal dahingestellt. Martin
weiß: "Ich habe mein ganzes Leben lang schon schlechte
Kritiken bekommen. Wenn man lacht, ist es lustig, aber die
Kritiker lachen und denken, es sei nicht lustig." Jean
Reno zeigt sich ganz als guter Partner und betont: "Steve
ist ein wahrer Künstler. In vielerlei Hinsicht."
- "Und?" hakt Steve Martin nach, worauf Reno einfach
nur lacht. Lachen und Durch-die-Haare-Streichen ist eigentlich
die Hauptbeschäftigung der Bollywood-Schauspielerin inmitten
der Herren. Vielleicht übernimmt Martin deshalb auch
schließlich die Moderation und fragt sie: "Aischwarya,
wie schwer ist es, eine schöne Frau zu spielen?"
Ob
er mal ins ernste Fach wechseln will, fragt einer der Journalisten
Steve Martin. "Wissen Sie, ich bin nicht der Mensch,
der für Drama gecastet wird", gesteht der Schauspieler,
obwohl er den Film "Der Vater der Braut" eher als
Drama einstuft. Anders ist es mit Jean Reno. Der sieht überhaupt
nicht ein, vom ernsthaften Schauspieler zum Komiker gewechselt
zu haben. "Das ist keine Komödie. Ich bin das lebende
Drama", behauptet er. Da am Set alles stirkt nach Drehbuch
gehe, beschränke er sich außerdem auf das innerliche
Improvisieren. Das Schlusswort hat dann wieder sein Kollege
Steve Martin. Der sagt: "Ich wünschte, ich hätte
ein Banjo", greift hinter sich und legt eine kleine Zupf-Session
hin. Er ist eben ein Künstler in vielerlei Hinsicht.
Berlinale
Spezial
Kai Wessel "Hilde"
Herzloser
Versuch an Hildegard Knef
Diese
Hilde hat kein Herz. Oder nur sehr wenig. Wenn sie als junge
Frau zu Füßen ihres Großvaters sitzt, der
schon immer Verständnis für ihre Schauspielerei
hatte oder als sie 1966 vor dem Konzert in der Berliner Philharmonie
vom Tod ihres Förderers Erich Pommer erfährt, meint
man, es schlagen zu hören, dieses Herz. Doch dazwischen
reiht der Film Stationen des Lebens von Hildegard Knef aneinander.
Mehr nicht. Heike Makatsch hat sich Gesten und Tonfall der
Künstlerin angenommen. Ihren Schmollmund auch. Sie singt
ihre Lieder, von denen im ganzen Film nur zwei von Anfang
bis Ende erklingen, obwohl der Film doch irgendwie erzählen
soll, wie die Knef zu sich selbst findet, entdeckt, dass sie
Sängerin phantastischer selbst geschriebener Chansons
ist und das den Rest ihres Lebens bestimmen wird.
"Das
Glück sollte sich sanft verhalten", mit diesem Zitat
beginnt der Film. Hildegard Knef soll ein Konzert in der Berliner
Philharmonie geben und raucht in ihrer Garderobe eine Zigarette
nach der anderen. Vor lauter Lampenfieber. In dieses unerträgliche
Warten auf den Auftritt wird ihre Lebensgeschichte eingebettet.
Man erfährt von ihrem ersten Vorsprechen bei der Ufa
in Babelsberg, das gut ankommt, wenngleich sie ihre Nase operieren
sollte. 1943. Sie geht mit dem verheirateten Reichsfilmdramaturgen
Demandowsky ins Bett und erhofft sich eine Rolle im Film.
Else Bongers (Monica Bleibtreu) warnt sie, sagt, das sei zu
früh, und wird ihre lebenslange Begleiterin und Fürsprecherin
bleiben. Aus dem Film wird sowieso erst mal nichts. Hilde
zieht in den Krieg mit Demandowsky, robbt durch den Dreck.
Als sie getrennt werden, besorgt sie sich eine Lizenz, um
im Schlossparktheater spielen zu dürfen. Sie heiratet
Kurt Hirsch. Dann geht alles Schlag auf Schlag. Auf Wolfgang
Staudtes "Die Mörder sind unter uns" folgt
ewiges Warten in Hollywood als Vertragsschauspielerin bei
Selznick, darauf "Die Sünderin", mit der sie
ihren Ruf endgültig versaut. Trennung von Kurt Hirsch.
Auf einmal "Silk Stockings" am Broadway. Reklametafeln
pflastern ihren erfolgreichen Aufstieg. Hilde, ähm Heike,
berlinert nicht mehr, akzentuiert scharf, lacht verraucht.
Eines Tages ist David Cameron aktuell, der sie zu ihrem ersten
Liebeslied animiert. Ein berührender Moment, als sie
im Tonstudio das erste Mal durchsingt. Aber der wohl peinlichste
Dialog des Films wiegt schwerer. Hildes Mutter fragt Cameron,
im Bett an Hildes Seite seine Blöße bedeckend,
wie er gern seine Eier hätte. "Spiegeleier",
antwortet er und muss eine noch peinlichere Frage aushalten:
"Mögen Sie Würstchen?"
Hildegard
Knef mag ehrgeizig gewesen sein, ungehalten bis jähzornig,
launisch und laut, aber das sind keine Gründe dafür,
ein Biopic von ihr so unbeseelt zu verfilmen. Am Ende hat
man gerade mal zwei, drei anrührende Bilder im Kopf,
die wirklich etwas mit der Knef zu tun haben könnten.
Das ist für einen guten Film zu wenig.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Richard Loncraine "My One and Only"
Nicht
ohne meine Perlenkette
George
Hamilton wollte nie Schauspieler werden. Er dachte gar nicht
daran. Es passierte einfach. 1953. Seine Mutter Ann Devereaux
(Renée Zellweger) hat es satt, dass ihr Mann sie betrügt
und verlässt den Bandleader Dan Devereaux (Kevin Bacon).
Nimmt ihre beiden halbwüchsigen Jungs George und Robbie,
kauft sich einen Cadillac und braust davon. Noch hat sie Geld.
Und damit das auch so bleibt, begibt sie sich sofort auf die
Suche nach einem neuen Mann, der sie und die Jungen versorgt.
Allein, die spritzigen Aphorismen und ihr Lieblingsspruch
"das wird schon alles gut werden" wirken immer makabrer,
je öfter sie an ihre Grenzen stößt. An ihr
Alter. Keiner ihrer ehemaliger Verehrer, die sie auf der Reise
durch Amerika abgrasen, zeigt tatsächliches Interesse
an der Frau. Als sie einen Mann an einer Hotelbar anspricht,
wird sie sogar der Prostituion verdächtigt. Dabei ist
sie eine Dame, die lieber aus Aluminiumschüsseln isst,
ehe sie ungestylt und ohne elegantes Erscheinungsbild mitsamt
Perlenkette das Haus verlässt. Es ist bewundernswert,
wie sie sich selbst ständig Mut zuspricht, wie sie wirklich
daran zu glauben scheint, dass es ihnen bald besser geht und
ein Mann sie zur Frau nimmt. Ihre Jungen finden das Verhalten
allzu peinlich und haben genug von den billigen Absteigen,
in denen sie unterkommen.
"Merkst
du nicht, dass du viel zu alt bist für ihn?" schreit
George sie eines Tages an. Anns Optimismus ist ihm unerträglich
geworden, während Robbie die Stationen der Reise seelenruhig
auf ein Hemd stickt und von einer Karriere als Schauspieler
träumt.
Schließlich
machen die Drei bei Anns Schwester Station, von der sie einmal
sagte, sie würde nur in allergrößter Verzweiflung
zu ihr fahren. Nun, sie ist verzweifelt genug und fängt
dort in einem Laden zu arbeiten an, dessen Ladenbesitzer ihr
zwar einen Antrag macht, sich jedoch als geistig verwirrt
und verheiratet herausstellt. Wieder nichts. Ann will weg.
George will bleiben, einer seiner Lehrer spricht ihm schriftstellerisches
Talent zu. Es kommt zu einem fürchterlichen Streit zwischen
Ann und George. Der intensivste Moment des Films. George schleudert
ihr ins Gesicht, sie sei eine lausige Mutter, sie wisse nichts
von ihm. Nicht einmal seine Lieblingsfarbe. Zögerlich
beginnt Ann: "blau", unter Tränen: "rot",
stammelnd: "grün". George gibt ihr eine letzte
Chance, sie soll sein Lieblingsbuch nennen, das er seit zwei
Jahren mitschleppt. "Der Fänger im Roggen."
Sie weiß es nicht. Und fährt. Und so sehr sich
George wünschte, dort zu bleiben, kann er nicht fassen,
dass ihn seine Mutter nicht zwingt, mitzukommen.
Am
Ende wird tatsächlich alles irgendwie gut, nur nicht,
wie Ann es anfangs vorhatte. Sie sieht ein, dass sie keinen
Mann an ihrer Seite braucht, um etwas zu gelten, und sie ist
eine bessere Mutter.
In
dem Film geht es allerdings nicht um Läuterung oder vordergründig
um die Last,als Frau immer schön sein zu müssen,
sondern vielmehr um das Lebensgefühl der 50er Jahre.
Renée Zellwegers spritzige Art vereitelt, dass der
Film vor Sentimentalitäten trieft und beschert dem Publikum
einen Schlagabtausch nach dem anderen. "My One and Only"
ist ein unterhaltsamer Film, zu gleichen Teilen witzig und
ernsthaft, der mit viel Herz die Erinnerungen des Schauspielers
George Hamilton an seine Mutter nachempfindet. Erfrischend.
Die
Pressekonferenz
Ganz
schön schwierig, Förderer für einen Film zu
finden, in dem kein Sex und keine Gewalt vorkommen. Das musste
Regisseur Richard Loncraine erfahren, als er vor zehn Jahren
mit dem Stoff für "My One and Only" in Berührung
kam. "Es war ganz leicht, in den 50ern unanständig
zu sein", das ist das Resümee, dass Renée
Zellweger nach dem Film zieht. Wie leicht galt man als unkonventionell.
Für sie ist Ann "eine Frau, die ihren Wert nicht
kennt und erst lernt, was sie wirklich wertschätzt, nämlich
ihre Familie, in der einer vom anderen abhängig ist".
Auf die Frage, wie sie sich auf die Rolle vorbereitet habe,
bewies sie, dass die Schlagfertigkeit im Film der privaten
in nichts nachsteht. Sie kontert: "Ist damit gemeint,
ob ich mit vielen verzweifelten Frauen gesprochen habe? Kann
ich einfach nur sagen: Kein Kommentar?" Zum Thema Schönheitswahn
in Hollywood war sie ebenfalls um keine Antwort verlegen:
"Das ist nicht mein Hollywood. Gute Arbeit zu machen,
das ist mein Hollywood." Im Film einmal zwei Söhne
zu haben, machte ihr jedenfalls viel Spaß, behauptete
Zellweger. Und zuppelte ihrem Film-Sohn Mark Rendall einen
Fussel vom Sakko. Die Mutter-Rolle muss ihr wirklich gefallen.
