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Berlinale-Neuigkeiten
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Berlinale 2007
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Von
Astrid Mathis
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Zuerst
war das Wasser
Halten wir
fest: Nein, die Vöslauer-Lieferung kommt auf der diesjährigen
Berlinale nicht zu spät. Sie kommt gar nicht. Und wer es
vorher nicht zu schätzen wusste, vermisst es jetzt wahrscheinlich
um so schmerzlicher. Anfangs unterschied Vöslauer zwischen
Wasser mit und ohne Kohlensäure. Zuletzt wartete Vöslauer
mit allerlei Geschmacksvarianten auf, die da hießen: Erdbeere-Pfeffer
oder Kräuter-Melisse. Nun also nichts mehr. Nachdem man
ohnehin nicht weiß, wann man eine Pause einschiebt, um
nicht hungers zu verkommen, kann man sich jetzt außerdem
um seinen Wasserhaushalt sorgen und muss literweise oder peu
à peu Flüssiges mit sich herumschleppen. Da soll
sich noch einer wundern, warum die Taschen immer schwerer werden.
Komisch, dass dafür um so mehr österreichische Filmbeiträge
zu finden sind... Vielleicht sollte Spreequell mal eine Initiative
starten. Ich wäre dankbar.
Man stelle sich vor: Es gibt das Magazin "Screen",
und es ist am Erscheinungstag morgens um 9 schon nirgendwoher
aufzutreiben, was den Marktwert ungemein steigert. Mal davon
abgesehen, dass im Magazin "Variety" nicht einmal
halb so interessante Neuigkeiten stehen, ist es unpraktisch,
da größer. Frage an die Frau an der Information:
"Wo hat man denn eine Chance, `Screen´ zu bekommen?"
Hehe, hehe lacht sie peinlich berührt. "Ist uns auch
schon aufgefallen. Die sind jetzt immer gleich weg." Womit
mir dann auch nicht geholfen ist.
Da braucht
man Jahre, um die Partys ausfindig zu machen, für die ein
einfacher Presseausweis reicht, um reinzukommen. Und nun das:
Die Panorama-Party gibt es nicht mehr. Warum und wieso und ob
es dafür etwas anderes Schönes gibt, erfährt
man nicht. Wahrscheinlich brauche ich wieder bis zum Ende der
Berlinale, um herauszufinden, wohin ich hätte gehen können.
Tja, liebe Berlinale, das ist auch ein Weg, nie langweilig zu
werden.
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|
Von
Astrid Mathis
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Abschlussfilm
Ein Engel
in England
Angel
Warum erinnert
Angel (Romola Garai) nur so sehr an Scarlett O´Hara? Ist
es das rote Kleid, das sie trägt, als sie die Treppe hinunterschreitet?
Der Film von Francois Ozon spielt im England des beginnenden
20. Jahrhunderts und schildert das Leben der Bestsellerautorin
Angel Deverell, die aus einfachen Verhältnissen stammt
und mit Kitschromanen berühmt wird. Es ist wohl eher ihr
temperamentvolles Wesen, ihre Art, mit Menschen umzugehen, die
manchmal kalt und berechnend, mal naiv und unschuldig daherkommt,
die an Scarlett erinnert. Romola Garai gibt Angel zugleich etwas
Zartes und Leichtes, das sie trotz ihrer exzentrischen Art sympathisch
macht. Angel weiß schon als junges Mädchen, sie wird
es einmal zu etwas bringen. Ihre Mutter darf sie bei ihrer Arbeit
nicht stören und nimmt Angels Unbeherrschtheit hin, denn
Angel arbeitet an einem Buch. Es taugt nicht zu mehr, als in
die Riege von Hedwig-Courths-Mahler-Heften gesteckt zu werden,
aber ein Verleger begeistert sich für Angels Geschichte,
obwohl er möchte, dass sie ein paar Dinge umschreibt. "Und
wenn sie in meinem Roman ein Wort ändern, gehe ich wieder",
sagt sie und bekommt ihren Willen. Wenngleich Angels Arroganz
der Verlegersgattin (Charlotte Rampling) nicht in den Kram passt,
zollt sie der jungen selbstbewussten Schriftstellerin eines
Tages Respekt. Die schreibt aus ihrer Phantasie heraus, so,
wie sie sich ihre Welt vorstellt, und so lebt sie auch. Angel
erfüllt sich alle ihre Träume, kauft sich das ersehnte
Anwesen "Paradise House", einen Haufen Kleider und
leistet sich unzählige Bedienstete. Als ihre Mutter stirbt,
wird überdeutlich, dass sie mit der Realität nichts
anfangen kann. Der Kaufladen der Mutter wird bei der Beerdigung
nicht erwähnt und statt dessen ihr Pianospiel hervorgehoben,
das sie sich allerdings nur aneignete, weil sie mit Angel im
Paradieshaus leben sollte. Den Schmerz über den Verlust
der Mutter lässt Angel nicht lange zu. Sie lebt weiter
ihren Traum und heiratet sogar den Mann, den sie liebt, einen
mittellosen Maler, nachdem sie selbst den Antrag machte. Nur
sie glaubt an sein Talent. Esmé (Michael Fassbender)
beklagt ihre Realitätsflucht. Als er Paradise House im
Ersten Weltkrieg verlässt, um seine Pflicht zu tun, nimmt
Angel das persönlich. Ihr zur Seite steht Esmés
Schwester, die, wie sie später feststellt, die Einzige
ist, die sie liebt, denn Esmé nimmt sich das Leben. Seine
Schwester soll nach Angels Tod ein Buch über sie schreiben
- über das Leben, das sie lebte oder das sie träumte?
Nur einmal öffnet Angel die Tür zur Außenwelt
und besucht die Ex-Geliebte von Esmé in London. Danach
erkrankt sie, wie man von der Welt erkranken muss, wenn man
zeitlebens im Paradies lebte.

Der französische
Regisseur Francois Ozon stellte eine Cast englischer Schauspieler
zusammen und entwarf eine verlockende Scheinwelt. Nur hätte
er sich entscheiden sollen, ob es ein Film werden sollte, in
dem man sich über die realitätsferne berühmte
Frau amüsiert oder ob er ein echtes Melodram erzählt.
Der Zwiespalt irritiert. Es wäre interessant, den Roman
von Elizabeth Taylor aus dem Jahr 1957 zu lesen.

"Das
Schreiben diktiert ihre Welt", erklärt Francois Ozon
auf der anschließenden Pressekonferenz. Er wollte Angel
nicht unsympathisch erscheinen lassen, obwohl sie sich bewusst
entschied, ein oberflächliches Leben zu führen. Romola
Garai sitzt da mit ihrer zarten Alabasterhaut, ihren großen
blauen Augen und blonden Haaren, ganz ruhig und unexzentrisch
und trotzdem wie ein Engel.


Am
roten Teppich
"Ich
weiß nicht, wie die Berlinale war. Für mich war sie
schön", resümiert Hannelore Elsner am Abend der
Verleihung.

Auch
der Regisseur Wolfgang Petersen, der gerade begeistert von der
Premiere der neu geschnittenen "Troya"-Version kommt,
hat keine Ahnung: "Ich hab´ nur gehört, dass
es toll war."

Bescheiden
zeigt sich Nina Hoss: "Ob ich an einen Preis glaube? Um
ehrlich zu sein: Nein. Da stehen zwei andere vor mir. Ich würde
mir für den Film echt was wünschen."

Der
Jury-Präsident Paul Schrader hat es am roten Teppich eilig.
"Kurz und schmerzlos" soll die Entscheidung für
den Goldenen Bären gefallen sein. "Im Handumdrehen
war sie da", erzählt er. Dann ist er weg. Gael Garcia
Bernal formuliert den Weg zur Entscheidung so: "Es war
schwer, aber dann war es leicht. Verstehen Sie? Es war schwer,
dahinzukommen, aber dann war es ganz leicht."

Kurz
vor der Filmcrew des Abends erscheint Arthur Penn mit seiner
Frau: oder sollte man besser sagen: Arthur Penn kommt hereingeschwebt?

"Ich freue mich, dass wir den Abschlussfilm präsentieren.
Eine besondere Ehre", meint "Angel"-Regiseur
Francois Ozon.

Eine
Premiere, die auch den Schauspieler Sam Neill in Aufregung versetzt:
"Ich habe den Film noch nicht gesehen und bin sehr nervös.
Aber Berlin finde ich immer schön, nur ein bisschen kalt."

Sam
Neill
Außerdem auf dem roten Teppich:

Schauspielerin Martina Gedeck aus dem Film "Der gute Hirte"

Schauspieler Jamie Bell aus dem Film "Hallam Foe"

Schauspielerin Fang Bingbing aus dem Film "Lost in Beijing"

