Kaufland Werder

Entdeckung an einem jungen Personal
Von Mathias Deinert

Des Morgens nüchterner Anfang. Kaufland Werder.

Eine Frau, kühl zwischen Kohl und Rüben. Kühl besehn. Sie schichtet Paletten, ordnet Gemüse. Es ist die 630-Mark-Angestellte Jenny. Plötzlich reißt eine knifflige Frage das Fräulein aus ihrer angespannten Ruhe. "Entschuldigung, haben Sie keine Avocados? Ich hab mich hier schon überall umgesehen."

Der Fragesteller, mittelgroß, mittelblond, mittelständisch: Ich. Doch das Gemüsefräulein schweigt. Ihr geistloser Blick verrät: Ganz tief in ihrem Innern ahnt sie, diesen Namen schon einmal gehört zu haben. "Awokados, Awokados… ham Sie schon ma' bei'n Obst jekuckt?"

"Avocados sind Gemüse!" klugscheiße ich schlagfertig.

"Ah, ja klar!" sieht sie ein. "Awokados, Awokados… wie sehn denn die jleich noch ma' aus, die Dinger?" Unter honigblonden Löckchen blinzeln mir zwei pflaumenblaue Augen entgegen.

"Faustgroß und dunkelgrün."

Die junge Jenny ist ratlos. "Michaaaaa," hallt es über Petersilie und Melonen hinweg, "wo ham wir'n Awokados?" Noch nie scheint jemand mit solch exotischen Gemüsewünschen im Kaufland Werder aufgetaucht zu sein!

Micha, eben noch über Apfelpaletten gebeugt, stapft zu uns 'rüber und schaltet sich ein: "Na, Kleene, wat willste? Awokados? Wie sehn die jleich noch ma' aus, die Dinger?"

"Faustjroß und dunkeljrün, sacht er."

Micha hält einen Augenblick inne. Micha denkt. Dann platzt es aus ihm heraus: "Mein'n Sie vielleicht Mangos?"

Ich lächle wie jemand, der sich schon nach Alternativgemüse umsieht. "Nein nein, gewiss keine Mangos."

Fast unmerklich tätschelt Michas Hand Jennys unappetitlichen Bratapfelpo. "Ey, Schnecke, jeh doch ma' in'n Ruheraum kucken, da sitzt die Leiterin." Und mir erklärt er: "Warten Sie mal 'n kleen' Aug'nblick, wir holn ma' Vastärkung."

Inzwischen hat sich bereits eine kleine Traube interessierter Gemüsekäufer um uns gebildet. "Was wollen Sie denn nur kaufen?" flüstert man mir zu. Und ich nenne jenen exotischen Namen, der tiefe Ratlosigkeit in allen Gesichtern zurücklässt.

Türen schlagen auf: Dann erscheint die grünschürzige Gemüseleiterin. Inzwischen sind bereits einige Rentner verärgert, die mit ihren Körben nicht mehr an Micha, einigen Gaffern, Palettenwagen und mir vorbeikommen. Schließlich entschuldigt sich die Leiterin wortreich bei allen dafür, was doch nur mich anginge; und nachdem sie bei den Mangos schauen war, fügt sie hinzu: "Avocados haben wir nicht mehr. Die sind nur zeitweise vorrätig." Zähneknirschend ergebe ich mich in mein Schicksal und schiebe weiter.

Nächster Punkt auf meiner Liste: Fahrradschlösser. Herr des Himmels, wohin nur haben sie die sortiert! Ich entschließe mich zu fragen. Natürlich weder Micha noch Jenny ("Ey, Micha, Fahrradschlössa, wie seh'n die'n jleich noch ma' aus?"), sondern die Gemüseleiterin. "Ja ja, da sind Sie bei mir an der richtigen Adresse, das gehört zu meinem Bereich."

Na bitte!

Sie geleitet mich zum Spielzeug. Ich stutze. Sie sucht. "Tja…" (ich ahne es schon) "also… wir haben keine mehr." Will man es fassen! Erst kein Gemüse, nun keine Fahrradschlösser! "Mit den Schlössern ist es wie mit den Avocados und den Funkweckern," klärt sie mich auf. "Die haben wir nur zeitweise im Angebot. Da müssen Sie eben mal öfters kucken kommen."

Liebes Kaufland Werder,
bitte schulen Sie ihr Personal, oder ich kaufe dort nicht mehr ein!

© POTZDAM 2001 - Mathias Deinert