Perspektive
Deutsches Kino
Elmar Szücz "Wir sind schon mittendrin"
Warten
auf das Leben nach dem Abi
Was
ist das eigentlich für eine Generation, in der man mit
30 noch nichts erreicht hat? Ist das jetzt die Generation,
die nach dem X kommt? Wie nennt man die bloß? Der Student
Elmar Szücz sieht sich im Freundeskreis um. Anderen geht
es genauso, stellt er fest. Elmar Szücz fängt an,
darüber nachzudenken, wieso alles so ist, wie es ist,
als er Vater wird und noch nichts in der Tasche hat, mal abgesehen
von ein paar Semestern im Regie-Fach. Er besucht seine besten
Freunde, fährt mit ihnen nach Amrum und redet mit ihnen.
Hier wollen sie ihre Jugend begraben, entscheiden sich aber
für die Beerdigung ihrer Unentschlossenheit. Die Doku
ist so lustig wie erschreckend. Nein, unpolitisch seien sie
nicht, meinen alle Drei, doch seien sie eben nicht politisch
aktiv. So steht es bei ihnen mit vielen Dingen. Die Aktivität
fehlt. Woran liegt das nur?
An
etwas Besondrem wollten sie teilhaben wie damals die Leute
beim Mauerfall. Irgendworin richtig gut sein. Die hochgesteckten
Ziele lassen auf der Stelle treten. Die Flucht vor Verantwortung
ist ein Hemmschuh. Es ist wie ein Warten darauf, dass etwas
passiert, eine der vielen Möglichkeiten auf sie zugreift.
Es ist aber anders, sie müssen auf ihre Möglichkeiten
zugreifen, sonst geschieht nichts. Sie brauchen nicht darauf
zu warten, dass das Leben anfängt, sie sind schon mittendrin.
Bei der Frage nach Rentenversicherung und Altersvorsorge lachen
sich alle kaputt. Flo liegt gerade am Strand und liest "Die
Vermessung der Welt" von Daniel Kehlmann. Mathis grinst.
Wegen seines Honorarjobs in der Musikschule zahlt er monatlich
ein, weiß schon, wie das läuft. Musik zu studieren,
war immer sein Traum, obwohl er ihn abbrach, weil er irgendwann
nicht mehr Trompete spielen konnte. Ein psychisches Problem.
Er geht ihn noch mal an, den Traum, und bewirbt sich für
"Elementare Musikpädagogik". Am Filmende hält
er die Zusage hoch. Auf die Frage, ob er sich für eine
weitere Doku seines Freundes hergeben würde, antwortet
er: "Jetzt ist erst mal Therapiepause."
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Mitchell Liechtenstein "Happy Tears"
Bloß nicht die Wahrheit
"Ricky"
ist nicht der verrückteste Film der Berlinale. Das war
vor knapp einer Woche allerdings nicht abzusehen. Weitaus
durchgeknallter ist nämlich "Happy Tears".
Der Film handelt von zwei Schwestern, die sich mit ihrem demenzkranken
Vater auseinandersetzen müssen und merken, dass sie dabei
aufeinander angewiesen sind. Nun ist das ja ein ernsthaftes
Thema, Liechtenstein nimmt es leicht. Die Pointen werden quasi
mit dem Lattenzaun vorgeführt. Wenn Tochter Jayne (Parker
Posey) ihren halbnackt neben seinem vollgekotzten Hemd sitzenden
Vater fragt, wie es ihm gehe und er mit "gut" antwortet,
ist das eigentlich nicht lustig, sondern traurig. Jayne ist
die Antwort recht, sie will ohnehin nicht sehen, wie schlecht
es ihrem Vater geht. Laura (Demi Moore) ist da ganz anders,
denn sie hat Jayne schließlich herzitiert, um die Bürde
nicht allein tragen, die Entscheidung, ob nun Altersheim oder
nicht, nicht allein fällen zu müssen. Jayne ist
jedoch Meisterin im Ausweichen und Phantasieren. Sie bringt
es nicht einmal fertig, ihrer Schwester zu sagen, dass ihre
neuen Stiefel 2800 Dollar gekostet haben. Dafür lässt
sie in ihren Phantasien Männer schrumpfen. Zu allem Überfluss
hat der Vater noch eine Freundin, die sich als Krankenschwester
ausgibt, aber wie eine arbeitslose Bordsteinschwalbe aussieht.
Es
könnte so interessant sein, wie sich zwei ungleiche Schwestern
wegen der Krankheit ihres Vaters annähern, das ist es
leider nicht in diesem flachen Film. Irgendwann läuft
sich dieser schwache Humor auch bei dem letzten Zuschauer
tot. Da haben die meisten das Kino schon verlassen.
Die
Pressekonferenz
Das
war klar. Rip Torn, der den Vater spielt, muss erklären,
wie es ihm mit der Szene ging, in der ihn die Film-Töchter
in der Badewanne stehend von Kot befreien. "Großartig.
Wir haben uns kaputt gelacht", gesteht Torn und fügt
Augen zwinkernd hinzu: "Ich meine, ich wurde dafür
bezahlt!" Demi Moore erzählt daraufhin von der Substanz
der schmierigen Masse am Hinterteil ihres Film-Dads: "Schokopudding
und Erdnussbutter." Darüber hinaus hat Demi Moore
aus diesem Film die Konsequenz gezogen: "Die Familie
kommt immer zuerst." Vielleicht wusste sie das auch schon
vorher.
Und ihre Familie, sprich Ashton Kutcher, begleitete sie in
Berlin auch. Mehr noch, Kutcher machte ständig Schnappschüsse
und stellte sie ins Internet, nicht nur am roten Teppich,
als seine Frau Autogramme gab und in die Kamera lächelte.
Dass
die Schauspielerin ihren Mann mitbrachte, war zugegebenermaßen
das Beste an dem Film. Die Zeiten, dass Demi Moore durch tiefsinnige
und ergreifende Projekte wie "Ghost" auffällt,
sind wohl vorbei.
Wettbewerb
George Tillman Jr. "Notorious B.I.G."
"Nichts
geschieht vor seiner Zeit", erzählt die Mutter des
1997 ermordeten Rappers Notorious B.I.G. und begründet
damit die späte Verfilmung der Lebensgeschichte ihres
Sohnes. "Sie haben nie den Mann gekannt, den Vater, den
Sohn, der er auch war", berichtet Voletta Wallace über
Christopher. Jamal Woolard verkörpert jetzt den schwergewichtigen
Gangster-Rapper aus Brooklyn und brachte dafür beste
Voraussetzungen mit. "Wissen Sie, ich bin aus Brooklyn."
Natürlich war Notorious ein Gott für ihn. "B.I.G.
war unser Shakespeare", betonte er.Woolard hatte ihn
sogar in einem Konzert miterlebt. Es gab nicht so viele davon,
denn die Karriere des Rappers dauerte nur fünf Jahre.
Als
junger Bengel hatte er die Nase voll davon, wegen seiner Fettleibigkeit
gehänselt zu werden. Er beschloss, Drogen zu verticken
und landete mit 17 dafür im Knast. Wenig später
ist das erste Baby da, der erste Hit, der Streit zwischen
seinem Freund Tupac. Er betrügt seine Frau, er wird gewalttätig,
aber das sind die einzigen negativen Seiten, die der Zuschauer
hier zu sehen kriegt. Allzu glatt und zu Pro Ostküsten-Rap
und glitzernd wird die Geschichte erzählt. Gerade bei
dem unaufgeklärten Fall des Verrats an seinem alten Freund
Tupac wäre ein bisschen mehr Licht im Dunkel und weniger
Einseitigkeit interessant gewesen. Denn an dieser Stelle beginnt
ja das Ende. Im Alter von 24 Jahren wird Big Smalls alias
Notorious B.I.G. erschossen und zur Legende. Den Film hat
übrigens kein Geringerer als sein Freund Puff Daddy produziert.
Berlinale
Spezial
Lone Scherfig "Education" ("Bildung")
Gib mir Paris, ich geb' dir alles
Bücher
tragen die Mädchen auf dem Kopf, während der Vorspann
läuft, akkurat gekleidet strömen sie in die Schule.
Bildung, der Titel ist ganz wörtlich zu nehmen. Autor
Nick Hornby hat den Stoff für die heiter erzählte
Geschichte geliefert. Alfred Molina kann darin als strenger
Vater zu Höchstform auflaufen. Schließlich gibt
es Anfang der 60er nicht viele Freiheiten für Frauen.
Sind sie klug und studieren, können sie am Ende doch
nur Lehrer werden oder in den öffentlichen Dienst gehen.
Und sind sie es nicht, wird geheiratet, oder sie sterben als
alte Jungfern. Diese Gefahr steht bei Jenny (Carey Mulligan)
nicht. Sie liebt Frankreich, französische Lieder und
Literatur. Alles, was ihr der Vater verbietet. Als sie im
Regen steht und David, um einiges älter, sie anspricht,
ist Frankreich in greifbarer Nähe. Er wird ihr Rochester,
der bei ihrer Lieblingslehrerin Mrs. Stubbs gerade Thema ist,
weshalb Jenny in ihrem Aufsatz wohl wieder die Bestnote hat.
Dass David lügen kann wie gedruckt, wird der 16-Jährigen
bald klar. David geht Jennys Vater so um den Bart, dass dieser
sie zuerst einen Wochenendausflug nach Oxford und später
sogar eine Reise nach Frankreich unternehmen lässt, aber
er öffnet ihr die Tore zur Welt. Er tischt ihrem Vater
tatsächlich auf, einen berühmten Schriftsteller
(C.S. Lewis) persönlich zu kennen und ein Autogramm zu
bekommen. Mit Davids Freunden Danny und Helen geht Jenny auf
Erlebnistour - das ist so viel aufregender als ihr bisheriges
Leben - und begräbt tatsächlich ihren Traum von
Oxford, um David zu heiraten. Nur dass David auch sie anlügt,
will sie nicht wahrhaben.
Bei dieser Art Erziehungsmaßnahme sitzt man gern dabei.
Zwar wirkt der Umgang mit dem älteren Mann und mit der
ersten Liebesnacht zu selbstverständlich für diese
Zeit und hier und da eine Spur mehr Tiefgang hätte dem
Film gut getan, aber alles in allem steht der Film für
wunderbares Unterhaltungskino. Und das muss man auch erst
mal schaffen.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Stephen Frears "Chéri"
Und wäre die Liebe nicht...
Herrlich!
Wie sich Léa de Lonval auf ihren Laken räkelt
und sagt: "Gibt es etwas Schöneres, als ein Bett
für sich zu haben?" Ausgang 19. Jahrhundert. Die
Lebedamen haben die Welt im Griff, Vermögen und Männer
haben sie im Überfluss. Michelle Pfeiffer spielt die
Kurtisane, die der Liebschaften müde ist und sich zur
Ruhe begeben will. Auch Fred Peloux, der 19-jährige Sohn
ihrer Freundin und Konkurrentin Charlotte (genial bissig und
zuckersüß: Kathy Bates), will sich zur Ruhe setzen,
hat er doch schon ein ausschweifendes Dasein hinter sich und
sieht keinen Reiz mehr in den Damen um sich herum und im Maxime.