Barbara Schöneberger
Neben mir steht ein kleines Mädchen in Rosa gekleidet,
das die Frisuren und Roben der Schauspieler kommentiert. Ich
frage sie, was sie werden will außer Schauspielerin. "Filmstar",
antwortet die Kleine. Der Moderatorin der Preisverleihung Charlotte
Roche empfiehlt sie einen anderen Friseur. Sie wird es weit
bringen. Bei Angel hat das nötige Selbstbewusstsein schließlich
alle Türen geöffnet.
Der
Überraschungseffekt
Rote Rosen
für "Yella", aber der Goldene Bär für
"Tuyas Ehe"
Regisseur
Wang Quan´an und Hauptdarstellerin Yu Nan strahlten auf
dem roten Teppich schon so wie die Gewinner des Goldenen Bären,
die sie später wurden.
Das
Lächeln und den Charme von Arthur Penn wird Dieter Kosslick
so schnell nicht vergessen, verspricht der Festivalchef. Diese
Preisverleihung werden auch alle in Erinnerung behalten, denn
die Jury war nicht nur für eine Überraschung gut,
sondern gleich für mehrere. Als man sich genüsslich
im Kinosessel zurücklehnte, riss der Name Julio Chavez
alle von ihren Sitzen hoch. Der Silberne Bär für den
besten Hauptdarsteller aus dem Film "El Otro". Aufgeregtes
Gemurmel erfüllte den Saal. Gab es keinen anderen männlichen
Hauptdarsteller, der das verdient hatte? Wenn schon kein Deutscher,
dann wäre doch wenigstens Matt Damon möglich gewesen,
oder dürfen die amerikanischen Stars lediglich den roten
Teppich zieren und müssen dafür brav ohne Ehrung heimwärts
fliegen? Wie auch immer, wenn das der einzige Preis für
"El Otro" sein sollte, war es ja in Ordnung. Dennoch:
Der Preis für den innovativsten Film im Vorjahr ging an
"El Custodio", ebenfalls mit Julio Chavez. Vielleicht
gibt es eine Abmachung, von der niemand etwas weiß. Und
zwar mit Argentinien.
Beste Regie: "Beaufort". Nun gut, die Berlinale ist
ein Festival mit politischen Filmen, das muss sich in den Auszeichnungen
niederschlagen, wenn es zu Recht ist. Aber dann: Silberner Bär
als Großer Preis der Jury für "El Otro",
"um eine bestimmte Art, Filme zu machen, auszuzeichnen".
Ein einziger großer Ton des Schreckens klang durch den
Raum, in dem Journalisten Platz genommen hatten, die jetzt nur
einen Gedanken verfolgten: "Goldener Bär für
"Irina Palm", lieber Gott, mach es wahr." Fast
wollte man sich Richtung Ausgang bewegen, weil sowieso alles
klar schien. Aber nein! Bester Film: "Tuyas Ehe".
Keine Frage, ein schöner Film, doch "Irina Palm"
gar nichts zu geben, ließ manchen Journalisten daran zweifeln,
je wieder einen Film über Gebühr loben zu wollen.
Denn beinahe wirkte die Jury-Entscheidung wie ein Nasedrehen.
Was heißt "beinahe"?
Selbst die
Fotografen, die von Berufs wegen nicht zum Filmegucken kommen,
schüttelten fassungslos die Köpfe, als ihnen die Listen
der Ausgezeichneten vor der Pressekonferenz ausgehändigt
wurden. Da half nur eines, nämlich sich mit denen zu freuen,
denen man es gönnte. Der erste große Applaus ging
an "Hallam Foe" für die beste Filmmusik. Franz
Ferdinand, Jamie Bell und David Mackenzie betraten den Raum
und ernteten Beifall, als hätten sie den Großen Preis
der Jury bekommen. Es sollte niemanden wundern, dass hier vor
allem interessierte, wann die CD erscheint. Von 34 auf 17 Titel
soll gekürzt werden. Der Song "Hallam Foe" inspirierte
das Filmteam, erfuhren die Journalisten noch, da wartete bereits
Martina Gedeck darauf, sich mit ihrem Preis zu präsentieren.
Räusper, dem Preis der Cast des Films "Der gute Hirte"
natürlich. "Martina, komm mal rüber! Küss
den Bär! Küss den Bär!" brüllten die
Fotografen. Und Martina küsste den Bär trotzdem nicht,
sondern formulierte klug: "Ist das nicht die viel größere
Auszeichnung, ein Preis für die Cast statt für einen
Einzelnen?" Angeblich hatte sie schon alle aus ihrem Ensemble
angerufen, und sicher werde sich Robert de Niro freuen. Dass
die Kritiken so gut waren, musste seine Qualitäten als
Regisseur gezeigt haben, ergänzte sie und schloss fröhlich
ihren Auftritt mit der Ankündigung ab, den Bären am
nächsten Tag an Robert de Niro zu schicken. "Aber
heute Nacht gehört er mir. Ich werde ihn nicht aus den
Augen lassen."
Als Nina Hoss mit ihrem Preis und roten Rosen auftauchte, liefen
die Fotografen noch einmal zu Hochform auf. "Guck mal zu
dem kleinen hübschen Jungen hier", rief einer, der
die 50 schon weit überschritten hatte. Nina Hoss sah tatsächlich
rüber, allerdings zu dem jüngeren Fotografen neben
ihm. "Christian hat bestimmt gewusst, dass ich gewinne",
begann die Schauspielerin. Besonders freute sie sich, dass sie
den Preis bekam und nur mit kleinen Mitteln gearbeitet hatte.
Die Anerkennung schob sie der Tatsache zu, dass mehrere Schauspieler
in der Jury saßen. Warum die deutschen Schauspielerinnen
immer mit Preisen nach Hause gehen, konnte sie nicht sagen.
"Ich war mir so sicher, dass ich einen wunderschönen
Abend haben werde, einen ruhigen Abend. Und jetzt das."
Tja. Man kann eben nicht alles haben. Es hätte schlimmer
kommen können für Nina Hoss. Keine Rosen, kein Preis,
aber eine ruhige Nacht.
Später
höre ich Knut Elstermann sagen: "Bitte, Berlinale,
geh nie zu Ende." Gerade hat er den letzten Preisträger
aus dem Radio-Eins-Studio verabschiedet. Er hat viel gemeckert
in den letzten Tagen, und vielleicht wünscht er sich wie
ich noch ein paar gute Filme.
Nun habe ich sogar den Gewinnerfilm gesehen. Mehr noch: Ich
habe aus Angst, wieder den Film, der den Goldenen Bären
mit nach Hause nimmt, zu verpassen, jeden noch so schlechten
Wettbewerbsfilm erduldet. Nach so viel Lob im Vorjahr war ein
derartiger Abstieg des Niveaus nicht zu erwarten gewesen. Schade.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Wie man
mit Geld einen Teppich auslegt
Ich habe den englischen König bedient
Ein typischer
9-Uhr-Film ist das nicht. Das muss man dem tschechischen Regisseur
Jiri Menzel schon zugestehen, aber irgendwie komisch ist er
trotzdem. Und jetzt ausnahmsweise im eigentlichen Sinne. Ein
9-Uhr-Film, über den man lachen kann, der vor allem dem
ostdeutschen Publikum vorkommen muss wie ein Abstecher in die
Vergangenheit, von dem man nicht weiß, ob man ihn nun
gut finden soll oder nicht. Egal. Die Verfilmung des Schelmenromans
von Bohumil Hrabal soll auch zum Lachen sein. Der Prager Kellner
Jan Dite (Ivan Barnev) lebt den Traum vom Kellner zum Hotelbesitzer
über einen Zeitraum von 20 Jahren, Zweiter Weltkrieg inbegriffen.
Er ist immer einen Tick schneller als seine Widersacher. Charmant
übertrumpft er sie und dreht ihnen am Ende eine Nase. Als
er sich schließlich in die Nationalsozialistin Lisa (Julia
Jentsch) verliebt, hat er jedoch einen unüberwindbaren
Konkurrenten. Selbst beim Sex will die Blondine mit den dicken
Zöpfen das Gemälde des Führers im Auge behalten.
1970 entstand die Novelle, zuerst wurde sie verboten, zuletzt
schlug man sich um die Filmrechte. Genau vor 17 Jahren gewann
Jiri Menzel mit "Lerchen am Faden" den Goldenen Bären.
Seitdem landete kein tschechischer Film mehr im Wettbewerb.
Auch wenn die Chancen für einen Bären gering sind,
die Journalisten zeigten sich dankbar, einmal morgens nicht
eingeschläfert worden zu sein, und applaudierten lautstark.
Alles im Blick
Hallam Foe
Seit
seine Mutter vor zwei Jahren starb, hat Hallam (Jamie Bell)
keine Ruhe mehr. Immer wieder quält ihn die Frage, wie
sie ums Leben kam. Ob seine Stiefmutter etwas damit zu tun hatte?
Der 17-Jährige glaubt fest daran und spioniert ihr mit
dem Fernglas nach. Er hat es zu seiner Lieblingsbeschäftigung
gemacht, sich mit dem Lippenstift seiner Mutter eine Art Kriegsbemalung
aufzutragen und mit einem Dachsfell auf dem Kopf umherzuziehen,
Pärchen beim Sex zu beobachten. In seinem Baumhaus, das
ihm Versteck und einzige Zuflucht geworden ist, ziert ein riesiges
Poster seiner Mutter die Wand. Als er den Verführungskünsten
seiner verhassten Stiefmutter eines Tages nachgibt, flieht er
nach Edinburgh. Auch hier ist sein Fernglas wichtigstes Utensil
für ihn. Er fängt in einem Hotel als Tellerwäscher
an und verliebt sich in die Personal-Chefin Kate (Sophie Myles),
die seiner Mutter zum Verwechseln ähnlich sieht. Es kommt,
wie es kommen muss. Bevor sie ihre Beziehung vertiefen können,
fliegt Hallams Leidenschaft auf.
Die Geschichte könnte vorhersehbar oder langweilig sein,
wenn sie nicht David Mackenzie verfilmt hätte. Der Regisseur
geht mit der Sensibilität heran, die das Thema braucht,
um glaubhaft über die Leinwand zu flimmern. Voyeurismus
und Selbstfindung - Hallam Foe ist ihnen ausgeliefert, bewegt
sich zwischen Wahnsinn und Trauer, ist liebenswert und skurril,
erotisch und kindlich, einer, der Durchblick haben will und
sich selbst aus den Augen verliert. Jamie Bell (bekannt aus
"Billy Elliot") gibt dem heranwachsenden jungen Mann
etwas ungemein Sympathisches. Sein Spannen ist ein Spleen, den
man beinahe belächelt, bis er außer Kontrolle gerät.
Britischer Humor und Tragik der Situation liegen eng beieinander
und werden noch durch die Filmmusik verstärkt, die vor
allem durch Franz Ferdinand getragen wird und einen wunderbaren
Kontrast zu den eintönigen Melodien anderer Wettbewerbsfilme
bildet.
"Er
ist schon verrückt", meint Jamie Bell auf der Pressekonferenz
über Hallam Foe. Die Rolle verlangte ihm körperlich
einiges ab, da Hallam auf Dächer und Bäume klettert
wie ein wendiges Tier, erzählt der 20-Jährige. Als
gefragt wird, wer ein Fernglas besitzt, hebt Jamie Bell die
Hand. Als Einziger. "Oh, mein Gott, ich kann nicht glauben,
dass ich mich gemeldet habe." Aber er musste sich ja eins
besorgen! Wie sollte er sonst seinen Filmcharakter verstehen?
Jetzt muss er selber lachen. Und David Mackenzie ergänzt:
"Wir versteigern gerade Jamies Tagebücher bei E-Bay."
Jeder sei voyeuristisch veranlagt, behauptet der Hauptdarsteller.
Man denke an "Big Brother". Das guckt jeder und gilt
als normal. Er sei wirklich nicht verrückt. Dann kommt
er auf den schottischen Akzent zu sprechen, der ihm gar nicht
so leicht fiel. Seiner Filmpartnerin Sophie Myles ebenso wenig.
Es ist eine der unterhaltsamsten Pressekonferenzen der Berlinale.
Die Hauptdarsteller sind so gut drauf, dass sie sich die Zeit
nehmen, auf den eben gezeichneten Porträts eines japanischen
Journalisten Autogramme zu geben.


