Des Morgens nüchterner
Anfang. Kaufland Werder.
Eine Frau, kühl zwischen Kohl und Rüben.
Kühl besehn. Sie schichtet Paletten, ordnet Gemüse.
Es ist die 630-Mark-Angestellte Jenny. Plötzlich reißt
eine knifflige Frage das Fräulein aus ihrer angespannten
Ruhe. "Entschuldigung, haben Sie keine Avocados? Ich hab
mich hier schon überall umgesehen."
Der Fragesteller, mittelgroß, mittelblond,
mittelständisch: Ich. Doch das Gemüsefräulein
schweigt. Ihr geistloser Blick verrät: Ganz tief in ihrem
Innern ahnt sie, diesen Namen schon einmal gehört zu haben.
"Awokados, Awokados
ham Sie schon ma' bei'n Obst
jekuckt?"
"Avocados sind Gemüse!" klugscheiße
ich schlagfertig.
"Ah, ja klar!" sieht sie ein.
"Awokados, Awokados
wie sehn denn die jleich noch
ma' aus, die Dinger?" Unter honigblonden Löckchen
blinzeln mir zwei pflaumenblaue Augen entgegen.
"Faustgroß und dunkelgrün."
Die junge Jenny ist ratlos. "Michaaaaa,"
hallt es über Petersilie und Melonen hinweg, "wo ham
wir'n Awokados?" Noch nie scheint jemand mit solch exotischen
Gemüsewünschen im Kaufland Werder aufgetaucht zu sein!
Micha, eben noch über Apfelpaletten
gebeugt, stapft zu uns 'rüber und schaltet sich ein: "Na,
Kleene, wat willste? Awokados? Wie sehn die jleich noch ma'
aus, die Dinger?"
"Faustjroß und dunkeljrün,
sacht er."
Micha hält einen Augenblick inne. Micha
denkt. Dann platzt es aus ihm heraus: "Mein'n Sie vielleicht
Mangos?"
Ich lächle wie jemand, der sich schon
nach Alternativgemüse umsieht. "Nein nein, gewiss
keine Mangos."
Fast unmerklich tätschelt Michas Hand
Jennys unappetitlichen Bratapfelpo. "Ey, Schnecke, jeh
doch ma' in'n Ruheraum kucken, da sitzt die Leiterin."
Und mir erklärt er: "Warten Sie mal 'n kleen' Aug'nblick,
wir holn ma' Vastärkung."
Inzwischen hat sich bereits eine kleine
Traube interessierter Gemüsekäufer um uns gebildet.
"Was wollen Sie denn nur kaufen?" flüstert man
mir zu. Und ich nenne jenen exotischen Namen, der tiefe Ratlosigkeit
in allen Gesichtern zurücklässt.
Türen schlagen auf: Dann erscheint
die grünschürzige Gemüseleiterin. Inzwischen
sind bereits einige Rentner verärgert, die mit ihren Körben
nicht mehr an Micha, einigen Gaffern, Palettenwagen und mir
vorbeikommen. Schließlich entschuldigt sich die Leiterin
wortreich bei allen dafür, was doch nur mich anginge; und
nachdem sie bei den Mangos schauen war, fügt sie hinzu:
"Avocados haben wir nicht mehr. Die sind nur zeitweise
vorrätig." Zähneknirschend ergebe ich mich in
mein Schicksal und schiebe weiter.
Nächster Punkt auf meiner Liste: Fahrradschlösser.
Herr des Himmels, wohin nur haben sie die sortiert! Ich entschließe
mich zu fragen. Natürlich weder Micha noch Jenny ("Ey,
Micha, Fahrradschlössa, wie seh'n die'n jleich noch ma'
aus?"), sondern die Gemüseleiterin. "Ja ja, da
sind Sie bei mir an der richtigen Adresse, das gehört zu
meinem Bereich."
Na bitte!
Sie geleitet mich zum Spielzeug. Ich stutze.
Sie sucht. "Tja
" (ich ahne es schon) "also
wir haben keine mehr." Will man es fassen! Erst kein Gemüse,
nun keine Fahrradschlösser! "Mit den Schlössern
ist es wie mit den Avocados und den Funkweckern," klärt
sie mich auf. "Die haben wir nur zeitweise im Angebot.
Da müssen Sie eben mal öfters kucken kommen."
Liebes Kaufland Werder,
bitte schulen Sie ihr Personal, oder ich kaufe dort nicht mehr
ein!
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