Das Schicksal hat anderes mit ihnen vor.
In
Charlottes stets von Licht durchflutetem Wintergarten treffen
die Liebesmüden aufeinander und sind ab diesem Moment
zusammen. In der Normandie beginnen die nun wieder Liebeshungrigen
ihre Liason. Léa nennt Fred Chéri, und Fred
nennt Léa Nounoune. Sechs Jahre leben sie in Saus und
Braus in einer riesigen Jugendstilwohnung in Paris. Der blasse
junge Mann mit den dunklen Locken (Rupert Friend) lässt
sich von Léa aushalten, und beide genießen die
Zweisamkeit und ihre Machtspielchen. Bis Charlotte Léa
mitteilt, dass sie gerne Enkel hätte und die Heirat mit
der 18-Jährigen Marie-Laurie längst besiegelt sei.
Sie hätte eben Jugend, Schönheit und Geld zu bieten,
so ein Angebot käme nicht alle Tage. Zwei Monate bleiben
bis zur Hochzeit. Léa gibt sich scheinbar gefasst,
und auch Chéri bemüht sich um einen kühlen
Umgang mit der Situation. Doch ihr Blut ist in Wallung, nur
geben sie nicht zu, dass sie sich ineinander verliebt haben
und eigentlich gar nicht trennen wollen. Während Chéri
auf Hochzeitsreise geht, lenkt sich Léa in Biarritz
mit einem neuen jugendlichen Galan ab, ohne Chéri vergessen
zu können. Als sie erfährt, dass Chéri ausgezogen
ist, fährt sie sofort in ihre Wohnung. Und hofft. Und
wartet. Bis er tatsächlich da ist. Doch das neuerliche
Liebesspiel ist kein Anfang, es ist das Ende. Chéri
wirft ihr vor, sich bei ihr wie ein Zwölfjähriger
zu fühlen, und Léa erkennt: "Jetzt, wo du
die Jugend gekostet hast, findest du in mir eine alte Frau."
Allein
die Hüte, die Kleider, die Kulisse, die ganze Atmosphäre
der Belle Époque, die auf der Leinwand flimmert! Stephen
Fraers, der vor 20 Jahren "Gefährliche Liebschaften"
mit Michelle Pfeiffer drehte, setzt mit "Chéri"
von Colette einen Roman um, der Romantikerherzen höher
schlagen lässt. Dieser Film ist ein Liebesfilm. Nein,
eine Komödie. Nein, auch eine Tragödie. Wie Charlotte
Péloux und Léa einander elegant attackieren,
ist tragisch und komisch gleichermaßen. Kathy Bates
teilt auf das Wunderbarste aus und sagt zum Beispiel: "Du
riechst so gut, Léa. Ach, Parfüm hält doch
so viel besser, wenn die Haut nicht mehr ganz so straff ist."
Jeder Stich ist ein Treffer. Von beiden Seiten, aber man nimmt
es leicht, und man lächelt immer, besonders, wenn einem
zum Heulen ist. Nur allein im Zimmer bricht die Welt zusammen
- wenn Léa unter Tränen in ihrem Bett nach Chéri
ruft. Manchmal gibt es gar nichts zu lachen, und man kommt
trotzdem nicht umhin. Trotz alledem ist von Oberflächlichkeit
keine Spur, hinter ihrer Fassade sind die so verschiedenen
Liebenden Gefühl pur. Ewige Schönheit und die Sehnsucht
nach Jugend und Liebe sind in Colettes Roman so aktuell wie
heute. Lieber verletzen, als verletzt zu werden, lieber unabhängig
bleiben, als Liebe einzugestehen. Dieser Film ist ein Glücksfall.
"Chéri":
Michelle Pfeiffer und Rupert Friend
Die
Pressekonferenz
Merkwürdig.
Rupert Friend sieht viel blasser und kränker aus als
im Film, in dem ihm beides von seiner Mutter vorgehalten wird.
Und Michelle Pfeiffer sieht live genauso zart und schön
aus wie auf Zelluloid. Doch etwas fehlt. Die Kostüme.
Und natürlich Kathy Bates. Ob die beiden Frauen befreundet
seien, will eine Journalistin wissen. "Ja, wir haben
direkt davor schon zusammen gedreht und hatten sehr viel Spaß",
plaudert Michelle Pfeiffer aus und fügt fast schüchtern
hinzu: "Ich glaube, da hatte ich auch was mit dem Sohn
von ihr." Womit wir beim Thema wären. "Je älter
ich werde, um so jünger sind die Männer. Schön
für mich", kommentiert die Schauspielerin. Im wahren
Leben gäbe es ja immer häufiger solche Konstellationen.
"Finde ich gut. Es geht in die richtige Richtung."
Panorama
Marco Wilms "Ein Traum in Erdbeerfolie"
Mode unter Verschluss
Marco
Wilms wollte schon immer irgendwie besonders sein. Und wurde
es. Eine Zeit lang. Ein Mannequin. Wie man zu DDR-Zeiten so
sagte. Heute arbeitet Wilms als Regisseur. Jetzt hat er einen
Film über seine Zeit auf dem Laufsteg gemacht, Wegbegleiter
und Mitglieder der Modetheatergruppen "Chic Charmant
und Dauerhaft" und "Allerleirauh" interviewt.
Seine Dokumentation kennt für ihn nur ein Ziel. Noch
einmal will er so eine Modenschau auf die Beine stellen. Mit
Klamotten aus schwarzer Erdbeerfolie von Sabine von Oettingen.
Die
Mode aus Duschvorhang und Erdbeerfolie befindet sich heute
im deutschen historischen Museum unter Verschluss hinter Glas.
Marco Wilms (aus Berlin) und Sabine von Oettingen (inzwischen
aufs Land gezogen und Schlamm-Mode verkaufend) lachen sich
kaputt darüber, als sie aufeinander treffen. Und die
Designerin erinnert sich: Was in den 80ern auf dem Laufsteg
zu sehen war, hatte nichts mit dem zu tun, was von Oettingen
selbst gerne tragen wollte, aber es inspirierte sie, etwas
Ausgefallenes, etwas Auffälliges zu entwerfen. Schwarze
Erdbeerfolie, mit der man die Felder abdeckt, musste her.
Sie hatte die verrücktesten Kostüme im Kopf und
schneiderte mehr für so genannte Randgruppen (vor allem
Gruftis) als für Ottonormalverbraucher. 1984 war das
Jahr des künstlerischen Aufbruchs. Das Ostberliner Avantgarde-Modetheater
Chic Charmant und Dauerhaft war geboren, Kopfbedeckungen,
die aussahen, wie Trocknerhauben beim Friseur, wurden begeistert
gefeiert. "Sie wollten uns die Modenschauen verbieten,
weil sie meinten, die Leute könnten die Sachen ja nirgendwo
kaufen", erzählt Sabine von Oettingen, "aber
ich habe gesagt, das können doch alle selber nähen.
Dann schmeiße ich die Schnitte eben auch noch runter."
Fotograf Frank Schäfer betrachtet die Zeit als einmalig
und heute verloren. "Es war eine unglaubliche Befreiung
für uns. Die Leute hatten dieses gewisse Lebensgefühl.
Dieses Gefühl gibt´s heute nicht mehr." Allein
schon die Kulisse, wie zum Beispiel die Treppenhäuser
von damals, gibt es nicht mehr. Absperrungen, wohin das Fotografenauge
blickt. "Die Gedanken, so was zu machen, kamen aus der
Situation heraus. Wenn man einen begrenzten Radius für
sein Leben hat, kommen einem solche Ideen. Da konnten wir
unseren Phantasien freien Lauf lassen", erzählt
der Fotograf Robert Paris. Im Dunkeln, wo keine Polizei kontrollierte.
Tauchte jemand mit Glitzerspray im Haar auf dem Alexanderplatz
auf, wurde er von der Polizei in Gewahrsam genommen. Und was
dann passierte, war keine angenehme Erfahrung, wie Frank Schäfer
erzählte. Die Akteure von Chic Charmant und Dauerhaft
waren immer wieder auffällig und malen schließlich
an die Berliner Mauer. Vor dem Mauerfall rufen sie die Gruppe
"Allerleihrauh" ins Leben, die imposante Theatervorstellungen
in der Gethsemanenkirche in Berlin gibt und eine apokalytische
Stimmung aufbaut. Marco Wilms sehnt sich nach der Modestimmung
von damals. Nach dem Gefühl der Revolte. Darum lädt
er im August 2007 zur Ostblockparty in seine Wohnung im Prenzlauer
Berg ein. Baut sie auf wie die von Helga Paris, die erste
von CCD.
Die
Gäste merken nichts davon, was für ein Theater es
war, die Erdbeerfolie aufzufinden. Nicht einmal schwarz-weiß
gestreifte Duschvorhänge gibt es im Baumarkt, aber Sabine
von Oettingen ist erfinderisch, nimmt statt dessen Wachstuchtischdecken
und malt Streifen darauf. Regisseur Klaus Ehrlich, der als
Einziger Modesendungen für das DDR-Fernsehen machte,
kommt auch.
Politische
Bildung mal auf eine ganz andere Art und Weise.
Sabine
von Oettingen mit ihrer Tochter auf der Ostblockparty im Sophienclub
Berlinale
Spezial
Davis Guggenheim "It might get loud"
Drei Gitarristen - alles Rock
Dieser
Titel ist ein Versprechen. Doch was ist das? Kühe auf
einer Weide. Jack Stripes (White Stripes) fädelt Milchflasche
und Holzklotz zusammen, schlägt ein paar Nägel ins
Holz. Das Verbindungsstück sieht aus wie Angelsehne.
Dann lässt Stripes die Saite schwingen und kommentiert:
"Wer sagt, dass man eine Gitarre kaufen muss?" Er
ist der Jüngste der drei Weltklasse-Gitarristen, die
am 23. Januar 2008 aufeinandertreffen, um auf Anregung von
Davis Guggenheim über Gitarren zu diskutieren. The Edge
(U2) und Jimmy Page (Led Zeppelin) machen das Künstlertrio
perfekt.
Über
Gitarren zu reden, hört sich erst mal nicht sehr interessant
an, aber Guggenheim weiß, wofür er die Musiker
haben will. Drei Männer aus drei Generationen, zu jeder
Zeit hatte die Gitarre einen anderen Stand. Als Jack Stripes
zur Gitarre kam, war sie verpönt. Total uncool. Seine
Klassenkameraden hörten House und Rap. Rock fiel aus.
Er wollte auch anfangs gar nicht Gitarre spielen. Zwei Schlagzeug-Sets
schaffte er sich an, da hatte er nicht einmal mehr Platz für
ein Bett in seinem Zimmer. Die Musik war ihm wichtiger.