Tamerlans
Kreide
Wächter des Tages
Schon der
erste Teil des sowjetischen Fantasy-Streifens "Wächter
der Nacht" war rasend schnell. Jetzt sollte das Tempo noch
erhöht werden. Bastian Pastewka, Oliver Kalkofe und Robert
Stadlober haben es sich im Zoopalast zur Deutschlandpremiere
gemütlich gemacht und sich vielleicht auch schon einen
Wodka eingeschenkt, bevor es losgeht.
Moskau. Antons Sohn Yegor hat sich auf die dunkle Seite ziehen
lassen. Anton wird verdächtigt, eine Vampirin getötet
zu haben, womit der Waffenstillstand zwischen den Wächtern
des Tages und der Nacht beendet sein würde. Krieg. Es kann
nur Tamerlans Kreide helfen: Wenn man mit ihr schreibt, was
man sich sehnlichst wünscht und selbst auch das Unglück
verursacht hat, das man ungeschehen machen möchte, kann
durch den Schriftzug alles, was die Schuld zur Folge hatte,
gelöscht werden. Anton begibt sich auf die Suche.
Nur bei mehrmaligem genauen Hinschauen kann man die Details
erfassen, die der Regisseur eingebaut hat, um der Geschichte
seinen besonderen Stempel aufzudrücken. Es darf gelacht
werden. Wenn Anton seine Kollegin unter der Dusche küsst,
plötzlich Wasserfall und Blumenwiese die Bildfläche
füllen und Anton irritiert den Duschkopf wegwirft, hat
das weniger mit Kitsch zu tun, als vielmehr mit dem Humor des
Regisseurs Timur Bekmambetov. Wer den ersten Teil nicht kennt,
hat Mühe, das Tempo mitzuhalten. Bei der Premierenfeier
nebenan spielt Tempo allerdings keine Rolle mehr. Es wird bis
zum frühen Morgen gefeiert.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Ganz schön
amerikanisch
Bordertown
So
etwas hat man auf der Berlinale lange nicht gesehen. Mongolische
Steppen ist man gewohnt und Reisen in die Vergangenheit. "Amerikanische
Scheiße" wird jetzt im Saal gemurmelt. Nach so viel
europäischem Drama, auch den zahlreichen langweiligen 9-Uhr-Filmen,
wirkt "Bordertown" wie ein Film, der ein Actiondrama
sein will und in amerikanischen Kitsch abrutscht. Immerhin spielt
Jennifer Lopez mit, oder besser gesagt: Sie kommt drin vor.
Ein Schauspiel ist das wahrlich nicht. Endlich haben die Kritiker
etwas zu lachen, obwohl es nichts zu lachen gibt, weil das Ganze
viel zu peinlich und die Botschaft zu ernst ist. Denn "Bordertown"
handelt von der amerikanischen Journalistin Lauren (J Lo), die
sich an der Grenze zwischen Mexiko und den USA gegen Gewalt
gegenüber Frauen einsetzt. Mysteriöse Morde von Arbeiterinnen
geben ihr Rätsel auf. Unter Lebensgefahr recherchiert sie
die Hintergründe der Vergewaltigung der 16-jährigen
Eva, die dem Tod gerade so entkommen konnte. Unterstützung
findet Lauren bei ihrem früheren Geliebten Diaz (Antonio
Banderas). Wie sie arbeitet er für eine Zeitung und begibt
sich auf die Suche nach den Frauenmördern. Als Lauren ihre
Story hat und der Busfahrer gefasst ist, der Eva entführte,
soll der Artikel nicht gedruckt werden. Laurens Chef in Chicago
gibt dem politischen Druck nach. Diaz wird ermordet, und Lauren
übernimmt seine Zeitung in Ciudad Juarez. Ende der Geschichte.
Die Flashbacks in Laurens Kindheit haben sie nicht besser gemacht.
Mal abgesehen von etlichen Ungereimtheiten.
Szenenapplaus gab es, zwar keine gute Unterhaltung, aber Unterhaltung.
Wenn Jennifer Lopez aus einem Meer von Flammen und Aschefetzen
auftaucht, als wäre sie eben frisch geschminkt worden,
kann man sich vor Lachen einfach nicht halten. Auf der Pressekonferenz
darf sie natürlich so schön aussehen, wie sie ist.
Die weiblichen Journalistinnen konzentrieren sich deshalb auch
auf das Make-up. "Das wurde bestimmt mit der Airbrush-Technik
aufgetragen", munkeln die Frauen neidisch. Im Film sollte
J Lo Zugpferd sein, glaubwürdig war sie nicht. Ohne die
amerikanische Glasur hätte "Bordertown" ein richtig
guter Film werden können.
Doch
der Ernst der Sache lässt die Journalisten im Pressekonferenzraum
schweigen. Kein Buh, keine Pfiffe. Jeder weiß ja, wie
schlecht der Film ist, aber der Sache gegenüber will man
Respekt zeigen. Am Abend zuvor wurde die Schauspielerin schließlich
von Amnesty International für ihren Kampf gegen Gewalt
gegen Frauen geehrt. Trotzdem die erste Frage recht provokant:
"Sie machen sicher mit dem Film viel Geld. Werden Sie es
spenden?" Jennifer Lopez erzählt, wie sie vor zehn
Jahren das erste Mal auf die Situation an der Grenze aufmerksam
wurde. Zehn Jahre dauerte es und ihren Namen brauchte es, um
das Projekt überhaupt zustande zu bringen. Die Produzenten
hoffen, dass sie keine Verluste machen. Dass "Bordertown"
in den USA bis dato keinen Verleih hat, ist nicht allein der
Qualität des Films geschuldet. Niemand will sich damit
auseinander setzen, dass in Ciudad Juarez seit knapp 15 Jahren
Frauen, vorwiegend Arbeiterinnen, vergewaltigt, ermordet und
verscharrt werden. Als Norma Andrade anfängt zu sprechen,
wird die Pressekonferenz endgültig zu einem Tribunal gegen
das Unrecht in der Welt. Das Bild, das sie krampfhaft festhält,
zeigt ihre Tochter. Eine Journalistin bittet die Mexikanerin,
von sich zu erzählen. Es werden zehn lange Minuten, in
denen jeder im Raum stumm lauscht, ob mit oder ohne Kopfhörer.
Ihre Tochter verschwand, wurde erwürgt. 17 Jahre war sie
alt, 2001 kam sie von der Spätschicht nicht nach Hause.
Norma Andrade laufen die Tränen heiß die Wangen herunter.
Die Produzentin Barbara Martinez Jitner wischt sich die nassen
Augen. Während der Dreharbeiten wurden Filmaufnahmen und
Kameras aus dem Hotel gestohlen, erinnert sie sich. Man wollte
keinen Film über Ciudad Juarez. Danach werden keine Fragen
mehr gestellt. Antonio Banderas kam nicht zu Wort.
Die Tränen und ernsten Worte helfen nicht darüber
hinweg, dass Regisseur Gregory Nava einen zweitklassigen Film
gedreht hat und Dieter Kosslick, der nach dem starken "Road
to Guantanamo" auf der Berlinale 2006 gleich zwei Schritte
zurückgeht, diesen Film in den Wettbewerb schickte.
Magnum in Motion
Bilder wie Gedichte
In Love
and War
"He
liked people, that´s whay, they liked him"
Ich habe
keine Ahnung, wer Robert Capa ist, als ich mit zwei Fotografen
meine Kaffeepause beginne, aber ich weiß es hinterher.
Beide sind neidisch, weil ich Karten für die Dokumentation
über ihn habe, während sie am roten Teppich das Airbrush
verwöhnte Gesicht von Jennifer Lopez fotografieren müssen.
Ja, sie schwärmen sogar davon, was Robert Capa für
ein schöner Mann war. Keine Sekunde wäre mir eingefallen,
im Laufe des Films von Anne Makepeace die Augen zu schließen.
Die Bilder sind einmalig, es sind seine Bilder, entweder von
ihm oder mit ihm. Manchmal werden Zeitgenossen interviewt -
das reicht. Dieser Mann braucht keinen Schnickschnack. 1947
gründete er mit Henri Cartier-Besson, George Rodger und
David Seymour Magnum Photos, um ihre Kunst- und Reportagefotografie
unabhängig produzieren und ohne Verluste von Urheberrechten
vertreiben zu können. Anlässlich des 60. Geburtstages
von Magnum Photos würdigt die Berlinale die Fotografen,
von denen etliche auch Filmemacher waren, mit einer besonderen
Reihe.
1913 wurde Robert Capa als Andre Erno Friedmann in Budapest
geboren. Zwischen 1931 und 1933 studierte er in Berlin Politikwissenschaften.
1933 fotografierte er Trotzky. Kurz darauf emigrierte er auf
Grund seiner jüdischen Herkunft nach Paris, wo er die Fotografin
Gerta Taro kennen lernte. Die Zwei wurden ein Paar und erfanden
"Robert Capa", dessen Bilder sie verkaufen sollten.
Als der Schwindel aufflog, blieb Friedmann der Name, der ihn
weltberühmt machte.1936 ging Capa nach Spanien, um dort
den Bürgerkrieg zu dokumentieren. Dass seine Lebensgefährtin
1937 bei der Verteidigung von Brunete ums Leben kam, erfuhr
er aus der Zeitung. "Das hat ihn verändert",
sagen nahestehende Freunde. 25 Jahre war er alt, als man ihn
zum größten Kriegsfotografen der Welt erklärte.
1939 siedelte er in die USA über, um wenig später
zu sagen: "Hollywood ist die größte Scheiße,
in die ich je getreten bin." Zumindest wird ihm hier eine
Affäre mit Ingrid Bergman nachgesagt, ansonsten machen
seine wenigen Techtelmechtel kaum Schlagzeilen.1954 widmete
er sich erneut der Kriegsberichterstattung - in Indochina. Das
letzte Foto von Robert Capa zeigt ihn inmitten seiner Begleiter,
bevor ihn eine Landmine zerfetzte.
70000 Negative sind von ihm geblieben, Magnum Photos, ein Mythos
und ein Zitat:
"Wenn
deine Bilder nicht gut genug sind, warst du nicht genug dran."
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Siebenter Tag
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14. Februar
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Von
Astrid Mathis
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Mystische
Frauen und große Helden
Panorama
Away
from her
Sarah Polley
muss Julie Christie sehr lieben. Der neue Film der gerade einmal
28-Jährigen über die Alzheimer-Krankheit ist mit einer
Schauspielerin besetzt, die das Vergessen mit einer ungreifbaren
Grazie spielt und sie dadurch schöner und tragischer denn
je erscheinen lässt.
Fiona (Julie Christie) und Grant (Gordon Pinsent) führen
ein Leben, von dem alle Paare am Hochzeitstag träumen.
Sie laufen gemeinsam Ski, genießen Spaziergänge,
lesen einander aus Büchern vor und kuscheln sich nachts
an den anderen, als wären gerade die Flitterwochen vorbei.
Doch das Glück der 44 Ehejahre ist vorbei. Wenn Fiona durch
die verschneite Landschaft Kanadas Ski fährt, ist ihr Blick
nicht mehr in der Gegenwart. Und eines Tages findet sie nicht
zurück. Sie legt die Bratpfanne in den Eisschrank und sagt
komische Sachen. Grant stört es nicht, aber Fiona weist
sich eines Tages selbst in ein Altenheim ein, obwohl der Gedanke
für Grant unerträglich ist. Es kommt schlimmer als
erwartet. Fiona entwickelt Gefühle für Aubrey, einen
Mann im Rollstuhl im Altenheim, und sieht in Grant nur jemanden,
den sie wohl einmal kannte. Mühsam findet Grant sich mit
der Situation ab. Immer wieder versucht er, seine Frau in die
Wirklichkeit zurückzuholen. Ausgerechnet als er sich jemand
Neuem zuwendet - nicht, weil er Fiona nicht mehr liebt, sondern,
weil er sie nicht mehr erreicht - macht sie ihm eine Liebeserklärung,
umarmt hingebungsvoll diesen Mann, der ihr durch seine Besuche
ans Herz gewachsen ist.
Julie Christie verkörpert Fiona, die ihrem zerbrechlichen
Geist ausgeliefert ist, so sensibel und unsentimental heiter,
dass man nach dem Taschentuch greift, als sei es das Selbstverständlichste
von der Welt.
Wettbewerb
Yella
Christian
Petzold hat eine Schwäche für Wittenberge. 2001 zog
es den Regisseur zu den Dreharbeiten von "Toter Mann"
erstmals in das kleine Städtchen an der Elbe. Ein Bahnhof,
eine Siedlung - viel mehr ist es nicht. Hier lebt Yella mit
ihrem Vater. Die Elbauenlandschaft verspricht zwar eine traumhafte
Idylle, aber Arbeit gibt es in dem Ort nicht. Zeit für
Yella, alles zu verlassen. Hier kann sie nicht mehr glücklich
werden. Die Firma ihres Mannes ist kaputt gegangen und die Liebe
gleich mit. Sie eilt die Straße entlang, erträgt
es nicht einmal, dass Ben auf derselben Seite gehen will wie
sie. "Du hast einen Job", sagt er, "ich sehe
das". Yella zieht ihre Schultern hoch und geht jetzt noch
schneller. Zu Hause auf dem Hof fällt sie ihrem Vater in
die Arme. Sie hat tatsächlich einen Job, allerdings in
Hannover, zwei Stunden entfernt. Statt des Taxis wartet am nächsten
Morgen Ben vor der Tür, und derweil man sich noch fragt,
warum sie um alles in der Welt in seinen Wagen steigt, ist es
schon passiert: Ben bringt ein "Ich liebe dich" hervor,
dann lenkt er das Auto gegen die Elbbrücke. Der Wagen geht
unter, doch beide können sich ans Ufer retten. Sogar Annas
Reisetasche wird angeschwemmt, und so geht sie mit ihrer Tasche
und nassen Kleidern am Leib Richtung Bahnhof. Die Reise beginnt.
Diesen Anfang sollte man sich merken, bei Petzold hat jede Absurdität
seine tiefere Bedeutung. Ironie des Schicksals für Yella,
dass sich der vermeintliche Job im Westen auf dem Expo-Gelände
als Fehlanzeige herausstellt, aber Yella hat Glück. In
einem Hotel am Rande der Stadt begegnet sie Philipp, der für
eine Private Equity Firma unterwegs ist, und begleitet ihn zu
seinen Geschäftsterminen. Yella bewährt sich als Buchhalterin
und findet Gefallen an den Spielregeln des Kapitalismus. Ben
verfolgt sie, jedoch der neue Traum, mit Philipp nach Irland
zu gehen, ist größer als die Angst vor der Vergangenheit.
Selbstbewusst versucht sie, nun für ihr neues Glück
an der Seite von Philipp zu kämpfen und geht zu weit. Nicht
ohne Grund greift sie sich von Zeit zu Zeit an den Kopf und
blickt geistesabwesend, ja verstört in die Ferne. Das Rauschen
der Weiden hält die Zeit an. Oder ist es etwa das Glucksen
des sinkenden Fahrzeugs? Ein mystischer Film ist es, ein echter
Petzold. Und Nina Hoss lehrt jeden das Gruseln.

Nina Hoss
und Christian Petzold
Als Christian
Petzold den Film plante, stand schnell für ihn Wittenberge
als Drehort fest. Die Stadt im Osten, im südlichsten Brandenburg
gelegen, hat Charme und spiegelt zugleich Hoffnungslosigkeit
wider. Über 50 Prozent Arbeitslosigkeit hinterlassen ihre
Spuren. Natürlich hätte der Film auch in einer anderen
Gegend mit hoher Arbeitslosigkeit spielen können, im Ruhrgebiet
zum Beispiel, gibt Petzold zu. Gespenstische Buntheit wollte
er in seinem Film, grüne Elbauen hier, die rote Bluse von
Yella da. Die Mondscheinsonate sollte Yella verändern,
aber die Melodie über Lautsprecher einzuspielen, war schwerer
als gedacht. Irgendwann gelang es. Ansonsten hält sich
Petzold nicht mit Musik auf. Damit werde ohnehin zu viel Schindluder
getrieben. Ob die rote Coladose im Fluss ein politisches Statement
sei? Nein, die hatte einer vergessen. Während sich der
Kameramann nachträglich über die Nachlässigkeit
ärgerte, fand der Regisseur die Dose passend. Gespenstisch
bunt.
"Sind Männer so aggressiv und unbeherrscht?"
will ein Journalist wissen. "Sind wir das?" erwidert
Devid Striesow (Philipp) und sieht zu seinem Kollegen Hinnerk
Schönemann (Ben). "Ich fand dich schon manchmal sehr
unbeherrscht", schiebt er nach und lacht herzlich. Der
Schauspieler, der schon in "Die Fälscher" angenehm
auffiel, stammt aus Mecklenburg-Vorpommern. Ein Ossi, der einen
Wessi spielt und umgekehrt - geht das? Für Petzold funktionierte
es. Zwischen ihnen stimmte einfach die Energie. Auch er lernte
die Herangehensweise des Regisseurs zu schätzen, von der
Nina Hoss seit drei gemeinsamen Filmen schwärmt: "Man
hat den Eindruck, man verbringt eine Zeit miteinander, und am
Ende kommt ein Film raus." Für die Schauspielerin
ist ganz offensichtlich, dass Yella nicht weg will, weil sie
Ben nicht mehr liebt, sondern, weil sie so nicht weiterleben
kann. Als sie das zweite Mal mit Ben auf die Brücke zurast,
greift sie nicht ein - schicksalsergeben und mit Würde.
So sieht Nina Hoss ihre Rolle. Und Petzold ergänzt: "Man
kann nicht denken, ohne über das Schicksal nachzudenken."
Da sprechen in der Tat Zwei dieselbe Sprache. Die letzte Zusammenarbeit
zwischen Hoss und Petzold war das bestimmt noch nicht.

Hinnerk Schönemann und Devid Striesow
Einen Tag
später verrät Nina Hoss im Radio Eins Studio: "Bilanzen
- davon verstehe ich nichts. Dass so hinzukriegen, dass man
weiß, was man gesagt hat, war schwer." Als Barbara
Auer im Film auftaucht und Yella zischend mit "Geh weg"
abweist, ist eindeutig: Sie ist die falsche Frau am falschen
Platz. Gottseidank macht Nina Hoss nicht in Finanzen, sondern
in Schauspiel.

Nina Hoss und Christian Petzold zu Gast bei Knut Elstermann.
Gastkritiker war Andreas Dresen (links im Bild).
Außer Konkurrenz
300
Man möchte
meinen, der Film sei so unwirklich, dass er schon fast wieder
gut ist. Wie aus einer fernen Zeit. Der Regisseur Zack Snyder
erzählt die Geschichte von 300 Spartanern im Kampf gegen
ein übergroßes Heer der Perser, die sich um 480 vor
Christus zugetragen haben soll, besagt die Legende. Gerard Butler
alias Leonidas metzelt als König über Sparta einen
Haufen Perser nieder und denkt nicht daran, alles zu retten,
indem er vor Xerxes (Rodrigo Santoro, den man schon nicht mehr
als metrosexuell durchgehen lassen kann) auf die Knie geht.
So richtig wirklich ist die Schlacht von Thermopylae sowieso
nicht. Nach der Comic-Vorlage von Frank Miller war ohnehin mit
dem ständigen Wechsel von Frosch- und Vogelperspektiven
zu rechnen. Das Celluloid scheint in Goldstaub gefallen zu sein.
Ein bisschen hat der Regisseur wohl auch bei den Filmen "Gladiator"
und "Herr der Ringe" abgeguckt, aber wer die nicht
kennt, kann sich über den Film freuen. Mal kein Problemfilm,
sondern einer mit der klaren Struktur eines Comics.
Wer damit nichts anzufangen wusste, konnte ja wegsehen oder
gehen. Merkwürdigerweise verließen die Wenigsten
den Kinosaal, als die Köpfe rollten. Zum Aufstehen zu gut,
zum Buhen gerade recht.
Dass weder bei der Pressekonferenz noch am roten Teppich Presse
vertreten war, lag kaum am Film. Genug Diskussionsstoff hatte
er offensichtlich geboten. Nur hatte Jennifer Lopez´ Ankunft
in Berlin alle Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Die Hobbyfotografen
freuten sich. So standen sie endlich mal in der ersten Reihe.
Perspektive Deutsches Kino
Aschermittwoch
(25 Minuten)
Wie irre
ist das denn? Karneval: Eine Polizistin erschießt aus
Notwehr auf der Damentoilette einer Tankstelle einen Typen,
der ein Mädchen vergewaltigen will und rennt weg. Ein Arzt
gerät mit dem Freund seiner Zwillingsschwester in Streit,
weil der Schuld an ihrer Drogensucht ist. Ein Handgemenge, dann
liegt der Drogendealer leblos am Boden, der Täter flieht.
Es kann gar nicht anders sein, als dass sich die Beiden begegnen.
Ein kleines Wunder, wie glaubwürdig sie miteinander die
Nacht verbringen und sich danach der Wahrheit stellen.
Zirkus
is nich (43 Minuten)
Dominik
ist stark. Für sein Alter übernimmt er verdammt viel
Verantwortung. Zwei Geschwister hat er, auf die er aufpasst,
wenn seine Mutter keine Zeit hat. Dominik ist acht Jahre alt
und hat schon seine Methoden, die jüngere Schwester zu
dirigieren. Am Nachmittag gehen sie oft ins Freizeitzentrum
"Die Arche" am Rande Berlins, oder sie spielen Karten.
Seine Mutter will, dass aus den Kindern noch etwas wird, dass
sie nicht so enden wie sie. Dabei ist die Frau gerade mal um
die 30, allerdings arbeitslos und alleinstehende Mutter. Sie
übt mit Dominik für die Schule, aber Zirkus is nich.
Sie kann nicht mit, weil sie auf die Jüngsten aufpasst;
er will nicht alleine gehen. In diesem Moment wird Dominik wieder
zum Kind, das zum Zirkus will, und weint herzzerreißend.
Am meisten wünscht er sich, dass sein Papa zurückkommt.
Was für eine tolle Dokumentation.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Zwei
Filme, ein großer Schritt
El
Otro - Der Andere
Nicht
schon wieder! Julio Chavez spielte im vergangenen Jahr die Hauptrolle
in dem Film "Der Schatten". Ein Leibwächter macht
seine Arbeit und jagt seinem Schützling am Ende selbst
eine Kugel durch den Kopf, und das, nachdem man sich anderthalb
Stunden gelangweilt hat. Auf der diesjährigen Berlinale
ist Chavez in der Hauptrolle des spanischen Wettbewerbbeitrags
"Der Andere" zu sehen. Die Geschichte lässt sich
ebenso kurz zusammenfassen. Ein Mann in der Midlifecrisis (Juan)
fühlt sich der Schwangerschaft seiner Frau nicht gewachsen
und flieht aus der Stadt. Er quartiert sich in ein Hotel ein,
probiert verschiedene Identitäten aus, schläft mit
einer anderen Frau und kehrt zu seiner zurück, bereit für
die bevorstehende Vaterschaft. Ja, der Film hat seine wunderbaren
Momente. Gleich am Anfang zum Beispiel unterzieht sich Juan
einem Augentest und muss seine Daten angeben. Brav beantwortet
er die Fragen, er stockt, bevor er "verheiratet" sagt.
Als er bei "Adresse" vielbedeutend in das Gesicht
der Ärztin sieht, wird klar, die Beiden sind ein Paar.
Gut erzählt ist außerdem der Augenblick, als Juan
die Identität des ersten Anderen annimmt. Er sitzt im Bus,
sieht aus dem Fenster in die traumhafte Landschaft, und neben
ihm stirbt ein Mann. Eingeschlafen, tot. Juan merkt es, als
er den Zug verlassen will und der Mann nicht reagiert. Im Hotel
gibt er sich als der Andere aus, der Arzt war, und gerät
in die Zwickmühle, als er einer alten Frau helfen soll.
Mund-zu-Mund-Beatmung ist das Einzige, was ihm einfällt.
Wenngleich man den üblen Geruch der Alten fast riechen
kann, verfehlt die Rettungsaktion nicht ihre Wirkung. Rührend
auch, wie er seinen bettlägerigen Vater pflegt, aber sonst?
Es ist das Verdienst von mehreren Nickerchen und Knut Elstermann,
dass ich diese merkwürdig leise Erzählweise aushalte
und nicht gehe, denn der sitzt am Rand, und ich will ihn nicht
stören. Ich kann nicht sehen, ob er die Augen geschlossen
hat. Als der Film vorbei ist, steht er auf und sagt zu seiner
Kollegin: "Ich freue mich auf Marianne Faithfull".
Wer das auch sei, ich freue mich auch.
Irina
Palm
Sie
ist zum Verlieben - Marianne Faithfull als Irina Palm. Doch
bevor sie "Irina Palm" wird, ist sie Maggie, eine
ältliche Frau, die alles tun würde, um das Geld für
die lebensrettende Operation ihres Enkels Ollie aufzutreiben.
In ihrem Alter gibt es nun mal keine Arbeit. So stellt sie sich
ahnungslos für einen Job bei Miki vor, der einen Sexclub
in Soho betreibt. Sie hat in dem Laden nichts zu suchen, aber
ihre Hände ... die gefallen Miki. Also bietet er ihr an:
"Handflächen mit Gleitmittel einschmieren, erst langsam,
dann immer schneller reiben - fertig. Wenn sie nach fünf,
sechs Minuten nicht kommen, komme ich. 600 Pfund die Woche."
Natürlich ist es das Letzte, was sie machen wollte: Geld
verdienen, indem sie Männern reihenweise einen runterholt.
Trotzdem sagt sie zu - dem Geld zuliebe - und wird "die
beste rechte Hand von London". Ihr Künstlername wird
Irina Palm. Sie ist die "wichsende Witwe", die 6000
Pfund rücken in greifbare Nähe. Maggie macht ihren
Job ordentlich, für sie ist es auch nur ein Job. Sie zieht
sich ihre Kittelschürze an, stellt ihre Thermoskanne auf
den Tisch und hängt zu guter Letzt noch ein Bild einer
kitschigen Landschaft auf. Ihr Arbeitsplatz ist eingerichtet,
und die Kunden sehen ja nicht, wer sich hinter der Wand verbirgt,
weil ein Loch für Anonymität sorgt. Es ist ein Vergnügen,
zuzusehen, wie sich Maggie in eine selbstbewusste, willensstarke
Frau verwandelt, die ihren tratschenden Pseudo-Freundinnen ins
Gesicht sagt, dass sie "die wichsende Witwe" sei,
dass sie darin die Beste ist. Nein, den Arm hat sie sich nicht
gebrochen. "Penisarm" lautet die Diagnose, deshalb
trägt sie ihn in einer Schlinge. Nach so viel herzerfrischender
Komik scheint der Bruch unweigerlich, als Maggies Sohn Tom hinter
ihr Geheimnis kommt.
Regisseur Sam Garbarski beschenkt die Berlinale-Besucher mit
einer außergewöhnlichen Geschichte, die einen derart
starken Tiefgang und Humor hat, dass sich alle einig sind: Das
ist der erste Anwärter für den Goldenen Bären.
Und wenn nicht der Film, dann soll wenigstens Marianne Faithfull
einen Preis bekommen.
Sie
hat kaum den Pressekonferenzraum betreten, da hält es die
Journalisten nicht mehr auf den Sitzen. Frenetischer Jubel,
wie man ihn danach nicht mehr erleben wird. Marianne Faithfull
hat die Kittelschürze von Maggie abgelegt und ihren Haaren
das schimmernde Blond einer Diva verliehen. Als sie anfängt
zu reden, möchte man jedes ihrer Worte schlucken. Einmalig
dunkel und fast aristokratisch artikuliert sie, der Saal hängt
an ihren Lippen. "Danke für den ersten frischen Wind
in diesem Festival", beginnt ein Journalist und fragt:
"Wie kamen Sie auf Marianne Faithfull?" Sam Garbarski
erzählt: Ursprünglich sollte der Film in Brüssel
spielen, denn so stand es im Skript seines Freundes Philippe
Blasband, doch mit einem Mal lag es klar auf der Hand. Der Film
musste seinen Mittelpunkt einfach in England haben, weil die
Atmosphäre ohnehin eine britische war. Das Skript wurde
von Martin Herron umgeschrieben. Und schließlich meinte
der Produzent des Films Sebastien Delloye: "Was hältst
du denn von Marianne Faithfull?" Alle kannten sie aus ihrer
Arbeit mit Sofia Coppola ("Marie Antoinette"), fehlte
nur noch die Zusage der Sängerin. Die kam. Lust, endgültig
in das Schauspielfach zu wechseln, hat sie nicht: "Wissen
Sie, ich bekomme eine Menge Müll zugeschickt, aber ich
habe diese Karriere nicht gemacht, um mich im Alter von 60 Jahren
mit `Bullshit´ zu degradieren."
Die nächste Frage scheint allen auf der Zunge zu brennen.
Man sieht wohlbemerkt während des Films nicht ein einziges
Mal männliche Genitalien. "Was haben Sie benutzt beim
Runterholen?" traut sich jemand zu fragen. Das Lachen der
beiden Schauspielerinnen zieht der Situation den peinlichen
Stachel. "Plastik-Dildos", antwortet Marianne Faithfull,
"es war ein schmutziger Job, aber irgend jemand musste
ihn tun." - "Wir waren beide angeekelt", erinnert
sich Dorka Gryllus, die Maggie anlernt. Noch während sie
lacht, wird sie rot. "Es geht um die Familie", betont
Marianne. Endlich geht eine Frage an ihren Filmsohn Kevin Bishop.
Mutter-Sohn-Beziehung, ein Statement bitte. In den Charakter
konnte er sich gut hineinversetzen. Söhne wollen immer
ihre Mütter beschützen, darum ginge es doch. Er wüsste
nicht, wie er reagieren würde, wenn seine Mutter so einen
Job hätte. Bishop hatte ja bereits einen Schock, als seine
Eltern eines Tages erklärten: "Wir bekommen ein Baby."
Da war er 18 und dachte nur: "Oh mein Gott, meine Eltern
haben noch Sex."
Im
Radio Eins Studio im Cinemaxx am Potsdamer Platz spricht Knut
Elstermann am Abend begeistert mit Dorka Gryllus über "Irina
Palm". Zu Wort kommt die Schauspielerin, die vor zwei Jahren
Shootingstar auf der Berlinale war, jedoch kaum. Was sie und
Marianne Faithfull auf der Leinwand genau machen, verschweigt
sie. Einzig "Sexworkerin" kommt ihr über die
Lippen. Den Rest erzählt der Moderator, und zwar mit einem
solchen Herzblut, dass jeder Zuhörer weiß: Wenn Marianne
Faithfull auf Tour geht, ist er dabei. Und wir, wir lieben sie
auch. Den Anderen ("El Otro") hat er sicher längst
vergessen.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Sharon Stone
kriegt die Krise
When
a Man falls in the Forest
Redet man
so in Extremsituationen? Ist man da zu solchen Dialogen in der
Lage? Der Filmemacher Ryan Eslinger zeigt Menschen in der Krise.
Sharon Stone als frustrierte Hausfrau Karen gehört zu ihnen
und lässt in den Geschäften gern etwas mitgehen, um
wenigstens ein bisschen Nervenkitzel in ihren Alltag zu bringen.
Ihr Mann Gary, gespielt von Timothy Hutton, sieht sie schon
lange nicht mehr an. Nur im Supermarkt weichen ihre harten Gesichtszüge
auf, als sie sich kurz an die schönen Zeiten mit Gary erinnert,
in denen sich noch alle Leute nach ihr umdrehten. Die Bitterkeit
hat sich in sie hineingefressen und kommt schlagartig zurück.
"Siehst du hier irgendwen, der mich anschaut?" fragt
Karen. "Das hat aufgehört, als du aufgehört hast,
mich anzusehen." Danach ist keine Kommunikation mehr möglich.
In seiner eigenen Welt lebend fällt es auch Bill (Dylan
Baker) schwer, mit anderen zu kommunizieren. Ausgerechnet ihm
begegnet Gary, als er gerade in einem Großraumbüro
Staub saugt. Er hört Opernarien und nimmt Gary erst wahr,
nachdem dieser den Stecker aus der Dose gezogen hat. "Mensch,
du bist doch Bill, oder?" - "Ja."- "Hast
du gerade hier angefangen zu arbeiten?" - "Nein, ich
arbeite seit acht Jahren hier." - "Wow, das ist super."
Damit endet die Konversation zwischen ihnen.
Überhaupt wird in diesem Film wenig gesagt. Die Redensart
"In der Kürze liegt die Würze" würde
ich hier nicht unterschreiben. Als Gary bei einem Überfall
stirbt, ist man erleichtert. Das Elend hat ein Ende.
Sie
hat es wohl gehofft, aber um die "Basic Instinct"-Frage
kommt Sharon Stone auf der Pressekonferenz doch nicht herum.
Wie sie das finde, dass man sie immer mit einer Szene aus "Basic
Instinct" in Verbindung bringen wird, will eine asiatische
Journalistin wissen. Die Schauspielerin überlegt einen
Moment. Das macht sie öfter. Man ist fast überrascht,
dass sie letztendlich doch noch antwortet. Eine Chance wäre
das gewesen, ihr Durchbruch, der ihr viele Türen geöffnet
hat. Als sie auf den Film zu sprechen kommt, behauptet sie:
"Wir sind alle schon solchen Charakteren begegnet wie im
Film." Mehr noch: "Vergesst nicht, wir leben nicht
in einer Männerwelt. Wir verlieren nur manchmal unser Gefühl
dafür, in der Welt zu sein."
Ich höre jemanden flüstern, der Film hätte ihn
an "American Beauty" erinnert. Zumindest die Machart.
Dazu nur so viel: Diese beiden Filme können unmöglich
in einem Atemzug genannt werden, denn "American Beauty"
berührt auf zauberhafte Weise trotz aller Tragik und wegen
all der Tragik. Bei "A Man falls in the Forest" ist
man einfach froh, wenn es vorbei ist.
Wenn nichts mehr hilft
Die
Zeugen
Wie eine
Besessene hämmert Sarah (Emmanuelle Béart) auf die
Schreibmaschine ein. Sie muss etwas sehr Wichtiges schreiben
in ihrer roten Wohnung. Das Gelb des Sommers, das Blau des Meeres,
die rote Wohnung - die Farben haben etwas Unwirkliches an sich.
Das Glück scheint vollkommen. Sarah und ihr Freund Mehdi
(Sami Bouajila) haben gerade ein Kind bekommen, die offene Beziehung
zwischen ihnen wirkt selbstverständlich. Sarahs Freund
Adrien (Michel Blanc), der nebenbei bemerkt Arzt ist, hat sich
in den jungen Manu (Johan Liberéau) verliebt. Dessen
Schwester (Julie Depardieu) wohnt mit ihm zusammen und träumt
von einer Karriere als Opernsängerin. Es könnte nicht
schöner sein, die starken Farben des Films unterstreichen
Harmonie und Wonne. Da beginnt Manu eine Affäre mit Mehdi.
Es wird Herbst, als Manu die Beziehung mit Adrien beendet und
Adrien bei seinem Ex-Geliebten Aids feststellt. Winter. Bis
dahin fließt der Film nur so darin, man verliebt sich
beinahe selbst in Manu. Mit dem Winter kommt die Eisschicht.
Man wird nicht mehr in das Drama hineingezogen. Man sieht machtlos
zu, wie Manu stirbt. Sarah will Zeugnis ablegen und die Geschichte
Manus, die er vor seinem Tod auf Band aufzeichnete, aufschreiben.
"Wofür?"schreit Mehdi.
Der Regisseur André Téchiné hatte viele
homosexuelle Freunde, die er in den 80er Jahren durch Aids verlor.
Der Film ist Zeugnis dieses Zeitabschnitts, gibt der Regisseur
auf der Pressekonferenz Auskunft.
Zwei, die sich das Wasser reichen können
Tagebuch
eines Skandals (Außer Konkurrenz)
Langweilig
ist das Leben der Lehrerin Barbara Covett (Judi Dench). Da taucht
die junge und schöne Sheba (Cate Blanchett) auf und wird
ihre Kollegin. Sheba fliegen die Herzen nur so zu, auch das
von Barbara. Sie möchte Sheba unbedingt als ihre Freundin
gewinnen, vertraut sie ihrem Tagebuch an. Als Barbara ihr hilft,
eine Prügelei zwischen zwei Schülern zu beenden, ist
der Moment da, die Freundschaft beginnt. Immer häufiger
wird sie in das Leben von Sheba miteinbezogen, die verheiratet
ist und zwei Kinder hat. Etwas, was Barbara fehlt - eine Familie.
Eines Abends macht Barbara eine schockierende Entdeckung: Sheba
hat eine Affäre mit einem minderjährigen Schüler.
Sie stellt Sheba zur Rede und verspricht, nichts zu sagen, wenn
die Affäre sofort endet. Barbara weiß, dass Sheba
in ihrer Schuld steht, und Sheba weiß, dass sie aufhören
muss, kann aber nicht. Statt dessen lässt sie zu, wie Barbara
immer mehr Teil ihrer Familie wird und sie auf Schritt und Tritt
verfolgt. Für Shebas Mann Richard (Bill Nighy) ist das
ein unerträglicher Zustand. Barbara erpresst Sheba mit
ihrem Schweigen und versteckt ihre krankhafte Besessenheit gegenüber
Sheba hinter dem Mantel der Freundschaft, bis sie dahinterkommt,
dass Sheba sich nach wie vor mit dem Schüler trifft. Die
Situation eskaliert.
Welch
ein Glanz im Pressekonferenzsaal, als Cate Blanchett und Dame
Judi Dench den Raum betreten! Zwei großartige Schauspielerinnen
nehmen an einem Tisch Platz und sprechen einander ihre Verehrung
aus. Seit dem Film "Schiffsmeldungen" kennen sie sich,
jetzt tragen sie den Spielfilm "Notes on a Scandal",
der auf der Berlinale außer Konkurrenz läuft. Cate
Blanchett sah das Buch bei Patrick Marber liegen, hatte es selbst
gerade gelesen. Der erzählte, er wolle ein Drehbuch dazu
schreiben. Er wüsste schon einen Part für sie. "Ich
hoffte, Judi würde mitspielen", erklärte Cate
Blanchett. Auch Patrick Marber sah von Anfang an beim Schreiben
nur die beiden Schauspielerinnen in den Rollen. "Ich habe
das Drehbuch gelesen, und als ich erfuhr, dass Cate Sheba ist,
sagte ich zu", ergänzte Judi Dench. Sie selbst würde
jemanden wie Barbara nicht um sich haben wollen, obwohl diese
ältliche einsame Frau einem leid tun kann. Schließlich
ist es ein Weg, der zu ihrem Verhalten führt und viel Selbstzerstörung
in ihrem Charakter. Im Buch wird die Geschichte komplett aus
der Sicht von Barbara erzählt. Bei Patrick Marber ist Shebas
Sicht mit dabei, nachdem sie Barbara die Affäre gestanden
hat. Beide haben etwas Unschuldiges auf ihre Art. Lady Macbeth
sei ja im Grunde ebenfalls eine nette Person. Sheba rutscht
in die Affäre hinein, und auch Barbara kann sich nicht
stoppen, erklärt Judi Dench. "Erinnern Sie sich an
die Szene, in der ich in der Wanne liege? Eine der Besten in
meinem Leben, obwohl es zu spät dafür ist", merkt
die Schauspielerin an. "Sie tragen den Titel `Dame´
- was bedeutet das für Sie?" fragt ein Journalist.
"Nun. Eine Dame ist in Amerika ja etwas anderes (ein Slangausdruck
für "Weib", Anmerkung der Redaktion). Ich versuche,
mich einfach wie eine in England zu verhalten."