The
Edge weist auf seine Gitarre und sagt: "Das ist meine
Stimme." Manchmal schleppt der Dubliner sein ganzes Equipment
mit zum Strand, weil das Echo dort so toll ist. Zu seiner
Anfangszeit war die Gitarre absolut Kult, in den 80ern wurde
überall Gitarre gehört und gespielt. Seine erste
baute er selbst. Auch Jack Stripes war in punkto Gitarre erfinderisch.
Er ließ sich in eine seiner Gitarren einen Mikro-Halter
einbauen, so dass er während des Auftritts jederzeit
danach greifen konnte.
"Der
Tag, an dem ich nicht mehr Gitarre spielen kann, liegt hoffentlich
weit, weit weg von hier", meint Jimmy Page irgendwann
nachdenklich. Sorgen muss er sich allerdings bisher nicht
machen. Wenn er zu seinen Lieblingsliedern mitwippt oder in
die Saiten greift, wird er wieder jung. Der Rock`n´
Roll aus seiner Schulzeit hat ihn nie losgelassen.
Alle
Drei sind Rocker und Poeten zugleich. Sie können ganz
in ihr Spiel und ins Dichten versinken, man merkt die Kamera
gar nicht. Dabei ist die Dokumentation nicht nur auf den Diskussionstag
reduziert. Guggenheim zeigt Fotos, Konzertausschnitte, Proben
und kombiniert sie gekonnt mit dem 23. Januar und einer spontanen
Jam-Session. Bei dieser Diskussion ist man gern dabei.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Maren Ade "Alle anderen"
Die
Liebe ist ein seltsames Spiel
Die
Hauptfiguren sind von Anfang an unsympathisch. Gitti redet
zu viel, Chris ist das ganze Gegenteil, schaut höchstens
bedröppelt drein. Dabei sind die Zwei auf Sardinien und
machen Urlaub. Von Liebesurlaub kann allerdings keine Rede
sein. Dafür verstricken sie sich zu oft in Diskussionen,
die zu nichts führen. Außerdem wartet Chris, ausgebildeter
Architekt, auf die Entscheidung eines Wettbewerb, an dem er
teilnahm. Als er telefonisch von der Ablehnung erfährt,
verschweigt er Gitti das Ergebnis und verschanzt sich lieber
hinter Lethargie, Muffeligkeit und Andeutungen von Potenzproblemen.
Gitti dahingegen hält an ihrer Liebe fest, erträgt
alle Launen ihres Partners und flüstert immer wieder
"ich liebe dich", ohne je eine andere Antwort zu
bekommen als Liebkosungen. Die Situation eskaliert mit dem
Auftauchen von Hans und Sana. Die Beiden haben alles viel
mehr im Griff, sie sind beruflich erfolgreicher, und Sana
ist schwanger. Eigentlich wollte Chris das Paar unter keinen
Umständen treffen und macht sich im Supermarkt noch lächerlich,
wo er ihretwegen auf Tauchstation geht. Nach der unvermeidlichen
Begegnung des Bekannten folgen Gitti und Chris einer Einladung
zum Grillen. Wie nebenbei erwähnt Chris gegenüber
Hans seine Absage beim Wettbewerb und bringt Gitti zum Ausrasten.
Doch zuerst schweigt sie, erklärt überzeugt, was
für tolle Arbeiten Chris mache und lobt ihren Freund
über die Maßen. Dem ist das zu viel, er will nicht
verteidigt werden. Er kann ja für sich selber reden und
fährt sie an: "Du bist so peinlich." Zurück
im elterlichen Haus, das Chris irgendwann einmal umbauen will,
ist es vorbei mit der vorgespielten Idylle. Gitti ist enttäuscht
und stellt Chris zur Rede, ohne Halt zu gewinnen. Statt dessen
zeigt er ihr ihre Grenzen auf. Aus Angst, Chris zu verlieren,
schlägt sie ihm vor, das Paar zum Abendessen einzuladen,
um alles wieder gutzumachen, aber sie kann sich nicht den
ganzen Abend verstellen und die Zurückgenommene spielen.
Wieder allein, wirkt Gitti auf Chris reizvoll, und er lässt
sich beim Sex zu einem "Ich-liebe-dich" hinreißen.
Gitti behauptet "ich liebe dich nicht mehr" und
bricht ohnmächtig zusammen. Gespielt? Jedenfalls bringt
Chris sie Minuten später mit Prusten zum Lachen.
Komisch.
Liegt es an den Charakteren oder den banalen Dialogen, der
Film greift nicht. Er hat witzige Passagen, er macht wütend,
man will rufen: Nun trennt euch doch endlich! Man will das
Elend dieser Beziehung gar nicht sehen. Trennung ist selbst
mit offenem Ende die einzige Konsequenz, die bleibt. Aber
letztendlich ist einem das auch schon egal. Solche Beziehungsdilemma
hat man anderswo tausend Mal besser inszeniert gesehen.
Wettbewerb
Oren Moverman "The Messenger"
Der
Krieg ist noch nicht vorbei
Will
Montgomery (Ben Foster) hat den Irak-Krieg hinter sich. Eine
Augenverletzung und ein paar Orden nimmt er mit nach Hause.
Doch der Krieg ist für den amerikanischen Soldaten noch
nicht vorbei. Er soll jetzt einer ebenso ehrenvollen Aufgabe
nachgehen und Todesbote werden. "Niemals umarmen",
"an den Text halten", "nur mit den nächsten
Angehörigen sprechen", das sind nur drei von vielen
Regeln, die es zu beachten gibt. Die Wichtigste ist aber:
Sie müssen schneller sein als jeder Nachrichtendienst,
CNN oder E-Mail von einem Kameraden. Woody Harrelson alias
Captain Stone zeigt Will, wie man das macht - Todesbotschaften
überbringen. Eine unangenehme Aufgabe. Manchmal kommen
die Uniformierten nicht einmal bis zum Einleitungstext, da
bricht die Ehefrau schon zusammen, weint und schreit. Ein
Mann, der seinen Sohn verloren hat, spuckt Will beim ersten
Einsatz ins Gesicht. Eine Frau, deren Mann gefallen ist, scheint
ganz gefasst und drückt ein ums andere Mal die Hände
der beiden Männer. Da beginnt der Konflikt. Will kann
keine Distanz zu der Witwe wahren und sucht sie nach dem ersten
Kontakt immer wieder auf. Ohne dass bei dem Wiedersehen etwas
zwischen ihnen laufen würde. Und dann stehen sie in der
Küche, Will küsst sie auf die Stirn, und sie sagt:
"Ich kann nicht." Das ist der Anfang von etwas,
der Anfangen für zwei Menschen, die in der Welt verloren
sind und sich nach Liebe sehnen.
Der
Fokus des Films liegt jedoch auf den beiden Männern,
die auf den ersten Blick steif und verbittert wirken. Für
jeden zynischen Kommentar sind sie gut sind und lassen dabei
verletzte Seelen erahnen. Auf sie wartet keiner, wenn sie
nach Hause kommen. Statt dessen bekommt Will eine Einladung
zur Verlobung seiner Ex-Freundin. Aus den spröden Todesengeln
werden Freunde, die einander anvertrauen, was sie in ihren
schlimmsten Träumen verfolgt. Woody Harrelson spielt
alle Facetten seines Charakters aus, da gibt es nichts, was
nicht durch ihn verkörpert wird und verrät, dass
sich hinter Tonys Schutzschicht ein gebrochener Mann verbirgt.
Ein klasse Film.
The
Messenger: Woody Harrelson und Ben Foster
Auch
hinter der Leinwand sind Ben Foster und Woody Harrelson zu
Freunden geworden, lassen sie auf der Pressekonferenz wissen.
Harrelson erklärt: "Er ist wie ein Bruder für
mich." Foster witzelt: "Hat er nicht einen hübschen
Arsch?"
Woody
Harrelson schrieb nach der PK fleißig Autogramme.
Wettbewerb
Rebecca Miller "Pippa Lee"
Die
Ehe ist ein Akt des Willens
Der
Einstieg in das Drama, das eigentlich eine Komödie wird,
ist ein ganz harmonischer. Pippa Lee (Robin Wright Penn) tischt
in kleiner Runde ihren berühmten Lammbraten auf und gibt
die elegante Verlegersgattin. Gerade ist das Paar in eine
Seniorenresidenz gezogen. Pippas Mann ist 30 Jahre älter
als sie. Wie sie ihn kennen lernte, wird in Rückblenden
erzählt, aber erst viel später, denn sie beginnen
mit Pippas Geburt. "Ich habe einen Afffen gekriegt",
schreit ihre Mutter verzweifelt. Pippa ist also von jeher
etwas Besonderes, verliert allerdings bald ihr Fell, das vielleicht
symbolisch ein Schutzschild gegen ihre drogenabhängige
Mutter war. Über all das denkt Pippa nach, als sie feststellt,
dass sie nicht nur schlafwandelt, sondern dabei auch mit Joghurt
und Kirschkuchen ein Schlachtfeld in der Küche hinterlässt.
Kurz nach diesem Erlebnis taucht der Sohn ihrer Nachbarin
auf. Schon die erste Begegnung sagt alles. Chris (Keanu Reeves)
steht mit nacktem Oberkörper vor ihr und entblößt
dabei ein riesiges Jesus-Tattoo. Es ist jedoch nicht Pippa,
die Ehebruch begeht. Ihr Mann fängt mit ihrer Freundin
Sandra (herrlich: Winona Ryder) etwas an. Trotz Ehedrama gibt
es hier allerlei komische Momente, die den Film sicher nicht
großartig, aber sicher unterhaltsam machen.
"The
Private Lives of Pippa Lee": Keanu Reeves, Robin Wright
Penn und Rebecca Miller
Die
Pressekonferenz
Rebecca
Miller hat ihren eigenen Roman verfilmt. "Beim Drehbuchschreiben
habe ich es einfach fließen lassen", erzählt
die Regisseurin, "ich habe mir alle Freiheiten erlaubt."
Eine davon war, Pippa die Worte "die Ehe ist ein Akt
des Willens" in den Mund zu legen. Ob sie selber daran
glaubt? "Nun, an diesen Punkt kommt wohl jeder einmal
in der Ehe. Entweder man hat den Willen, oder man lässt
sich scheiden", antwortet Miller. Für die großen
Lacher während des Frage-Antwort-Spiels ist eindeutig
Keanu Reeves zuständig. "Wie viel von Chris in mir
ist? - Ich bin Chris, und Chris bin ich", erwidert er
schelmisch. Die peinliche wie unnötige Frage, was das
Geheimnis von gutem schauspielerischem Können sei, rettet
Reeves, indem er blitzschnell "Zucker" ruft. Robin
Wright Penn erklärt Tee zu ihrem Geheimnis. Und Rebecca
Miller fügt noch hinzu: "Natürlich braucht
man auch Talent und muss gut zuhören können."
"Pippa
Lee": die ganze Crew
Berlinale
Spezial
Hermine Huntgeburth "Effi Briest"
Effi - wo bist du?