Andrew Simpson,
der den Schüler spielt, mit dem Sheba eine Affäre
hat, sitzt zwischen den beiden Damen. Ein bisschen verloren
fühlt er sich. Dann kommt endlich eine Frage für ihn.
Er konnte es sich schon denken. Viele träumen davon, einmal
Cate Blanchett nahezukommen, und er hat mit seinen fast 18 Jahren
sogar Sexszenen mit ihr gedreht. "Wie war das für
Sie?" - "Ich hatte Angst. Aber alle waren so freundlich
zu mir. Wir waren wie eine große Familie, Cate und Judi
Dench waren für mich nicht mehr nur großartige Schauspielinnen,
sondern Freunde", beschreibt er. "Ich muss zugeben,
mein Vater hat sich mehr über meine Rolle gefreut als meine
Mutter. Nächstes Mal soll ich jedenfalls etwas anderes
machen."
Zu
später Stunde erscheint der deutsche Schauspieler Joachim
Król im Radio Eins Studio der Maxx Bar am Potsdamer Platz.
Sein Kommentar zu dem Film: "Wie bekomme ich Schaupielunterricht
von Judi Dench?"
Perspektive
Deutsches Kino
Aus dem
Leben gegriffen
AlleAlle
Spätestens
seit dem Berlinale-Erfolg von "Netto" ist Milan Peschel
in der Kinolandschaft kein Unbekannter mehr. In diesem Jahr
spielte er in dem Film "AlleAlle" die Hauptrolle.
Eine Kollegin fragt mich vor dem Film, ob ich auch zu "Allé
Allé" ginge. Ich betreibe Aufklärungsunterricht,
sage ihr, dass sei ein Ausdruck dafür, wenn nichts mehr
da ist. "Ach, so", erwidert sie irritiert. Deutsche
Sprache, schwere Sprache. Jetzt überlegt man schon bei
deutschen Titeln, wie sie ausgesprochen werden.
Pepe Panitzer
drehte den Film nach einer Vorlage von Oliver Bukowski. Der
Autor ist geradezu prädestiniert, lebensnahen Filmstoff
zu liefern. Hagen (Eberhard Kirchberg), ein etwas tolpatschiger
Riese, ist geistig zurückgeblieben und auf der Suche nach
seinem Onkel. In Dohmühl (Milan Peschel) glaubt er, ihn
gefunden zu haben, und Dohmühl ist viel zu betrunken, um
zu begreifen, wen er sich da in seine Wohnung geholt hat. Ina
(Marie Gruber) ist gerade aus dem Gefängnis zurück
und wohnt im selben Haus. Die Gegend erweckt einen verlassenen
Eindruck. Niedergörsdorf hat abgesehen von einem Getränkemarkt
und einer Tankstelle nichts zu bieten. "Altes Lager"
nennt sich der frühere sowjetische Militärstützpunkt,
den Dohmühl von seinem Vater erbte, der das Ganze für
eine Mark erstand. Er kann damit ebenso wenig anfangen wie mit
der geerbten Gerüstbaufirma. Bei Ina scheinen die Chancen
aussichtslos, und außerdem hat er noch Hagen am Hals.
Alles ziemlich trostlos. Dennoch gelingt es Panitzer, den Stoff
so zu verfilmen, dass man über weite Strecken des Films
herzlich lachen kann. Er zieht das Publikum direkt in die Situation
hinein - da ist keine Distanz mehr zwischen Zuschauer und Leinwand.
Das ist nach den zahlreichen distanzierten Filmen direkt eine
Wohltat. Ein Beispiel: Dohmühl schreit Hagen an, als er
alles verloren glaubt: "Es ist nichts mehr da. AlleAlle,
Mann!" Da schaut Hagen auf seine geliebte Ratte, geht damit
in die Toilette und schließt die Tür hinter sich.
Dohmühl braucht einen Moment, um zu begreifen, was Hagen
vor hat. Dann springt er auf: "Nein, mach nicht",
brüllt er. Er weiß, wie viel ihm das Tier bedeutet.
Zu spät. Hagen öffnet die Tür, hält Dohmühl
seine bloßen Hände entgegen und sagt: "Hagen
auch allealle".
Dass sie
diesen Film machen werden, stand für Milan Peschel und
Pepe Panitzer schon lange fest. Nach der Premiere von "Netto"
war das Projekt nur eine Frage der Zeit. Ein bisschen enttäuscht
war Panitzer dann doch, dass Milan Peschel nach dem ersten Drehtag
kein Wort über die Arbeit verlor, sondern etwa drei Stunden
vom Catering schwärmte. Der Mundelkoch war Grund für
Peschels gute Laune. Und dass bei gutem Essen ein sehr guter
Film herauskommen kann, das beweist "AlleAlle". Unglaublich,
dass dieser Film noch keinen Verleih hat.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Oh, mein
Gott
In
Memory of myself
Man kann
darüber spekulieren, warum dieser Film am Sonntag um 9
Uhr gezeigt wurde, aber es ist zu offensichtlich. Zeit, in die
Kirche zu gehen.
Der junge Andrea ist auf der Suche nach sich selbst und hofft,
in einem Noviziat statt Zerrissenheit eine Heimstatt zu finden.
Soweit kommt man noch mit. Dann sieht man nicht mehr durch.
Lange weiße Flure, schwarz gekleidete Männer, die
pathetisch Dinge erzählen, von denen sie wohl selbst nicht
wissen, was sie bedeuten sollen. Schon in der Mitte eines Satzes
kann man sich nicht mehr an den Anfang erinnern. Einzuschlafen
ist hier unvermeidlich. Und wer hier nicht einschläft,
hat längst das Kino verlassen. Wenn da nur nicht diese
unerträgliche bombastische Musik wäre, die einen immer
wieder aus dem Schlummer reißt.. Ein ärgerlicher
Film. Zu schade, dass auch ich unter Narkose stand und verpasste,
rechtzeitig zur Vorführung von Julie Delpys "2 Days
in Paris" zu wechseln. An "Memory of myself"
werden sich jedenfalls die Wenigsten erinnern. Amen.
Habe die Ehre, Mr. President
Goodbye
Bafana
Dennis
Haysbert spielt in der Serie "24" an der Seite von
Kiefer Sutherland einen Präsidenten, zu dem man gerne aufsieht.
Er hat so etwas charismatisch Gutes an sich, dass er wie geschaffen
scheint, einen der größten Männer dieser Zeit
zu verkörpern. Einen Humanisten. In "Goodbye Bafana"
schlüpft er in die Rolle von Nelson Mandela. Vorher las
und sah er alles von und über ihn, was er in die Hände
bekommen konnte. Selbst am Set hatte er einen Sprachtrainer
bei sich, um sich seinem Charakter so weit wie möglich
anzunähern.
Bille Augusts Film handelt von der Geschichte des Gefängniswärters
James Gregory (Joseph Fiennes), der Xhosa spricht und Nelson
Mandela überwachen soll. Doch je näher er ihn kennen
lernt, um so mehr versteht er ihn und ergreift Partei für
das Manifest, das Mandela verfasst hat. "Wir wollen nur
gleiche Rechte. Weiße und Schwarze können friedlich
miteinander leben." 27 Jahre begleitet ihn Gregory, am
Ende sogar in die Freiheit. Was für einen interessanten
Stoff die Memoiren von James Gregory auch immer hergeben, der
Film hat etwas märchenhaft Verklärtes, das ihn hinter
der Realität zurückstehen lässt. Die hätte
durch den Film sichtbar gemacht werden sollen, denn so glatt,
wie sich diese Geschichte erzählt, können sich die
Ereignisse nicht zugetragen haben. Sie bleiben hinter einem
Schleier verborgen.
"Was
hat ihnen der Film gegeben?", fragt ein Journalist auf
der Pressekonferenz. "Hoffnung", erwidert Dennis Haysbert.
Zwei Minuten hatte er gebraucht, um zu entscheiden, ob er die
Rolle des Freiheitskämpfers Nelson Mandela annehmen sollte.
Gregory lernte er nicht mehr kennen, er war ein paar Jahre vor
der Produktion gestorben, aber seine Frau erzählte viel
von ihm. Das half Diane Krüger, sich in die Frau des Gefängniswärters
hineinzuversetzen. Trotzdem gab es für sie Momente, in
denen sie dachte: "Ich weiß nicht, wie ich das spielen
soll." Zum ersten Mal in ihrer Karriere ist ihr Part der
einer Frau, die noch lebt. "Ich wollte Afrika nicht betrügen.
Ich wollte es richtig machen, denn ich habe ja eine Verantwortung
dem Land gegenüber." Dass sie in der Rolle der Gloria
eine Frau spielt, die aus der Mittelschicht stammt wie sie selbst,
war ebenfalls eine Herausforderung für die Schauspielerin,
die sie zeitgleich mit Gloria verband.
"Ich war noch nie vorher in einem Gefängnis. Als wir
dort drehten, hieß es: Passkontrolle, kein Augenkontakt.
Türen schlossen sich hinter uns, noch bevor Türen
vor uns geöffnet wurden", erinnert sich Dennis Haysbert
an die Dreharbeiten. Da konnte einem schon mulmig zumute werden,
gab er zu. Er konnte den Drehtag nie leicht hinter sich lassen.
Erst auf der Pressekonferenz sagte er zu seinen Kollegen: "Ich
kam oft nach Hause, trank ein Glas Wein und begann zu weinen."
Zögerlicher Applaus. Man ist gerührt. Applaus wohl
für den Mut, das öffentlich zuzugeben. Jemanden zu
spielen, der sein Land so liebt wie Nelson Mandela, war für
ihn eine verantwortungsvolle Aufgabe, die ihn unmöglich
kalt lassen konnte. Dennis Haysbert wollte ihm gerecht werden.
Es dauerte Jahre, um das Geld für den Film zusammenzubekommen.
Vier Länder sind an der Finanzierung beteiligt. Ein Beweis
dafür, wie schwierig es bis heute ist, dieses Thema anzufassen.
Getraut haben sich Europäer, darin zu investieren. Das
allein sagt schon alles. Dabei hätte der Film noch mehr
provozieren können. Für amerikanische Verhältnisse
tut er es wahrscheinlich ausreichend. Nur langsam gehe die Entwicklung
in Südafrika vorwärts, berichteten die Schauspieler.
Es gab Restaurants, in denen nur Schwarze bedienten und Weiße
Gäste waren. Haysbert als einziger Gast, dessen Hautfarbe
Schwarz ist.
Ob er sich nach der Rolle als Präsident in "24"
und Nelson Mandela, der ebenfalls eine Führungspersönlichkeit
ist, nicht zutraue, selbst in die Politik einzusteigen und Präsident
zu werden? "Ich glaube, ich habe als Schauspieler mehr
zu sagen denn als Präsident", erwidert Haysbert. Er
lächelt.
Perspektive Deutsches Kino
Ey, Story,
oder was?
Prinzessinnenbad
Da will
man sich einen schönen gemütlichen Sonntagabend machen.
Und dann das! Merkwürdige Gestalten betreten das Cinemaxx
am Potsdamer Platz. Wie aus einem 68er-Jahre-Film tauchen ein
paar Leutchen auf, die sogleich die volle Aufmerksamkeit auf
sich lenken. Das kann man mit Fug und Recht behaupten. Schließlich
ist das Berlinale-Publikum deutlich zu erkennen. Und nach dieser
Gruppe drehen sich hier alle um, die nicht so aussehen. Die
Kamera ist auf sie gerichtet. Die müssen wohl wichtig sein,
denke ich noch, da werde ich in den Kinosaal geschoben. Heiß
begehrt waren die Karten, keine Ahnung, was mich erwartet.
Das Prinzenbad in Kreuzberg ist für die Regisseurin des
Dokumentarfilms das Prinzessinnenbad. Hier treffen sich ihre
Filmheldinnen im Sommer, um abzuhängen. Drei 15-jährige
Mädels aus Kreuzberg erzählen von ihrem Alltag. Sie
packen richtig aus, erklären vor der Kamera, wie sie die
Schule vernachlässigen und nichts mit Deutschen anfangen
können, weil sie sich am besten mit Türken verstehen.
Sie telefonieren mit wildfremden Jungs, um sie zu beschimpfen:
"Bist du `n Ossi, oder was? Oder bist du aus Reinickendorf,
du Muschi?" "Ey, Story, oder was?" werfen sie
ein, wenn sie meinen: "Du spinnst wohl" oder: "Merkst
du`s noch?" Sie sind selbstbewusst, nehmen kein Blatt vor
den Mund und rauchen Kette. Dabei regen sie sich über Achtjährige
auf, die sie mit Zigarette erwischen. Ihre Mütter nehmen
es mit den Regeln nicht so genau. Es gibt nur zwei: kein Heroin
und nicht schwanger werden.
Häh? Witzig finde ich das nicht, doch der Applaus gibt
der Filmemacherin Recht, etwas ganz Tolles geschaffen zu haben.
Stolz präsentieren sich die Mädchen mit ihren Müttern
und deren Lebensgefährten. "Es ist absolut authentisch",
sagt eine der Mütter. Alle Mädchen ohne Vater, das
war fast schon klar. Wofür der Beifall? geht es mir durch
den Kopf. Für den Mut, sich so offen zu präsentieren?
Oder ist das Ausdruck der Freude darüber, dass wieder etwas
Hippes in Kreuzberg entstanden ist? Oder sind die Applaudierenden
einfach froh, nicht dort zu wohnen und erleichtert, dass sie
in ihrer Jugend ein paar Regeln mehr aufgestellt bekamen? Oder
weil es ein cooles Zeitdokument ist, über das man wunderbar
ablachen kann?
Im Scheinwerferlicht wirken die drei Filmheldinnen verunsichert.
Manches hätten sie dann doch lieber für sich behalten.
Was hier heiter rüberkommt, ist nämlich eine verdammt
traurige Angelegenheit.
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Von
Astrid Mathis
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Wettbewerb
Von Schafen,
Hirten und Fälschern
Tuyas
Ehe
Die
Geschichte spielt in der Mongolei. Fast wie ein Märchen
beginnt sie, so fremdartig erscheinen Farben und Landschaft.
Eine junge Frau in pinkfarbenen Gewändern stürzt aus
einer Hütte und geht zwischen die streitenden Jungen. "Er
sagt, ich hätte zwei Väter", schreit einer von
ihnen. Die Frau kehrt in die Hütte zurück und weint.
Es ist Tuya. Sie lebt mit ihrem kranken Mann Bater und ihren
zwei Kindern allen Widrigkeiten zum Trotz in der mongolischen
Steppe. Sie hütet jeden Tag 100 Schafe, niemand hilft -
sie hat im wahrsten Sinne des Wortes die Hosen an. Als Tuya
krank wird, weiß sie sich nur einen Rat. Sie muss heiraten,
und zwar jemanden, der ihren Mann akzeptiert und mitversorgt.
Die Suche beginnt. Ausgerechnet Senge, der immer trinkt und
über seine Frau schimpft, erobert ihr Herz. Doch obwohl
Bater damit einverstanden scheint und Senge sich scheiden lässt,
ist noch kein Happy End in Sicht.
Sensibel und humorvoll ist die Geschichte über Tuyas Ehe.
Die Kamera in den Händen Lutz Reitemeiers schafft etwas
Besonderes. Bei Radio Eins zu nächtlicher Stunde kann auch
der Moderator Knut Elstermann nicht umhin, die eindrucksvollen
Bilder hervorzuheben. Der Regisseur Wang Quan`an hält sogar
einen Vergleich zu Fassbinders Film "Die Ehe der Maria
Braun" für möglich. Dass eine Frau einen Mann
sucht, der ihren Noch-Ehemann akzeptiert und pflegt, findet
die Hauptdarstellerin Yu Nan jedenfalls nicht abwegig. Fünf
Monate lang verwandelte sie sich von einer Chinesin in eine
Mongolin.
Der gute
Hirte
Wie
weit kann man gehen, um seinem Land zu dienen und seine Familie
zu schützen? Regisseur Robert de Niro weiß in seinem
Film "The Good Shepherd" die Antwort darauf: verdammt
weit. Seinen Anfang nimmt die Geschichte in den Gründungsjahren
der CIA. Matt Damon spielt den guten Hirten Edward Wilson, der
auf den ersten Blick unscheinbar, in seiner Routine gefangen
wirkt. Selbst wenn er Folterungen veranlasst, kann man kaum
glauben, dass er als Agent arbeitet. Darin liegt sein Geheimnis,
auch Matt Damons Geheimnis. Er macht fast nichts und das sehr
gut.
Der Selbstmord seines Vaters ist Jahre her, als er in der Universität
in Yale in die Geheimgesellschaft "Skull & Bones"
einsteigt. Hier wird er zum guten Hirten erzogen, alle sind
hier "Brüder fürs Leben". Und natürlich
kommt die Grußformel "Skull & Bones" noch
vor dem Tischgebet. Es ist letztendlich nur ein kleiner Schritt
zur CIA. De Niro spinnt das Netz um Wilson sehr genau: so komplex
die Erzählweise ist, so interessant ist die Geschichte,
die sich dahinter verbirgt. Alles dreht sich letztendlich um
die Operation "Schweinebucht", die gescheiterte US-Invasion
in Kuba im Jahr 1961. In Rückblenden erfährt der Zuschauer
über Edward Wilsons Leben. Seine Ehe mit Margarete (Angelina
Jolie) bestand von Anfang an nur auf dem Papier. Unzählige
Reisen und Wilsons strenge Geheimhaltung versetzen ihr den Todesstoß,
Margarete zieht zurück zu ihrer Mutter. Wilsons Sohn hingegen
hat noch nicht aufgegeben, seinen Vater zu erreichen. Er will
nicht einsehen, dass er ihm fremd bleibt. Lieber will er Mitglied
in der CIA werden. Beinahe möchte man Wilson sagen: "Siehst
du, die Geschichte wiederholt sich. Auch dein Vater stand allein
in der Welt, ohne Familie trotz Familie, da." Man weiß,
es würde nichts nützen, denn Edward Wilson leidet
nicht. Das tut fast noch mehr weh. Am Ende sind Geheimdienste
laut Film nur "Stiefelhalter für Könige".
Matt
Damon liebt Berlin, und Berlin liebt Damon. So viel steht fest.
"Nun wollen wir auch alle gute Hirten sein und aufhören
zu fotografieren", meint der Moderator der Pressekonferenz
Anatol Weber einleitend. Gute Hirten wollten zwar viele im vollgestopften
PK-Raum nicht sein, aber sie folgten ihm aufs Wort. "Wie
verbringen Sie ihre Zeit in Berlin?" will eine Journalistin
von Matt Damon wissen. "Wie ich meine...Moment, wir sind
in Berlin! Ich habe hier schon fünf Monate gelebt, ich
liebe die Stadt", bekennt er. Robert De Niro antwortet
weniger ausführlich, als ihm drei Fragen auf einmal gestellt
werden. Die letzte davon lautet: "Denken Sie, dass Martin
Scorsese jetzt endlich einen Oscar bekommt?" "Ich
hoffe es", sagt er und lässt den Journalisten im Regen
stehen. Natürlich fühlt er sich geehrt, hier zu sein
und mit seiner Regiearbeit im Wettbewerb zu landen. Eine Reporterin
bemerkt die Parallele zwischen schmutzigen Mafiosigeschäften
und trauter Familien- und Gemeinschaftsfeste. "Ich bin
froh, dass Sie in dem Film diese Rolle spielen", fügt
sie hinzu. "Ich auch", erwidert Damon lachend. "Was
ist die Hauptaussage des Films?" fragt ein Journalist Robert
De Niro. "Ich weiß nicht. Matt?" wendet er sich
hilfesuchend an seinen Filmhelden. Die gespannten Zuschauer
wissen längst, dass Matt Damon nur im Film mit Worten geizt.
"Wir malen das Bild, wir erklären es nicht. Wir versuchen,
einzubringen, was wir denken, aber wir können unmöglich
an alles denken, was die Zuschauer bei dem Film denken",
antwortet er. "Danke, Matt", kommt es aus De Niros
Ecke.
Im Film hat Martina Gedeck zwar nur vier Minuten, aber bei dem
minimalen Anfahrtsweg darf auch sie auf der Pressekonferenz
nicht fehlen. Was den Unterschied zwischen Filmedrehen in Amerika
und Deutschland macht, ist ihr Thema. "Man fühlt sich
frei am Set. Kein Zeitdruck, keine Technik. Du hast nicht dauernd
das Gefühl, etwas erreichen zu müssen. Es war Luxus,
den Prozess, in eine Szene reinzukommen, zu erleben. Der ganze
psychologische Kram des Regisseurs fiel weg. Ein Direktor, der
nicht kommentiert, ist einfach der Himmel." Und sie ergänzt:
"Es ist mehr Geld da, daher mehr Zeit. Dadurch herrscht
größere Gelassenheit. Film ist für die Amerikaner
ein hohes Kulturgut, das, was das Theater in Deutschland ist,
verkörpert in Amerika der Film. Man quatscht sich nicht
gegenseitig rein, jeder macht seine Arbeit." Was dachte
eigentlich Matt Damon, als er Martina Gedeck das erste Mal traf?
"Heute wird ein guter Tag."
Das Ende der Pressekonferenz wird so unvermittelt verkündet,
dass Fotografen und Presseleute nach vorne stürmen und
selbst die Absperrung dem Sturm nicht stand hält. Glücklich,
wer zu den Zweien gehörte, die ein Autogramm ergatterten,
da die Stars sofort im Hotel verschwanden. Erst am Abend am
roten Teppich konnten sich die hartnäckigen Fans freuen,
doch noch eine Unterschrift zu bekommen.
Die Fälscher
"Ich
hätte mich nie getraut, einen normalen KZ-Alltag zu verfilmen",
erklärt der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky
auf der Pressekonferenz. Gerade deshalb war er froh, den Stoff
für "Die Fälscher" gefunden zu haben. Adolf
Burger, heute 90 Jahre alt, hat die Geschichte erlebt, die er
erzählt. Gemeinsam mit anderen jüdischen Kleinkriminellen
wurde Burger 1942 im KZ Sachsenhausen in eine Fälscherwerkstatt
gesteckt, "Unternehmen Bernhard" war geboren. Alles
hing an dem Meisterfälscher Salomon Sorowitsch. Britische
Pfundnoten und amerikanische Dollars galt es, so nachzuahmen,
dass sie nicht von echtem Geld zu unterscheiden wären.
Damit sollte das Währungssystem der Kriegsgegner zunichte
gemacht werden. Obwohl die Fälscher das Projekt verzögerten
und der nachgeahmte Dollar erst sehr spät produziert wurde,
ging das Projekt Bernhard als größte Fälschungsaktion
in die Geschichte ein.
August Diehl spielt Adolf Burger, einen Widerstandskämpfer,
der innerhalb der Gruppe sabotiert. Er kam wegen seiner Flugblätter
ins KZ - jetzt soll er Geld machen, um einen Krieg mitzufinanzieren,
den er nicht will. "Wir sind Drucker, um die Wahrheit zu
verbreiten!" ist seine Meinung. Seine Prinzipien stoßen
auf den Ehrgeiz Salomons (hervorragend gespielt von Karl Markovics),
"den Dollar zu schaffen" und damit seinen Hals zu
retten. Sympathisch wirkt er auf den ersten Blick nicht, aber
das Ambivalente hat Sorowitschs Figur mit der von Burger gemeinsam.
Man ist hin- und hergerissen, auf wessen Seite man sich stellen
sollte oder überhaupt kann. Beide zeigen ihren Überlebenstrieb
auf unterschiedliche Art.
Neben dem Konflikt zwischen Burger und Sorowitsch lässt
der Film auch Raum für unterhaltsame Momente auf humoristische
Weise, denn den Häftlingen geht es gut. Sie machen Witze,
sie schlafen in weichen Betten, bekommen gutes Essen und als
besondere Überraschung eines Tages eine Tischtennisplatte
geschenkt, die sie im Hof aufstellen. Nebenan werden andere
Juden erschossen. Ihr SS-Mann (Devid Striesow) meint es gut
mit ihnen. Er weiß: "Wenn man Menschen wie Dreck
behandelt, werden sie keine Leistung bringen."
Es
hat den Anschein, als würde kein Film über den Zweiten
Weltkrieg mehr ohne komödiantische Züge auskommen.
Ruzowitzky bewegt sich auf sehr dünnem Eis, nicht zu sehr
in die Komödie abzurutschen. Der Zuschauer bleibt außen
vor und kann zwar mitlachen, aber trotz Tragik bleibt eine große
Distanz zwischen Leinwand und Publikum.
"Wie
es war, in einem KZ zu spielen? - Es war ein Filmset, ein Arbeitsplatz.
Nach dem anfänglich komischen Gefühl war es normal,
weil man ja immer einen konkreten Konflikt hatte. Nach Drehschluss
ging man nach Hause", kommentiert Karl Markovics die Drehzeit.
In seinen Augen sah sich Sorowitsch als Künstler. Einer,
der mit seiner Kunst die Welt verändern wollte. Burger
erinnert ihn daran. "Ich glaube, als Schauspieler ist es
hinderlich, darüber nachzudenken, dass man in einem KZ
spielt. Es geht um die nächsten Minuten und nicht ständig
um das Überthema", pflichtet August Diehl seinem Schauspielkollegen
bei. Jemanden zu spielen, der für seine Überzeugung
sterben würde, war für ihn ein Geschenk. "Das
wollte ich schon immer."