"Mit
20 stehst du da, wo andere noch mit 40 nicht sind. Ich weiß
doch, dass du ein kluges Mädchen bist", sagt Effis
Mutter (Juliane Köhler) zu ihrer Tochter (Julia Jentsch),
nachdem Innstetten (Sebastian Koch) um deren Hand angehalten
hat. Sicher war Fontanes Effi ein kluges Mädchen, und
sicher ist anzuzweifeln, dass diese "Effi Briest"-Verfilmung
klug, genauer gesagt nötig war. Allein schon die Musik
ist so schwer und pathetisch, dass man meint, ein Roman von
Hedwig Courth Mahler sei auf Zelluloid gebannt worden. Es
ist alles viel zu deutlich und erdrückend: Das Innenleben
von Innstettens Haus erinnert an einen reich verzierten Keller,
so finster ist es, und die Geschichte um den Chinesen weicht
geradezu ins Gruselgenre ab. Wobei die spitzzüngigen
Geplänkel unter den Damen beim Tee durchaus ihren Unterhaltungswert
haben. Darüber hinaus schwankt die Sprache der Darsteller
zwischen Alltagston und gehobenen Ausdrücken allzu wahllos
hin und her.
Huntgeburths
Effi ist ein Plädoyer für die Freiheit, die sich
eine heutige Effi nicht nur erträumt, sondern einfach
nimmt. Und damit ist nicht gemeint, dass sie mit Crampas schläft,
den sie nach dem ersten Mal fragt: "Ist das jetzt Liebe?"
(Er antwortet: "Nein, das ist Freiheit.") Nein.
Am Ende wandelt Effi völlig losgelöst von belastenden
Gedanken und einem Gewissen sich selbst und der Familie gegenüber
Unter den Linden in Berlin, Huntgeburths Effi, die den Schmerz,
ihr Kind verloren zu haben, mal so eben wegsteckt. Eine Bibliothekarin
ist sie geworden, eine unabhängige Frau. Hermine Huntgeburth
hat sich alle Freiheiten herausgenommen, sie hat Fontanes
Effi geradezu verstümmelt, einen Klassiker mit Banalitäten
zugestopft. Es gibt Momente, die zarte Verzweiflung spüren
lassen, die schön sind, wie zum Beispiel, als ihr ihre
Kammerfrau nach dem ersten heimlichen Zusammenkommen mit Crampas
die Haare machen will und ihr jede Berührung unerträglich
ist. Und bedauerlicherweise gibt es zu viele Momente, die
lächerlich sind, wo Unausgewogenheit von der Leinwand
tropft und poetische Dichtung ebenso unfreiwillig komisch
wird wie coole Sprüche unerträglich werden. Bei
dem Versuch, eine moderne Effi zu schaffen, hätte sich
die Regisseurin zwischen einer Persiflage und einer stärkeren
Annäherung an das Original entscheiden müssen. Das
hat sie nicht getan. Nur um Julia Jentsch nackt zu sehen,
hätte es dieser Verfilmung nicht bedurft. Da gab es Vorreiterinnen,
die eine viel bessere und interessantere Effi angezogen verkörpert
haben.
Nach
diesem Film gibt es nur eine Konsequenz: "Effi Briest"
muss man lesen, nicht verfilmen.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Adrián Biniez "Gigante"
Alles eine
Frage des Betrachters
Es
ist einer dieser leisen Filme, der nicht durch gewaltige Dialoge
auffällt, sondern von seiner Körpersprache lebt.
Wir beobachten Jara, und Jara beobachtet die Putzfrau Julia,
denn irgendwas hat sie, das für ihn während seines
Wachdienstes im Supermarkt interessanter ist, als Kreuzworträtsel
zu lösen. Bis zu dem Tag, an dem er auf sie aufmerksam
wird, war das die Lieblingsbeschäftigung des bärigen
Typen im Motorhead-T-Shirt. Des Nachts verdient er sich noch
Geld als Ordner in einer Disko dazu, aber alles in allem ist
Jaras Leben überhaupt nicht aufregend. Ansprechen kommt
für ihn trotzdem nicht in Frage. Viel lieber folgt er
Julia überallhin und wird ihr Schutzengel. Ganz unaufdringlich,
ganz sympathisch, ganz unauffällig. Obwohl er bei seiner
Statur kaum übersehen werden kann. Und als Julia Jara
plötzlich auf einem Monitor entdeckt, fühlen wir
uns ebenfalls ertappt. Ein lakonischer Film mit viel Komik,
der nichts zerredet und genau im richtigen Moment aufhört.
Nämlich, wenn Jara und Julia das erste Mal ein Gespräch
anfangen.
Wettbewerb
Lukas Moodyson "Mammoth"
Auf die Kinder, fertig, los!
Ein
Film mit Gael Garcia Bernal und Michelle Williams kann eigentlich
nicht schlecht sein. Oh, doch. Er kann. Jedenfalls wird er
nicht gut. Alles wird am Ende nicht gut, wenngleich es wie
zum Trotz danach aussieht.
Leo
und Ellen haben alles. Geld, einen tollen Job, ihre achtjährige
Tochter Jackie. Und sie lieben sich. Jedoch als Leo auf Geschäftsreise
nach Thailand geht, gerät das Familienglück ins
Wanken. Ellen ist mit ihrer Arbeit als Ärztin überfordert,
sie kann den todkranken Anthony nicht retten und kommt vor
lauter Verzweiflung nicht zur Ruhe. Statt dessen ist sie eifersüchtig
auf das philippinische Kindermädchen, mit dem Jackie
viel lieber zusammen ist. Leo lernt in Thailand währenddessen
Cookie kennen. Damit nicht genug der dramatischen Verwicklungen.
Die Kinderfrau hat ihre beiden Jungen bei ihrer Mutter gelassen,
um in New York Geld für sie zu verdienen. Als ihr ältester
Sohn missbraucht und fast zu Tode geprügelt wird, bricht
sie schließlich alle Zelte ab. Zeitgleich verlässt
Leo Cookie, die ebenfalls für ihr Kind das Geld heranschafft,
wie sich herausstellt. Nach Leos Rückkehr behalten alle
ihr kleines Geheimnis für sich, und alles sieht nach
perfektem Familienglück aus. - Das ist eine Frechheit.
Probleme aufwerfen und nichts reflektieren, die Figuren und
den Zuschauer ins Leere laufen lassen - so ein Film hat sich
die Buh-Rufe im Berlinale-Palast ganz sicher verdient.
Die
Pressekonferenz
Irgendwie
muss sich die allgemeine Kritik an dem Film bis zu den Schauspielern
herumgesprochen haben. Zögernd betreten sie den Raum.
Nur die drei mitgebrachten Kinder verbreiten sogleich eine
heitere Stimmung, die negative Energie abhält. Sophie
Nyweide (Jackie) erklärt, das sei bereits ihr fünfter
Film und fügt hinzu: "Es war ein tolle Crew und
eine großartige Arbeit."Martin Delos Santal gesteht,
den Film noch nicht gesehen zu haben und sagt artig, er hoffe,
dass ihn viele sehen werden und gut finden. So versöhnen
sich zumindest die Schauspieler mit den Journalisten. Mehr
ist nicht zu retten.
Wettbewerb
Sally Potter "Rage" (Wut)
Schocktherapie
mit Farbenspiel
Am
Anfang denkt jeder, das ist erst der Anfang, das wird nicht
so bleiben. Doch Sally Potter zieht ihr Ding durch. Ihre Geschichte
aus der Modewelt soll kein üblicher Film werden. Also
bedenkt sie jeden Schauspieler mit einem Bluescreen und klatscht
jedem eine andere Farbe in den Hintergrund. Am liebsten grelle
Töne. Jeder Schauspieler spielt seine Figur durch, seine
Sicht auf das Geschehen. Und Michelangelo hört sie sich
an. Michelangelo ist Sally Potter. Was als Kurzfilm Bewunderung
eingebracht hätte, ist in Spielfilmlänge eine Zumutung.
Auch Judy Dench und Jude Law (als Model Minx) können
daran nichts ändern. Der Film ermüdet und ist schmerzvoll
für die Augen. Während zu Beginn jeder Beteiligte
der Modewelt durch seine Erzählung den Charakter offenbart,
den er verkörpern soll, geht nach den Morden an zwei
Models alles durcheinander. Unterstützt wird das Ganze
durch Hintergrundgeräusche. Schüsse fallen, Geschrei
brandet auf. Nach 99 Minuten tun ganz schön die Augen
weh.
Die
Pressekonferenz
Wenn
Sally Potter nicht schon solche großartigen Film wie
"Yes" gemacht hätte, wäre an dieser Stelle
angebracht zu fragen, ob wir hier auf einem Experimentalfilmfestival
gelandet sind. Egal. Sally Potter ist beliebt, ergo gibt es
nur sehr versöhnliche Fragen. So plaudert sie auch ganz
offen aus, dass sie nie bei Drehstart das Geld für den
Film habe. Bei "Rage" bekommen alle Schauspieler
gar dieselbe Gage. "Der Regisseur bekommt sein Geld später",
ergänzt Potter mit gesenktem Blick. Zwei Drehtage standen
für jeden Schauspieler an, dann fügte sie die Teile
zusammen. Einen Preis ist diese Arbeit trotz der guten Vorsätze
nicht wert.
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|
Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Hans-Christian Schmid "Sturm"
Viel
Wind im Gericht
Seinen
neuesten Film "Sturm" zu nennen, das ist schon ein
Wagnis. Ein Sturm bricht also los. Nur wo? Das Politdrama
entspinnt sich im Gerichtssaal. Hannah Maynard (Kerry Fox)
sitzt als Anklägerin seit Jahren an einem Fall, der den
Oberbefehlshaber der jugoslawischen Armee Goran Duric zur
Strecke bringen soll. Als ihr Hauptzeuge sich erhängt,
ist dessen Schwester die einzige, die den Verbrecher zur Rechenschaft
ziehen kann, doch nicht nur das hohe Gericht, sondern auch
Verfechter des Anführers wollen verhindern, dass sie
über die Vergewaltigungen und Morde zahlloser Frauen
in Vilina Kosa aussagt. Kerry Fox verkörpert das unbestechliche
Gesetz vor Gericht in Den Haag, während sich alle anderen
schmieren und unterwerfen lassen. Mira (Anamaria Marinca)
sagt aus, aber das Rad dreht sich weiter. Vielleicht war es
nur ein Lüftchen, das Hannah Maynard ausgelöst hat.
Es ist wie schon bei "The International" ein Kampf
gegen Windmühlen, den die Guten zu kämpfen haben.
Die Frage, wie integer ein Gericht sein kann, hängt wie
dichter Nebel im Raum. Respekt dem Regisseur Hans-Christian
Schmid, dass er das Thema zum Film gemacht hat, Begeisterungsstürme
hat er damit trotzdem nicht geerntet.