Panorama
Für
die Liebe mach ich alles
Itty
Bitty Titty Committee
Oh, mein
Gott. Diese Mädels sind wirklich nicht zu stoppen. Im Panorama-Beitrag
"Itty Bitty Titty Committee" geht es zur Sache. Die
18-jährige Anna trifft auf Sadie, die Anführerin der
feministischen Punkgruppe CIA (Clits in Action) ist. Gerade
von ihrer Freundin verlassen und gelangweilt von den Hochzeitsvorbereitungen
ihrer Schwester, begegnet Anna ihr sehr aufgeschlossen und verwandelt
sich schnell ebenfalls in eine kleine revolutionäre Punkerin,
die Frauen nicht auf ihre Brüste degradiert sehen will.
Das macht sich natürlich auch an ihrem Arbeitsplatz bemerkbar,
denn sie sitzt in der Anmeldung einer Klinik für Schönheitsoperationen
und rät potenziellen Kundinnen von nun an von chirurgischen
Eingriffen ab. Alles ist ihr Recht, und darüber hinaus
hat sie sich längst in Sadie verliebt. Die wiederum lebt
mit einer Feministin mittleren Alters zusammen und denkt nicht
daran, das Leben bei ihr aufzugeben. Wütend betrinkt sich
Anna und wacht am nächsten Morgen neben Aggie, einer CIA-Freundin
auf. Justament betritt Sadie die Wohnung. Doch sie ist nicht
mehr das graue Mäuschen von der Anmeldung, sie will ihre
Fehler wiedergutmachen und entschließt sich, gemeinsam
mit den CIA-Mädels die Botschaft der CIA in eine Live-Sendung
einzuspielen, Ernst zu machen. Rein zufällig sitzt die
alternde Feministenfreundin von Sadie gerade auf der Couch der
Moderatorin, als im Fernsehen zu lesen ist : "There are
enough dicks in the world". Ein Phallussymbol-Denkmal ist
mit einem Kondom überzogen und kippt um, zeigt der Bildschirm.
Wen wundert es da noch, dass am Schluss Sadie neben Anna im
Auto auftaucht und sie einander in den Armen liegen? Wenn auch
überzogen, aber sehr erfrischend, diese Komödie von
Jamie Babbit.
Home
Song Stories
"Dieser
Film hat mit einer wichtigen Zeit in meinem Leben zu tun",
kündigt der Regisseur von "Home song stories"
Tony Ayres an. Schön, das schon mal vor einem Film zu erfahren
und nicht erst hinterher. Man sieht den Film jetzt mit anderen
Augen. Joan Chen spielt darin die Hauptrolle, die seiner Mutter,
einer Shanghai-Nachtclubsängerin. 1964. Rose reist mit
ihrer Tochter May und ihrem Sohn Tom rastlos herum. Die Ehe
mit dem Australier Bill verschlägt sie nach Victoria. Doch
bald ist Bill zur See, und Rose findet in Joe ihre neue Liebe.
Kaum sind sie zusammengezogen, beginnt das Drama. Joe flieht,
so oft er kann und genießt die Gesellschaft von May. Krank
vor Eifersucht beschuldigt Rose ihre Tochter, ihr den Mann wegzunehmen.
May versucht, sich umzubringen. Auch Rose ist ihrer Verzweiflung
nicht mehr gewachsen und tut es ihr gleich. So liegen beide
im Krankenhaus, und May erfährt von der Jugendzeit ihrer
Mutter, lernt sie verstehen. Als Rose zu Hause erwähnt,
sie könnten wieder nach Shanghai gehen, wo sie sogar als
Nachtclubsängerin arbeiten könnte, beschimpft Tom
sie, sagt ihr, dass er sie hasst. "Ich mache alles wieder
gut", verspricht sie und erhängt sich. Traurig, doch
mit dem Wissen um die wahre Geschichte, um so berührender.
Tom erzählt die Geschichte aus seiner Perspektive. Regisseur
Tony Ayres: "Manchmal tut man bei einem Film immer mehr
von sich hinein, in diesem war es anders: Ich habe mich von
mir entfernt, die Distanz gesucht." Die Lebensgeschichte
seiner Mutter erfuhr er erst 30 Jahre nach ihrem Tod durch seine
Schwester in Vorbereitung auf den Film. Bruder und Schwester
haben nach dem Selbstmord nie mehr über ihre Mutter gesprochen.
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Von
Astrid Mathis
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Opium
fürs Volk?
Das
Jahr als meine Eltern im Urlaub waren
1970. Mauro
liebt Fußball, aber nur, wenn er selbst nicht spielen
muss. Lieber ist ihm Tischfußball. Es ist das Jahr der
Weltmeisterschaft, in dem Brasilien zum dritten Mal den Titel
holt. Mauros Eltern bringen ihn zu seinem Großvater, doch
der stirbt, und Mauro bleibt den Sommer über bei dessen
Nachbarn Shlomo, einem Juden. Die Augen des Jungen schreiben
diese Geschichte. Mauro kann nicht sehen, dass seine Eltern
aus politischen Gründen verschwinden, sie vor der Militärdiktatur
fliehen, die Rituale der Juden sind ihm fremd. Er fühlt
sich unwohl und will nur, dass seine Eltern ihn wieder abholen.
Je mehr Zeit verstreicht, um so mehr lernt er den Alten und
seine Gewohnheiten schätzen. Er spielt mit den Kindern
aus der Nachbarschaft und versteckt sich hinter einer Umkleidekabine,
um die Kurven seines heimlichen Schwarms zu betrachten. Pünktlich
zum Finale kehrt Mauros Mutter zurück. "Und Vater?"
fragt der Junge. "Er war zu spät."
Als "Opium
fürs Volk" bezeichnet der Regisseur des Wettbewerbbeitrags
Cao Hamburger den Fußball. Euphorische Begeisterung will
sich während des Films allerdings nicht einstellen. Hamburger
erzählt episodenhaft und chronologisch - und sehr langsam.
Damit nimmt er dem Ganzen die Spannung. Er zeigt, wie Eltern
verheimlichen, was im Land passiert und wie ihr Kind mit dieser
Heimlichtuerei umgeht. Opium? Dieser Film reißt nicht
mit. Trotz der Livemitschnitte des Weltklassespielers Pélé.
Der Mythos der neuen Frau Love `em and leave `em
City
Girls. Frauenbilder im Stummfilm
Als es darum ging, für die Retrospektive der Berlinale
Frauenbilder aus der Stummfilmzeit auszuwählen, stand es
von Anfang an fest: Louise Brooks muss dabei sein. Am Kinoeingang
verteilen schöne Frauen rosa Nagellack. Beigabe zum Frauenfilm?
Na ja. Das wäre nichts für Louise Brooks gewesen.
Ein Mann von Paramount betritt den Kinosaal. Er hatte Louise
Brooks persönlich gekannt und weiß, dass ihre Präsenz
auf der Leinwand von ihrer Tanzkunst herrührt. Im Alter
von 31 Jahren beendet die Schauspielerin ihre Karriere. Schade,
denn Louise Brooks bringt mehr Frische in den Saal, als es manch
zeitgenössischer Film tut.
Der Film wurde 1926 in den USA gedreht und basiert auf einem
Theaterstück von George Abbott. Angestaubt ist er keineswegs.
Allein der Einstieg! Anstatt des üblichen Berlinale-Trailers
erklingen kokette Klavierimprovisationen, die auf das Meisterstück
des Stummfilms einstimmen. Louise Brooks spielt das freche,
freizügige Mädchen Janie, das ihre Schwester Mame
(Evelyn Brent) erblassen lässt. Mame hilft ihrem Liebsten,
dem Schaufensterdekorateur Bill (Lawrence Gray), derweil Janie
dank einflussreicher Herren versucht, so schnell wie möglich
die Karriereleiter hinaufzusteigen. Sie ist ein richtiges Luder
und macht sogar dem Verlobten ihrer Schwester schöne Augen.
Der weiß wiederum Mames kreative Schaufensterideen nicht
zu schätzen und heimst vom Chef der Abteilung Lob ein,
das ihm nicht zusteht. Gegen Ende des Films ist auch sie wie
ihre Schwester eine Heldin, die sich nicht die Butter vom Brot
nehmen lässt. Als Bill ihr vom Maskenball in Robin-Hood-Strumpfhosen
zu Hilfe eilt, um einen Betrüger zu stellen, sagt sie zu
ihm: "Zieh du erst mal deine Hosen hoch. Mach dir um mich
keine Gedanken." Zum Schluss ertönt Vogelgezwitscher
vom Pianisten. Dass nach so viel Ironisierung auf die eingebildete
Männerwelt doch ein Happy End folgt, ist wohl den 20er
Jahren geschuldet. Mame verzeiht Bill. Janie hat sich schon
wieder den Nächsten geschnappt. Selten so gelacht.
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Erster Tag
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Berlinale 2007
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|
Von
Astrid Mathis
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Harmonisch,
harmonischer, Berlinale-Jury
Schnee in
Berlin, und die Berlinale beginnt. Unfassbar. Am späten
Donnerstagmorgen haben sich die Jurymitglieder aus ihren Hotelbetten
gequält, wohl wissend, dass sie nach der Präsentation
im Hyatt zum Mittagsschlaf ansetzen können. "La Vie
en Rose" läuft schließlich am Abend im Berlinalepalast
am Potsdamer Platz.
Sie machen einen schläfrigen, harmonischen Eindruck, wie
sie da sitzen, die Sieben, die am letzten Tag den besten Film
auswählen müssen. Bei ihren Antworten werden sie am
Ende immer ausgeschlafener. Am verschlafensten muss allerdings
zu Beginn der Moderator sein. "Bitte, auch in der 2. Reihe
hinsetzen, nicht mehr fotografieren", sagt er. Dabei sitzen
längst alle.
"Ich erwarte nicht viel Drama. Als ich 1987 das erste Mal
Jurymitglied war, haben wir uns angeschrieen und beschimpft.
Das wird nicht passieren", erinnert sich der Jurypräsident
Paul Schrader. "Und was erwarten Sie von Paul Schrader
als Jurypräsident? Sie kennen ihn als Regisseur",
geht die nächste Frage an Willem Dafoe. "Ich versuche,
nicht darüber nachzudenken." Er lacht und fügt
hinzu: "Paul ist einer der besten Köpfe, was das Filmemachen
angeht."
Für den Schauspieler Gael Garcia Bernal ist es das zweite
Jahr in Folge, in dem er die Berlinale besucht. Beim letzten
Mal präsentierte er den Film "Science of Sleep".
Doch von welcher Perspektive wird er die Filme in der Jury sehen
- als Schauspieler oder als Regisseur? will ein Journalist wissen.
"Aus der des Zuschauers", erwidert Bernal knapp. "Ich
sehe gern Filme, deshalb mache ich sie wohl auch so gerne."
Für Mario Adorf liegt der Fall ganz klar. Aus künstlerischer
Perspektive schaut er sich die Filme nicht an. Sie müssen
vor allem eines: "Mich fesseln, mich beeindrucken."
Am Ende hat jeder etwas gesagt und den Eindruck vermittelt,
dass diese Jury zwar nicht mit der Lebhaftigkeit der Jury aus
dem Jahr von Roland Emmerich und Franka Potente konkurrieren
kann, aber dass die Entscheidung über die Bären in
den richtigen Händen liegt.
Wozu bin
ich Edith Piaf?!
La
Vie en rose
Sie hatte
es schwer, die kleine Edith. Man mag gar nicht hinschauen, als
die wacklige Kamera auf das schmuddelige Kind hält, dessen
Mutter auf der Straße singt und sich betrinkt. Man will
auch nicht hinsehen, wenn Edith so viel trinkt, wie sie singt,
besser gesagt, nur singt, um sich Alkohol kaufen zu können.
Der Film erzählt nicht die Lebensgeschichte der berühmtesten
Chansonette Frankreichs nach, sie zeichnet das Porträt
Edith Piafs in den Augen des Regisseurs Olivier Dahan. Ein Erzählstrang
beginnt 1918 in Paris mit Edith als kleines Mädchen und
endet bei "Non, je ne regrette rien", ein anderer
zeigt den Weg von ihrem Zusammenbruch während eines Auftritts1959
in New York bis zu ihrem Tod.
Eine Zeitlang verbringt sie als Kind blind. Ausgerechnet in
einem Bordell erfährt sie so etwas wie Mutterliebe, die
ihr davor und danach verwehrt bleibt. Louis Leplee (Gerard Depardieu)
entdeckt sie eines Tages an einer Straßenecke und ist
die erste Stufe auf dem Weg zum Erfolg. Doch sie wird für
seinen Tod verantwortlich gemacht und rutscht erneut ab, bis
Raymond Asso (Marc Barbe) sie schließlich unter seine
Fittiche nimmt und sie wie Professor Higgins aus "My Fair
Lady" perfekte Artikulation und Ausdruck lehrt.
Die stärksten Momente des Films sind auch die emotionalsten.
Als Edith Piaf zum ersten Mal in einer Konzerthalle singt, hört
der Zuschauer kein Wort. Er sieht, wie sie die Lippen formt,
wie sie sich bewegt. Erst beim Applaus setzt der Ton ein. Und
dennoch ist es, als hätte man ihren eindringlichen Gesang
vernommen. Genauso stark berührt der Film das Publikum,
wenn die Sängerin vom Tod ihrer großen Liebe Marcel
Cerdan (Jean-Pierre Martins) erfährt und tonlos wird. Eine