PK Der
Sturm
Kerry Fox und Hans-Christian Schmid
Wettbewerb
Bertrand Tavernier "In the Electric Mist"
David
gegen Goliath
Überall
Korruption. Auch James Lee Burkes Roman, dem der Film als
Grundlage diente, kommt an dem Thema nicht vorbei. Mit Tommy
Lee Jones als Gesetzeshüter Dave Robicheaux und John
Goodman als Balboni konnte Tavernier schon mal nichts falsch
machen. Dave Robicheaux hilft, wo er kann, und schlägt
zu, wenn er muss. Er ist der Gute in diesem Spiel und unbestechlich.
Babyfeet Balboni schlägt auch zu, und zwar, wann es ihm
passt. Er hat Geld, und er hat seine Leute, die garantieren,
dass er für keine seiner Machenschaften oder Verbrechen
aufkommen muss. Die Geschichte beginnt, als Robicheaux auf
zwei Mordfälle stößt, die ihm schlaflose Nächte
bereiten. Der eine betrifft den Schwarzen Dewitt Prejean,
der 1965 erschossen wurde. In Ketten. Bei dem anderen geht
es um eine 19-jährige Prostituierte, Cherry LeBlanc,
mit dem er seinen einstigen Baseballfreund Balboni in Verbindung
bringt. Die merkwürdige Freundschaft, die sich zwischen
dem Filmstar Elrod T. Sykes und Robicheaux während der
Aufklärung der Mordfälle entwickelt, macht Platz
für philosophische Gedanken und manchen Lacher. Und dann
ist da noch der General, mit dem Robicheaux Gespräche
führt. Ob der General notwendig war, sei dahingestellt.
In die Stimmung, die der Kameramann aufbaut, und zu dem Nebel
in Louisiana passt er. Spannend bleibt er bis zum Schluss.
Wenn nur nicht das langgezogene Ende wäre... Das hätte
der Film nicht gebraucht.
In
the Electric Mist
Pressekonferenz
Kein Talent?
So
böse sich John Goodman auf der Leinwand gegeben hatte,
so zahm bestritt der Schauspieler die Pressekonferenz. "Ich
hatte eine wundervolle Zeit, drei Stunden von meinem Zuhause
weg in einer wundervollen Landschaft", schwärmte
Goodman, "ich wünschte, ich könnte mehr machen,
aber ich glaube, ich komme ins Gefängnis." Natürlich
war das eine Anspielung auf den Film, in dem er am Ende sein
Fett wegbekommt. Tommy Lee Jones war nicht in Berlin aufgetaucht,
darum erzählte der Regisseur des Wettbewerbbeitrags ein
bisschen mehr.
Zuerst
lobte er die beiden Akteure: "Die Zwei zusammen sind
eine wandelde Katastrophe. Wenn sie aufeinander treffen, geht
sie los." Nicht nur, dass die Darsteller genau die Energie
erzeugten, der Tavernier haben wollte, sie ergänzten
sich auch noch neben der Arbeit wegen der Arbeit. "Tommy
hat einige Szenen dazugeschrieben. Wenn Balbony seinen Bodyguard
mit einer Hand gegen den Wohnwagen stößt zum Beispiel.
Da sagt Balbony: Was meinst mit `kein Talent´? - Das
ist von Tommy", erzählt der Regisseur. "Wir
waren alle so gut vorbereitet, bevor wir ans Set kamen, dass
wir höchstens drei Takes pro Szene gemacht haben."
"Tommy wusste meinen Text besser als ich", plauderte
Goodman zu guter Letzt noch aus. Dann ergänzte er, wie
gastfreundlich Berlin sei und dass es ihn an New York der
70er Jahre erinnerte und machte sich auf den Weg zu seinen
Fans, die beharrlich vor der Tür warteten.
Berlinale
Spezial
Florian Gallenberger "John Rabe"
Allein,
dass Gallenberger eine Lücke in unserem Geschichtswissen
schließt, ist schon des Lobes wert. John Rabe ist in
Vergessenheit geraten. Im Unterricht kommt bisher niemand
auf Nanking im Jahre 1937 zu sprechen. Das Material , das
die Morde an etwa 300000 Chinesen dokumentiert, ist weitestgehend
zerstört. Allerdings schrieb John Rabe Tagebuch, und
sein Enkel gab die Zusage für die Verfilmung des Stoffes.
Die letzten zwei Wochen im Dezember 1937 wurden für John
Rabe zum Alptraum. 27 Jahre hatte er dort mit seiner Frau
Dora glücklich gelebt. Siemens hatte ihn damit beauftragt,
einen Staudamm zu bauen. Er soll in die Geschichte eingehen,
aber es kommt anders. John Rabe geht in die Geschichte ein.
Der
Film beginnt, als ein gewisser Werner Fliess, Nazi durch und
durch, Rabe abberuft. Es gibt keinen Staudamm mehr fertigzustellen.
Das Hauptquartier der Japaner befindet sich 70 Kilometer entfernt
von Nanking. Shanghai ist bereits in Beschlag genommen. Fliess
soll das Siemens-Gelände übernehmen. "Dazu
sind sie in die Partei eingetreten? Um Zimtschnecken zu essen
unter dem Porträt des englischen Königs?" flucht
er, als er sieht, wie die Mitarbeiter der Firma mit der politischen
Situation umgehen. Die Hitlerfahne liegt noch eingepackt da.
Als die ersten japanischen Flieger während Rabes Abschiedsfest
das Gelände angreifen, ist sie es und John Rabes Geistesgegenwart,
die Leben retten. Blitzschnell lässt Rabe die Fahne über
den Köpfen ausbreiten, unter ihr kauern zitternd die
Chinesen. Was tun? Einstimmig wird Rabe zum Leiter der Sicherheitszone
gewählt. Und das kurz vor seiner geplanten Abreise. Er
lässt Dora allein an Bord gehen und muss mit ansehen,
wie das Schiff bombardiert wird. Täglich kommen mehr
Menschen ins Lager. Es werden 200000. Der amerikanische Arzt
Robert Wilson (Steve Buscemi), die französische Lehrerin
Valerie Dupres (Anne Cosigny) und Dr. Rosen (Daniel Brühl)
stehen Rabe zur Seite, auch wenn sie nicht immer einer Meinung
sind. Nach zwei Wochen Hölle in der Sicherheitszone und
einer Reihe beispielloser Massenmorde ist der Spuk vorbei.
Und
Rabe rettet nicht nur 200000 Menschen das Leben, sondern sieht
seine Frau Dora wieder, die das Unglück in Shanghai überlebte.
Trotz Dokumentationssplitter ist der Film kaum sperrig und
erzählt packend, nicht reißerisch, was sich abgespielt
hat und abgespielt haben könnte. Ulrich Tukur lässt
John Rabes patriarchische Art ebenso aufblitzen wie seinen
trockenen Humor und nicht zuletzt sein Helfersyndrom, das
ihn zu Nankings Volkshelden macht. Dagmar Manzel gibt eine
Dora Rabe, die absolut überzeugend ist. Auch wenn das
Thema schwer verdaulich ist, sollte der Film ein Muss für
jeden Kinogänger sein.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Stephen Daldry "Der Vorleser"
Erst lesen, dann lieben
Hut
ab! Regisseur Stephen Daldry (The Hours) ist etwas gelungen,
an dem viele seiner Kollegen scheitern. Er hat Literatur verfilmt
und das so gut, dass sein Film der Romanvorlage nicht unterliegt,
mehr noch, er dem Roman eine eigene Note verleiht und dieser
dennoch beinahe werkgetreu in Szene gesetzt ist. Doch was
wäre der Film ohne Kate Winslet als Hanna Schmitz und
David Kross als Michael Berg? Nichts. Man hätte ihn lassen
können. Nein, müssen!
Die
Geschichte beginnt anders als im Buch, mit Michael Berg (Ralf
Fiennes) im Jahre 1995. Er ist Anwalt, seine Tochter, die
im Roman eher am Rande erwähnt wird, zeichnet einen in
der Ehe gescheiterten Mann, der sich niemandem gegenüber
öffnet. Aber Michael war nicht immer so verschlossen.
In Rückblenden nimmt Daldry den Zuschauer auf eine Reise
mit, die eine andere Zeit, einen anderen Michael verhieß.
Es war die Zeit der Liebe. Wir schreiben das Jahr 1958. Michael
ist 15 Jahre alt und wohnt mit seiner Familie in Neustadt
ein unspektakuläres Leben, bis er sich eines Tages wegen
Scharlach im Durchgang eines Hauses übergibt. Das Haus,
in dem Hanna lebt, die gerade von der Arbeit kommt. In ihrer
praktischen Art macht sie ihn sauber und bringt ihn bis vor
seine Tür. Als sich Michael Monate später mit Blumen
bedankt, bügelt Hanna ihre BHs, streift sich lange Nylonstrümpfe
über . So fängt es an. Es geschieht das Wunderbare,
Michael verliebt sich in sie, eine Frau, die mehr als doppelt
so alt ist wie er, von der er nicht weiß, dass sie früher
Aufseherin im Konzentrationslager war und die in seinen Armen
ihre schroffe Art ablegen wird.
Von
vornherein ist klar, sie können einander nicht entrinnen.
Der Weg von der Schule nach Hause endet mit Lektionen in Sachen
Liebe. Ganz selbstverständlich, aber immer aufregend
und mit Baden davor. Schließlich bestimmt Hanna eine
neue Reihenfolge - erst lesen, dann lieben. Michael wird ihr
Vorleser, von Lessing bis Mark Twain, regelmäßig
präsentiert er ihr ein neues Buch. Doch auf einmal verschwindet
Hanna. Erst acht Jahre später sieht Michael seine große
Liebe wieder - im Gerichtssaal. Hanna muss für ihre Taten
als Aufseherin während der NS-Zeit Verantwortung übernehmen,
denn sie war dabei, als 300 Frauen in einer Kirche verbrannten,
weil die Türen nicht geöffnet wurden. Michael ist
Jurastudent und sieht sich mit einem Fall konfrontiert, der
einen Schockzustand in ihm auslöst. Wen hatte er da geliebt?
Liegt die Schuld ganz klar bei Hanna? Hanna, die durch eine
hinreißende Kate Winslet so menschlich und sympathisch
geworden ist, die Kriegsverbrecher in ein anderes Licht rückt,
ohne zu heroisieren. "Ich war für sie verantwortlich.
Es ist egal, was ich denke. Die Toten sind tot", sagt
sie vor Gericht aus. Sie wird nicht nur beschuldigt, den Tod
von 300 Frauen auf dem Gewissen, sondern auch die Schwachen
begünstigt zu haben, bevor sie getötet wurden. Sie
mussten ihr vorlesen. Als Hanna sogar auf sich nimmt, den
Bericht über jene Nacht des Brandes verfasst zu haben,
um der Schriftprobe auszuweichen, fällt es Michael wie
Schuppen von den Augen - Hanna kann nicht lesen. Die Schuld
ist der Scham unterlegen. Hin- und hergerissen, ob er es dem
Gericht sagen und Hanna entlasten soll, wendet er sich an
seinen Professor anstelle an seinen Vater wie im Roman. Und
behält Stillschweigen über sein Wissen.
Hanna
kommt ins Gefängnis. Irgendwann beginnt Michael, ihr
Kassetten aufzunehmen mit all den literarischen Werken, die
sie liebte, und mehr. Eigenen Texten. Sie fängt an, ihm
kleine Briefe zu schreiben, die unbeantwortet bleiben. Da
weiß er noch nicht, dass sie sich am Tag ihrer Freilassung
nach 20 Jahren in ihrer Zelle erhängen wird, während
er mit Blumen am Tor auf sie wartet. Später steht Michael
vor ihrem Grab und erzählt seiner Tochter von seiner
Beziehung zu ihr. Das ist Dichtung à la Daldry und
ein Schluss, mit dem es sich auch leben lässt.
David
Kross und Kate Winslet
Nun
kann man über die Rückblenden streiten, wie man
will. Daldry hätte die chronologische Reihenfolge einhalten
können, und es wäre vielleicht genauso ein guter
Film geworden. Das Aufblitzen des Michael Berg in den 90er
Jahren hindert den Zuschauer jedenfalls nicht daran, in das
Geschehen hineingezogen und berührt zu werden. Das liegt
zweifelsfrei an dem Spiel der Hauptdarsteller. Unglaublich,
was sie auf die Leinwand zaubern, welche Atmosphäre sie
aufzubauen vermögen. Die Luft im Kinosaal knistert. Bei
Kate Winslet und David Kross stimmt einfach alles. Sie kann
ihr Gesicht mit einer Eisschicht überziehen und im nächsten
Moment so eine Wärme ausstrahlen, als würde ein
Kamin angezündet. Und er gibt mal den heißhungrigen
Draufgänger, mal den ehrgeizigen Vorleser, und dann wieder
bricht er, aus Angst, sie zu verlieren, in Tränen aus
wie ein Kind, das mit der Situation überfordert ist.
Die Intensität und Konzentration beim Spiel beider Darsteller
ziehen das Publikum gleichermaßen in seinen Bann, wie
es der Roman vermag. Das macht die Geschichte so glaubwürdig
und faszinierend. Ein klasse Film.
Der
Vorleser - das ganze Team
Die
Pressekonferenz
Da war noch was von Liebe
Nein,
David Kross wird nicht zum hundertsten Mal gefragt, wie es
war, Sexszenen mit Kate Winslet zu drehen. Mit seinem schwarz-rot
karierten Holzfällerhemd sitzt er neben einer dezent
geschminkten Frau in Grau-Schwarz-Kombination und guckt sich
in Ruhe die Journalisten an, beißt sich auf die Lippen.
Kate Winslet muss zuerst Rede und Antwort stehen und redet
nicht über Sex. Sie erklärt: "Ich wollte das
Buch ehren. Hanna lernt über ihre Schuld. Ich hatte das
Gefühl, zeigen zu müssen, dass sie eine Figur voller
Verletzlichkeit, Wärme und Mut ist."
"Sie
haben mit einem Schauspieler gedreht, der ein bisschen jünger
ist als sie", bricht nun doch ein Journalist das Schweigen
und erntet allgemeines Gelächter. "David ist ja
schon 18 und war extrem professionell. Wir hatten viel Spaß",
erwidert die Schauspielerin ohne viel Schnörkel. Ralph
Fiennes bekommt dafür eine analytische Frage ab: "Was
denken Sie, warum Michael ihr nie schreibt?" - "Er
ist traumatisiert. Er kann sie nicht verlieren, und gleichzeitig
will er keine Intimität, braucht er die Distanz."
Bernhard Schlink, der Autor des Buches kommt nicht umhin,
ebenfalls zu dem beharrlichen Schweigen Stellung zu beziehen:
"Es ist gut, einen Schauspieler zu haben, der so gut
zeigen kann, was man gemeint hat. - Da ist auch noch was von
Liebe, aber er kann sich Hanna nicht mehr nähern."
Und wo der Autor schon mal Platz genommen hat, soll er sich
gleich noch dazu äußern, ob sich das Buch in irgendeiner
Weise auf persönliche Erfahrungen berufe. Mit Bedacht
wählt Schlink seine Worte und formuliert dann trocken:
"Jedes Buch ist auf persönliche Erfahrungen gebaut,
also auch dieses." Erstaunlich wenig Fragen gehen an
den jungen Schauspieler David Kross. Lediglich, wie er sich
mit dem Geschichtsstoff beschäftigt habe, will jemand
wissen. Dafür spricht ein anderer Journalist KateWinslet
darauf an, dass sie derzeit nur noch nackt zu sehen sei. Die
erfolgreiche Britin hat die Frage schon zu oft beantworten
müssen, als dass sie dadurch ins Wanken geraten könnte,
und sie sagt einfach: "Das ist Teil meines Jobs."
Nach
40 Minuten Pressekonferenz verlassen Darsteller und Regisseur
eilig das Gebäude, nehmen sich allerdings noch ein paar
Minuten Zeit für Autogramme, bevor sie in die Limousinen
steigen.
Nach der
PK gab Stephen Daldry den kreischenden Fans Autogramme.
Zeit zu rauchen hatte er nebenbei auch noch.
Wettbewerb
Franzois Ozon "Ricky"
Ein Engel auf Erden
Auf
der Berlinale gibt es immer wenigstens einen völlig durchgeknallten
Film. Dieses Mal kommt er von Francois Ozon, und wir haben
ihn schon hinter uns. Man könnte ihn durchaus als märchenhaftes
Sozialdrama bezeichnen. Dabei beginnt er ganz harmlos. Die
alleinstehende Mutter Katie verliebt sich auf der Arbeit in
ihren Kollegen Paco. Eigentlich ist Sex auf dem Klo bei der
ersten Begegnung nicht ihr Ding. Sie machen es trotzdem, und
weil es beiden ernst ist, zieht der Spanier zu Katie und ihrer
Tochter Lisa. Aus der Liebe erwächst ein Baby. Und was
für eins. Lisa darf den Namen auswählen und nennt
ihn Ricky. Als Paco auf Ricky aufpassen soll und Katie Blutergüsse
auf dessen Rücken feststellt, verdächtigt sie Paco,
ihn zu misshandeln. Daraufhin verlässt dieser wütend
die Wohnung. Schließlich hat er keinen Grund, sich schuldig
zu fühlen. Seine Unschuld sieht auch Katie ein, als Ricky
tags darauf Flügel aus dem Rücken wachsen. Erst
nackte, die sehr an Hähnchenschenkel erinnern. Dann bilden
sich Federn. Und wie ein junger Vogel, startet Ricky seine
ersten Flugversuche, kracht gegen die Fensterscheibe und landet
auf dem Schrank. Katie besorgt Helm und Knieschützer
und will auf jeden Fall verhindern, dass jemand davon erfährt.
Kann sie ihn im Kinderbett noch durch eine Decke zurückhalten,
fliegt er ihr im Supermarkt davon. Eine gelungene Lachnummer.
Lisa, von jeher von Flügeln angetan, umsorgt ihren Bruder
und muss sich wenig später damit abfinden, dass Paco
wieder vor der Tür steht, auf den sie ohnehin schon eifersüchtig
war. Nachdem das Geheimnis um Rickys Flugeigenschaften durch
den Ausflug im Supermarkt heraus ist, sieht sich die junge
Familie nun täglich Reportern gegenüber. Es bleibt
nur eine Lösung. Angriff ist die beste Verteidigung,
und sie führen Ricky vor - der sich frei macht und losfliegt.
Am Ende des Films ist Katie wieder schwanger. Was da wohl
rauskommt?
Nun
lässt sich das von einem Drama in eine Phantasie-Komödie
umkippende Werk als Parabel sehen für die Geschichte
aller Patchworkfamilien, die ein besonderes Kind bekommen.
Ein Kind, das besonders sein und das Glück besiegeln
soll. Doch im Leben ist es nicht so und bei Ozon erst recht
nicht. Die Familie gerät genauso an ihre Grenzen wie
jede andere Familie. Der Engel auf Erden kann die Erwartungen
der Eltern nicht erfüllen und keine Probleme lösen.
Vielleicht warnt der Film aber auch einfach nur davor, Sex
im Chemielabor zu haben, denn daraus erwachsen offenbar Babys
mit Flügeln.
Retrospektive
"Ben Hur"
No water for him!
Bevor
William Wyler sich 1958 bis 1959 des biblischen Stoffes von
Judah Ben Hur annahm, gab es schon ein paar stumme Verfilmungen.
Er hielt das Angebot für einen Witz, so erzählte
am Freitag dessen Tochter Catherine Wyler, und hatte nicht
die Absicht, für die MGM-Studios ein solches Mammutprojekt
auf die Beine zu stellen. Er tat es dennoch. Eine Restrospektive
mit 70 Millimeter-Filmen ohne "Ben Hur" wäre
für die Berlinale unvorstellbar gewesen. Ohne Catherine
Wyler hätte sich die Berlinale außerdem um einige
witzige Anekdoten gebracht. Das Überleben von MGM war
abhängig von diesem Schinken und William Wyler nicht
gerade einer der schnellsten Regisseure, verriet Wyler. Einmal
kamen die Produzenten vorbei und sahen sich zwei Wochen später
derselben Szenerie gegenüber. Kein Wunder, dass die Geldgeber
beunruhigt waren. Am Ende kassierte der Streifen elf Oscars,
und das Wagenrennen zwischen Charlton Heston und Stephen Boyd
ging in die Filmgeschichte ein. Allein 300 Settings gab es
in Rom. Alle Actionszenen wurden live gedreht, und von Spezialeffekten
wusste man damals noch nichts. Der lange Dreh ließ die
Familie nicht unberührt, und ein paar Zeilen aus dem
Film wurden fortan regelmäßig angebracht. Wenn
eines der vier Wyler-Kinder Ärger gemacht hatte, hieß
es fortan: "No water for him!" (Für ihn kein
Wasser!) Eine Anspielung auf die Szene, in der ein Aufseher
in der Wüste verbietet, Ben Hur Wasser zu geben, bis
Jesus erscheint und den Befehlsheber ehrfürchtig zurücktreten
lässt. - Und wenn eines der Wyler-Kinder die Hausaufgaben
nicht machen wollte, fiel der Spruch: "Back to your row,
41!" (Zurück zu deinem Ruder, 41!) Dass die Zuschauer
bei den genannten Szenen in Gelächter ausbrachen, dürfte
für Catherine Wyler sicher keine Überraschung gewesen
sein. "Ben Hur" im International auf Großleinwand
war in jedem Fall eine Augenweide.
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Erster Tag
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5. Februar 2009
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Von
Astrid Mathis
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Es
ist angerichtet! Festivalleiter Dieter Kosslick präsentiert
das erste Berlinale Pflaster.
Tilda
Swinton: Fragen Sie in 10 Tagen noch mal nach!
Die unglaublichen Sieben
Intelligent
soll sie sein, kritisch und vielschichtig, politisch interessiert,
lebens-, vor allem aber filmerfahren, die Jury der Berlinale.