Frau, die liebte und lebte bis zum Exzess und zudem eine Künstlerin
war, die ihresgleichen an charismatischer Ausstrahlung sucht,
wird in "La Vie en Rose" zum Leben erweckt. Durch
Marion Cotillard. Was wäre dieser Film ohne die Hauptdarstellerin
Marion Cotillard? Es ist ihr Verdienst, Edith Piaf zu erahnen,
sich ihr zumindest ein wenig anzunähern, denn wie lose
Fäden hängen die Episoden zusammen. Aufstieg und Fall
einer Künstlerpersönlichkeit sollen die aneinandergeketteten
Szenen erzählen und sind trotzdem nicht verbunden. Dadurch
verliert sich auch der Sog, den die Lebensgeschichte der Piaf
geradezu anbietet. Die 140 Minuten ziehen sich unnötig
in die Länge. Dabei hat der Regisseur viele wichtige Details
ausgelassen, zum Beispiel, dass sie drei Mal verheiratet war.
Nach diesem Film zu urteilen, gab es nur einen Mann in ihrem
Leben.
"Ich wollte keine Biographie drehen, sondern ein Porträt",
verteidigt der Regisseur des Films Olivier Dahan seine Herangehensweise.
"Ich wollte einen sehr persönlichen Film machen."
Die Initialzündung war für ihn ein Foto der Piaf im
Alter von 17 Jahren, auf dem sie "ein bisschen wie eine
Punkerin" aussah. Marion Cotillard ist auf der Pressekonferenz
nicht wiederzuerkennen. Erst hier wird klar, dass ihr die Rolle
in Fleisch und Blut übergegangen sein muss, um die Piaf
mit ihren Gesten, ihrer Sprechweise und ihren Eigenheiten derart
genau zu verkörpern. Und tatsächlich gesteht die Schauspielerin:
"Nach vier Monaten im Entenschritt musste ich das normale
Gehen erst wieder üben. Es dauerte eine Weile, bis ich
wieder ich war." Trotz der offensichtlichen Exzentrik der
Piaf könnte sie sich vorstellen, heute mit ihr befreundet
zu sein. Vor dem Film wusste die schöne Französin
nicht viel über die Künstlerin, die vielschichtige
Rolle gab ihr darin Unterricht. Eine 47-Jährige in ihrem
Sterbebett zu spielen, die aussieht und vom Leben gezeichnet
ist wie eine 70-Jährige, war trotz guter Recherchearbeit
das Schwerste für sie.
Marion Cotillard versprüht auf der Pressekonferenz so viel
Charme, dass ihre Schauspielkollegen kurzerhand von den Journalisten
ignoriert werden. Kaum vorstellbar, dass sie eben noch auf der
Leinwand krank und mit Strickzeug in der Hand zu sehen war.
Ein monotones Klappern reißt meine Aufmerksamkeit an sich.
Sei es die Liebe zur Piaf oder Koketterie: Wie ich mich umdrehe,
sehe ich eine Reihe hinter mir eine Frau mit Wolle. Sie strickt.
Nie wieder 15 sein
Tracey
Fragments
Tracey Berkowitz
ist 15 Jahre alt, und das muss wirklich schlimm sein. Nicht
einmal der Regisseur des Films möchte in ihrer Haut stecken.
Der Eröffnungsfilm der 22. Panoramareihe auf der Berlinale
bringt jeden im Saal dazu, nie wieder 15 sein zu wollen. Denn
Tracey Berkowitz (Ellen Page) hat viele Teenagerprobleme. Sie
hat flache Brüste, streitet sich ständig mit ihren
Eltern und verliebt sich in einen Typen namens Billie Zero,
der sie nach dem ersten Sex eiskalt aus dem Auto wirft. Zu guter
Letzt wird sie von einem fetten Mann verprügelt, der sich
eigentlich ihren Kumpel vorknöpfen will. Was diese Geschichte
in dem Film zu suchen hat, bleibt ein ungelöstes Rätsel.
Als wäre das noch nicht schlimm genug, lässt der Regisseur
Bruce Mc Donald diesen Film neun Monate schneiden. Ein besonderer
Film ist er ja unbestritten, aber die Mosaike und Bild-im-Bild-Perspektiven
sind so ungewohnt, dass der Film am letzten Berlinale-Tag nur
mit geschlossenen Lidern zu ertragen wäre. Sie tun weh.
Eine Montage, die nicht gerade Werbung für das Teenageralter
macht. Und vor allem eines nicht schafft: eine Geschichte zu
erzählen, die berührt.
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Nur die Besten
sterben jung
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Panorama-Dokumente
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Von
Astrid Mathis
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Der
rote Elvis
Dean Reed
wer war das gleich noch mal? Ach ja, dunkel erinnere
ich mich an meine DDR-Vergangenheit. Da gab es diesen Amerikaner,
der die DDR so toll fand, dass er hierherzog, um im Kessel Buntes
aufzutreten und unseren Glauben an den Sozialismus zu stärken.
Der Regisseur der Dokumentation Leopold Grün sagt keinem
was. Nicht mal Knut Elstermann kennt ihn. Nur eines weiß
der ganz sicher: den Film über Tamara Danz wird er sich
nicht ansehen. Der soll schlecht sein.
Doch
zunächst flimmert Dean Reed über die Leinwand. Rock`n´Roll,
in der Hand die Gitarre, auf den Bänken FDJler. Reed ist
Friedenskämpfer. Wenig später reitet er im Wilden
Westen, und gleich darauf hält er eine Kalaschnikow im
Arm. Er gehörte zu denen, die dachten, mit Terrorismus
würde man etwas erreichen und das sei sogar mit dem Gedanken
des Sozialismus vereinbar, erzählt seine erste Frau Wiebke
Reed. Seine zweite Frau Renate Blume-Reed erzählt nichts.
Aber wo auch immer der Regisseur die langjährige Geliebte
des Sängers und Schauspielers ausfindig gemacht hat, Hut
ab! Sie weiß wohl am ehesten, wie hin und hergerissen
Reed sich fühlte zwischen seiner Amerikanerseele und der
sinkenden Hoffnung, die DDR müsste den Traum vom wahren
Sozialismus leben, nicht bloß träumen. Er ertrank
in einem Berliner See nach einem Streit mit seiner Frau. Seinen
Ruhm hatte er beim DDR-Publikum schon eingebüßt,
da verstand er längst die Welt nicht mehr. Im Auto soll
ein 10-seitiger Abschiedsbrief gelegen haben, den die STASI
in Beschlag nahm. Er ist nie wieder aufgetaucht. Sein Tod bleibt
ein Rätsel. Gute Recherche. Leopold Grün wird man
sich merken müssen.
Dean Reed ist einem näher gekommen. Ganz nah hatte eine
Zuschauerin mit ihm zu tun. Es war ein paar Wochen, bevor er
starb. Er sah sich in Babelsberg alle seine Filme an, Tag für
Tag. Und jede Stunde telefonierte er mit seiner Frau Renate
Blume-Reed, sagte "Ich liebe dich" und legte auf.
Die Frau, die das hörte, wollte es ihm gleich tun und rief
ihren Mann an, um ihm ebenfalls eine Liebeserklärung per
Telefon zu machen. Doch der erwiderte: "Biste verrückt
geworden?" Heute kann sie darüber lachen.
Tamara
Der Titel
stimmt nicht. So viel steht fest. Und alles Unken hatte seine
Berechtigung. Das ist kein Film über Tamara Danz, der auch
nur annähernd etwas von ihr als Künstlerin aufflackern
lässt. Jedenfalls nicht, was man von einer Dokumentation
erwartet, die "Tamara" heißt. Sie gilt schließlich
als die ostdeutsche Janis Joplin, sie hat DDR-Rockgeschichte
geschrieben. Uwe (Haßbecker) und Ritchie (Barton)
die zwei Männer aus ihrer Band sind auch die Männer
in ihrem Leben von Silly. Sie stehen zu sehr im Mittelpunkt,
selbst wenn ihre Geschichte interessiert und ihre Gefühle
mit Tamara zu tun haben. Ja, wie sie aus dem nichttauglichen
Haarfestiger und Trockenshampoo eine Mischung zaubert, die einmalige
Frisuren schafft, ist eine nette Anekdote, reicht aber nicht,
um dem Zuschauer einen Eindruck von Tamara Danz zu vermitteln.
Ebenso wenig die Nahaufnahmen der Sängerin und Videoaufzeichnungen
der Konzerte.
In der Seelower Straße wohnte sie. Hier kam Ritchie dem
turtelnden Paar auf die Spur. Danach findet er sich irgendwann
mit der neuen Situation ab. Am Ende geht alles sehr schnell.
Sie verliert den Kampf gegen den Krebs. Der Aufbau der
Dokumentation wirkt zerfahren, um nicht zu sagen: unglücklich.
Wenigstens wissen wir jetzt, warum Silly gerade mit Anna Loos
auf Tour geht, obwohl zu Silly doch eigentlich nur Tamara Danz
gehören kann. Sie hat es sich gewünscht. Sie hat gesagt:
"Jungs, ihr müsst mit Silly weitermachen."
Wohlbemerkt:
Der Name des Regisseurs ist vielen bekannt (Peter Kahane), doch
da sieht man es wieder: Ein namhafter Regisseur muss nicht für
einen guten Film stehen. Aus dem Material ließe sich mit
einem anderen Aufbau allerdings noch eine wirklich gute Dokumentation
machen. Vielleicht sollte das Leopold Grün übernehmen.
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Wie man Clint Eastwood
trifft
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Pressekonferenz, Dienstag
30. Januar '07
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|
Von
Astrid Mathis
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Es ist nicht so einfach, wie man
vielleicht denken mag. Nicht einmal für den Berlinale-Chef
Dieter Kosslick. Und doch ist es ihm gelungen, Clint Eastwood
die Hand zu schütteln. Wie, das erfuhren die Journalisten
auf der Pressekonferenz zu den 57. Internationalen Filmfestspielen
am Dienstagvormittag. Das war auch alles, was hier interessierte:
die Anekdoten, denn das Programm hat längst per Mail die
Runde gemacht.
Dieter Kosslick hatte sich im Warner
Filmstudio "The good German" angesehen, als das Licht
anging und er seinen Freund Chip von Dreamworks zu erkennen
glaubte. Erst im Näherkommen bemerkte er, dass im T-Shirt
Clint Eastwood steckte. "I´m Dieter from the Berlin
Film Festival", begrüßte ihn Kosslick, keine
Spur verlegen. "Don´t stopp pushing me", erklärte
der. "Das hab ich gemacht, und jetzt kommt er", so
Kosslick. Nachdem der Hollywoodstar ihm bei "Million Dollar
Baby" entwischt war, freut sich der Berlinale-Chef nun
um so mehr über die Zusage.
Um eines gleich vorwegzunehmen, sein
"Freund Georg" (George Clooney) kommt nicht, weil
er gerade dreht. Dafür beehrt Cate Blanchett den roten
Teppich in Berlin zum inzwischen 4. Mal. Jennifer Lopez, Lauren
Bacall, Judi Dench, Sharon Stone, Matt Damon, Antonio Banderas
und wie sie alle heißen haben zugesagt.
Anlass genug für Dieter Kosslick zu behaupten: "Es
ist genug Starpower in der Stadt." Warum die Filme dieses
Jahr so spät wie nie bekannt gegeben wurden, lässt
sich für ihn leicht beantworten: "5.000 Bewerbungen.
400 Filme haben wir ausgewählt. Und wir leben in Deutschland,
das heißt, Eingangsstempel, Filmlagerstempel usw. Das
dauert seine Zeit. Davon abgesehen, jeder von den 5.000 Bewerbern
meldet sich einmal am Tag. Dazu noch die E-Mails." Man
kann sich ein Bild davon machen.
Wie jedes Jahr gibt es auch auf der
Berlinale 2007 einige Neuerungen. Das Kinderfilmfest heißt
jetzt "Generation". Für das beste Erstlingswerk
eines Regisseurs warten statt 25.000 wie im letzten Jahr 50.000
Euro auf den Gewinner. Essen und Kino gehören neuerdings
zusammen. Eine Gossip Station für offiziellen Klatsch und
Tratsch ist eingerichtet. Die Liste lässt sich fortsetzen.
Auffällig ist in diesem Jahr vor allem, dass so viel französische
Filme laufen, Deutschland jedoch nur zwei in den Wettbewerb
schickt. Auch darauf weiß Dieter Kosslick sofort eine
Antwort: "Ich bin vor kurzem zum Ehrenlegionär geschlagen
geworden, das stand da so drin." Nein, Fakt ist für
ihn, dass sich die Deutschen profiliert und deutsche Schauspieler
ihren Weg in zahlreiche internationale Produktionen gefunden
haben. Da fiel die Wahl leicht auf den Eröffnungsfilm "La
vie en Rose", weil er ein Film zum Mitsingen sei.
Das Ende der Pressekonferenz ist
eingeläutet, als Kosslick verkündet: "Schließt
die Türen. Ich muss die Sponsoren noch nennen." Dann
steht er auf, definiert die Farbe seines Anzugs als "Schlamm",
die seines Schals als "Malve" (sprich: mo:f) und beginnt
Schokolade an die Fotografen zu verteilen. "Nach Berlinale"
schmeckt sie, verrät eine Fotografin. Zuletzt ein Rat vom
Berlinale-Chef: "Tauschen Sie Ihre Tasche. Die vom letzten
Jahr riecht immer noch."
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