Und tatsächlich, die diesjährige Jury bringt einiges
mit, was sich lange Zeit vermissen ließ. Auf der Pressekonferenz
am Donnerstagvormittag untermauerten die sieben Juroren ihr
vermutetes Potenzial und zeigten sich sowohl von ihrer ernsthaften,
als auch auch von ihrer witzigen Seite. Der schwedische Bestsellerautor
Henning Mankell machte gleich den Anfang: "Niemand redet
über die Ärmsten der Armen. Darum bin ICH doch hier.
Nicht, weil ich Berlin so mag, wobei das auch stimmt, aber dazu
später."
Jury-Präsidentin
Tilda Swinton, die Oscar prämierte Schauspielerin mit Wahl-Wohnsitz
in Schottland, dürfte Berlin ebenfalls sehr mögen,
kennt sie sich doch bestens in der Hauptstadt aus und noch besser
auf dem Festival. Im Forum und im Panorama war sie seit 1986
(als sie mit Derek Jarman und "Caravaggio" kam) mehrmals
vertreten, im letzten Jahr stellte sie hier ihren Film "Julia"
vor. Als Jury-Präsidentin kehrt sie nun zurück und
soll den Vertretern der schreibenden Zunft zunächst verraten,
mit welchen Erwartungen sie in das Festival geht. "Ich
habe absolut keine Erwartungen, das ist wohl der beste Start
für ein Festival. Wir sind alle sehr verschieden und werden
tolle Gespräche haben. The magnificent Seven", beschreibt
die Schauspielerin ihr Berlinale-Gefühl. "Wir haben
uns gleich gut verstanden", sagt dann auch Theater- und
Filmregisseur Christoph Schlingensief und ergänzt lin locker-sachlichem
Tonfall: "Wir haben noch keine Nacht durchgesoffen, aber
es wird sicher dazu kommen." Er freut sich, an seiner Seite
den afrikanischen Drehbuchautor und Regisseur Gaston Kaboré
zu wissen, denn schließlich schwebt ihm ein Projekt in
Afrika vor, das verwirklicht werden will, Fürsprecher und
erfahrene Filmemacher braucht. Das Tragische am afrikanischen
Kino sei leider, so verriet Kaboré, dass die afrikanischen
Filme nicht in Afrika zu sehen seien. Eine Tragik, zu der Regisseur
Wayne Wang aus Hongkong sofort eine Lösung parat hat: "Es
gibt jetzt diese Flip-Kameras, mit der jeder Filme drehen kann.
Die können zeigen, was wirklich in Afrika los ist, was
die Geschichte der Menschen ist. Jeder kann seinen eigenen Film
machen."
Ernste
Fragen, ernste Gesichter
In der Jury: Christoph Schlingensief, Tilda Swinton und Henning
Mankell
Aber noch
einmal zurück zur Rolle der Jury. Und ihren Kriterien.
- Es gibt keine, keine, die beweisen, dass ein Film gut ist,
stellt Tilda Swinton klar und ergänzt: "Wir picken
nur ein paar Rosen heraus und empfehlen sie. Ich glaube, so
einfach ist es. Wir können nur sagen, was unsere Herzen
angesprochen hat." Selbstverständlich kommt eine Jury-Präsidentin
nicht um die Frage, was sie von dem deutschen Kino halte, herum,
und prompt wird sie serviert. "Fragen Sie mich in zehn
Tagen noch mal!" ist Swintons kurze und bündige Antwort.
Obwohl die
Jury-Präsidentin um keinen Kommentar verlegen scheint,
gerät sie am Ende doch einmal gehörig ins Schweigen.
"Retrospektive - bigger than Life" - die Filmreihe
widmet sich den 70 mm-Filmen. "Bigger than Life? Was machen
wir denn dann hier", ist Swintons erster Gedanke. Auf das
Motto angesprochen, weiß Henning Mankell sogleich Stellung
zu beziehen und erklärt: "Nichts ist größer
als das Leben, aber wenn wir in einem Film Kunst, etwas Kunstvolles,
entdecken, dann ist das etwas, was uns bis zum Ende unseres
Lebens begleitet." Als Tilda Swinton ihre Sprache wiedergefunden
hat, führt sie den Gedanken über das Kino fort: "Wenn
wir einen Film sehen, sind wir manchmal erstaunt, wieviel der
Film mit uns persönlich zu tun hat, mit unserem Leben."
Aus dem
Schnee kommen und im Kino in Tiefschlaf fallen, das verbindet
das Jury-Oberhaupt allerdings auch mit dem Filmfestival in Berlin.
Hoffen wir, dass die Wettbewerbsfilme für Tiefschlaf keinen
Anlass geben.
Pressekonferenz
Jury
Christoph Schlingensief und Tilda Swinton bekamen auf der Pressekonferenz
die meisten Fragen ab.
Tom
Tykwer "The International"
Thema ist doch nicht die Bankkrise!
Nun ein
Thriller. Einer, der das Publikum noch überraschen kann,
denn es ist schon verwöhnt, und es gab in den letzten Jahren
so allerhand Erstaunliches im Kino, das erst einmal überboten
werden will. Tom Tykwer hat es nicht leicht mit seinem Thriller.
Gutes Timing oder schlechtes Timing oder sogar perfektes Timing?
Banken und Waffengeschäfte und das Ganze dazu verknüpft,
kurz: schmutziges Geld, verspieltes Geld von Banken, das wäre
vor einiger Zeit ein Kracher gewesen. Jetzt, nachdem das Thema
Finanzkrise längst auf den Tisch geknallt ist und korrupte
Bankhaie im alltäglichen Sprachgebrauch kein Tabuwort mehr
darstellen, wirkt der Eröffnungsfilm nicht mehr kryptisch,
ist das Thema nicht mehr skandalös. Dafür kann ja
Tom Tykwer nichts. Dennoch ist er um den Überraschungseffekt
gebracht. Und dass der Produzent schon vor acht Jahren mit der
Arbeit für den Film anfing und Tykwer vor sechs Jahren
in das Boot stieg, ist für die Wirkung auf den Zuschauer
unerheblich, beweist allerdings hellseherische Fähigkeiten.
Wirklich schade.
Wer
ist wessen alter ego? Clive Owen und Tom Tykwer im Vergleich
Die Suche
nach Gerechtigkeit führt Agent Louis Salinger von Interpol,
gespielt von Clive Owen, in eine Sackgasse. Angefangen mit der
Aufklärung des Mordes an seinem Kollegen bis hin zum Kooperieren
mit seinen Gegnern. Er kommt weiter, er kann sogar Unfassbares
aufdecken, doch es nutzt nichts, Feinde auf seine Seite ziehen.
Manchmal begegnen wir dem Schicksal eben dann, wenn wir versuchen,
ihm zu entrinnen. Der Film birgt eine Vielzahl solcher Weisheiten,
philosophischer Exkurse, wie sie Armin Müller-Stahl und
Clive Owen zum besten geben. Allein, es nutzt nichts. "The
International" hat zwar Spannung und einen sehenswerten
Showdown im Guggenheim-Museum, bei dem allerlei zu Bruch geht,
weshalb das Museum auch in Babelsberg nachgebaut wurde, er trägt
auch eindeutig Tykwers Handschrift, der ihn auf unverkennbare
Art besonders macht, doch sie reicht nicht, ihn zu einem Kinoereignis
werden zu lassen, das seinesgleichen sucht.
Wollen
wir abstimmen?
Clive Owen, Tom Tykwer und Armin Müller-Stahl
Ähnlichkeiten
zwischen seinem Leben und dem aktuellen Film, so was verbittet
sich Tom Tykwer. Er ist ja schließlich nicht hinter Banken
her. Dafür lenkt er nach kurzer Diskussion ein, ob er künftig
auf Englisch oder Deutsch antworten solle: "Wollen wir
abstimmen? - Ich antworte einfach in der Sprache, in der mir
die Frage gestellt wird." - "Wird schwierig bei Chinesisch",
wirft daraufhin Schauspieler Ulrich Thomsen ein, womit schon
mal klar ist, dass die Pressekonferenz den Unterhaltungswert
des Filmes bei weitem übertreffen kann.
Ein eigentümliches
Phänomen sei bei Tom Tykwer nichtsdestotrotz festzustellen,
behauptet ein Journalist. Ulrich Matthes in "Winterschläfer",
da habe es schon Parallelen gegeben.Und da ist es wieder, das
Thema mit der Ähnlichkeit. Also raus mit der Sprache, die
Suche nach dem Hauptdarsteller, ist das nicht Suche nach sich
selbst? "Man sucht immer eine Projektionsfläche für
einen selbst", erklärt Tykwer nun geradeheraus, "allerdings
weiß ich nicht, wer sich wem mehr annähert in einer
Produktion. In Partnerschaften ist es ja schon so. Die Leute
in meinem Bekanntenkreis sehen sich manchmal so ähnlich,
da weiß man nicht mehr, wer Männlein und wer Weiblein..."
Tykwer winkt ab und lacht. Das würde wohl zu weit führen
mit den Ausführungen. Deshalb geht´s als nächstes
um die Bank. Keiner stelle sich hin und behaupte, die Bank sei
"evil" (teuflisch), erklärt der Regisseur, sie
passe letztendlich auf unser Geld auf, und das habe durchaus
sein Gutes. Und Thema sei eben nicht die Bankkrise, sondern
dass das System in Frage zu stellen ist. Haben wir ab jetzt
mehr Thriller von Tom Tykwer zu erwarten, will ein Journalist
wissen. Wonach wählt ein Tom Tykwer sein nächstes
Genre aus? "Zunächst mal muss der Hauptdarsteller
wie ich aussehen", beginnt Tykwer grinsend. Nein, nein,
wichtig sei, darin zu versinken, im Stoff, eine Energie für
den Film entwickeln zu können; um es anders zu beschreiben,
er will sich in die Atmosphäre verlieben, angezogen sein
von dem Thema. Er geht jedenfalls nicht davon aus, in welcher
Stadt er einmal drehen wolle, das Setting auszuwählen.
Wobei Clive Owen dem Regisseur ungeachtet dessen dankbar ist,
den Dreh auf den Dächern Istambuls angesetzt zu haben,
da ihm Istambul sehr gefalle. Dass sich der Schauspieler derzeit
auf ums Überleben kämpfende Charaktere spezialisiert
hat, sei eher zufällig passiert. Nein, ein besserer James
Bond sei er nicht, als er danach gefragt wird. "Zumindest
habe ich bei Salinger nicht an James Bond gedacht."
Armin Müller-Stahl
wiederum weiß auch, auf welchen Typus er des öfteren
festgelegt wurde und erzählt zum Abschluss eine Anekdote.
Während der Dreharbeiten zu "Die zwölf Geschworenen"
mit Jack Lemmon hatten sie einmal über Wirklichkeit und
Film diskutiert. Lemmon soll gesagt haben: "Mein Leben
im Film ist viel schöner als mein wirkliches Leben: Ich
kann besoffen sein, meine Frau schlagen, die Möbel zerschlagen,
und niemand bestraft mich. Und du, Armin? - Das kann ich nicht
sagen. Ich bin zu viel in meinen Filmen erschossen worden."
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©
POTZDAM 2009 |
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