Wenn die gesundheitlich unausgeglicheneren
Seelen unter den Menschen wieder einmal der Schlaflosigkeit
anheimfallen, könnte es ihnen unter Umständen in den
Sinn kommen, sich in den Schlaf fernzusehen. Zeit, einmal zu
dokumentieren, was diesen Geschöpfen von unseren Fernsehanstalten
zur Schlafenszeit geboten wird.
Also bewegen sich meine Finger zur Fernbedienung
und schalten wahllos ein paar Sender durch. Station Nummer eins
ist das Erste. Dort bekommen meine Augen einen 70er-Jahre Kriegsfilm
zu sehen. Na klar, gegen das Vergessen muss vorgegangen werden,
und wer eignet sich besser dafür als die ARD? Ganze fünf
Minuten halte ich das aus, dann nervt mich ein Dialog. Inhalt:
Sind Verluste notwendig, um einen Krieg zu gewinnen? Ende des
Ganzen: Eine Nein-Doch Diskussion. Das kann ich mir auch tagsüber
im Kindergarten anschauen. Also weiterschalten.
Sat 1 ist der nächste Sender. Ein
schlecht synchronisierter amerikanischer Film, der zu allem
Überfluß so aussieht, als würde vor der Kamera
ein Sandsturm toben. Ein paar Minuten inhaltsloses Gequassel
zwischen zwei großbrüstigen, vollgeschminkten Damen
Mitte Dreißig. Ich schaue im Videotext nach. Aha. Ein
Erotikthriller. Stöhnen bis an den Rand des Erstickens
und dann abschlachten. Würg.
Da mich das Ganze an RTL 2 erinnert, ist
dies meine nächste Wahl. Aber statt dem dort üblichen
Nachtprogramm gibt es eine Wiederholung vom Vortag. Conan der
Barbar ist dran. Arnold Schwarzenegger schaut bedeutungsschwanger
in die Kamera, oder nein, der guckt wahrscheinlich immer so.
Im Augenblick hypnotisiert er gerade die Reinkarnation von Kublai
Khan. Erst denke ich, die beiden gehen gleich mit ihren Brotmessern
aufeinander los. Dann aber fängt der Arnold an zu sprechen,
und es wird klar: Er und der Mongole gehören wohl zusammen.
Da aber Fantasy besser gelesen als gesehen wird (man denke nur
an die Zeichentrick-Version des Herrn der Ringe, brrrr!), schalte
ich zu etwas Ernsterem weiter.
N-TV. Mir ist es nach etwas Information
zumute. Fast erwarte ich, vom nächsten Selbstmordanschlag
eines irren Hamas-Aktivisten zu hören, doch nein: Es läuft
das N-TV-Quiz. Thema ist Afghanistan. Der Anrufer darf sich
Entscheidungsfragen stellen lassen. Nummer eins: In Afghanistan
ist Mädchen die Schulbildung untersagt, wahr oder falsch.
Der Anrufer weiß es. Das ist wahr. Bravo. Nächste
Behauptung: Afghanistan war eine Kolonie der USA. Hilfe. Natürlich
falsch. Wieder gewußt, wieder bravo. Irgendwie sind Quizsendungen
blöd. Und weil die Quote bei einem Nachrichtenquiz wahrscheinlich
sowieso im Keller ist, kommt es zu so einer nachtschlafenen
Zeit. Irgendwie auch nicht das Richtige.
Schließlich lande ich beim DSF. Zwei
starke Männer sägen um die Wette an einem Baumstamm
herum, dazu brüllt ein Moderator mit leicht amerikanischem
Akzent. Szenenwechsel. Wieder zwei Männer. Sie schlagen
eine Kerbe in einen stehenden Baumstamm, stecken ein Brett dort
hinein, stellen sich drauf, schlagen wieder eine Kerbe in den
Baumstamm, stecken wieder ein Brett hinein, stellen sich da
drauf und schlagen die Spitze des Baumstamms ab. Dazu brüllt
der Moderator was von "Super-Zeit". Ich bin beim Lumberjack
gelandet, einer Art Weltmeisterschaft für Holzfäller.
Offenbar geht es darum, einen Baum auf zehn verschiedene Arten
kurz und klein zu hacken, und zwar möglichst schnell. Ist
mir irgendwie zu hektisch für diese Uhrzeit.
Schon reichlich frustriert, tippen meine Finger eine seltene
Kombination in die Fernbedienung. Hoppla. "TM3 Live!"
zeigt ein Emblem in der linken oberen Ecke des Bildschirms.
Ich bin interessiert. In Livesendungen passiert immer so viel
Ungeplantes. Links unten entdecken meine inzwischen etwas müden
Augen noch etwas. Dort steht "La Notte". Welche Sprache
ist das eigentlich? Französich isses nich, Spanisch isses
nich. Hm. Noch überraschter bin ich von der Moderatorin.
Das ist Ex-BB-Schlampe Alida. Na die hat ja Karriere gemacht,
denke ich, bis sie ankündigt, mit einem Anrufer einen "Quickie"
zu spielen. Peinlich berührtes Schlucken meinerseits.
Es stellt sich heraus, dass es sich dabei
um eine "A oder B"-Quizfrage handelt. Schon wieder
ein Quiz, bääh. Aber statt um Afghanistan geht es
diesmal um "Deutschlands größte Erotikmesse".
"Findet die A) in Köln oder B) in New York statt?"
- dabei muss sogar Fräulein Containerküken lachen.
Oh je, ist das blöd. Anruferin Traudel aus München
weiß, dass es Köln ist, und gewinnt zweihundert Mark.
Wofür geht der Mensch eigentlich noch arbeiten?
Der eigentliche Höhepunkt der Sendung
ist allerdings ein Spiel namens "Chickenpoppen". Dabei
muss der bemitleidenswerte Anrufer ein Hähnchen in Moorhuhnoptik
mit Links-Rechts-Kommandos steuern. Trifft er auf ein Hühnchen,
gilt es, die Silbe "Popp" so schnell wie möglich
zu wiederholen. Untermalt wird das ganze durch Darstellung einer
Kopulation zwischen dem Hähnchen und dem Opfer, wie sie
sich ein Zwölfjähriger wohl vorstellen dürfte.
Und dafür gibt es Punkte, will sagen, bares Geld. Angesichts
dieser enthirnten Weise des sogenannten Entertainments ist mir
nach Schreien-und-dabei-im-Dreieck-hüpfen zumute.
Eine Hoffnung habe ich noch. EUROSPORT,
Leichtathletik-WM in Edmonton. Ich bin kein großer Sportfreak,
aber die Kommentatoren (Sigi Heinrich und Dirk Thiele seien
an dieser Stelle mal lobend erwähnt) verstehen es tatsächlich,
mir das allgemeine Rennen, Schmeißen und Hüpfen näherzubringen,
und das um drei Uhr nachts. Mehr noch, das gegenseitige Sticheln
("Du taugst als Hutmodel mit dem Ding auf dem Kopf, den
müßten Sie mal sehen") lockert die Pausen ziwschen
den Wettkämpfen ganz gut auf. DAS ist Entertainment, meine
Damen und Herren von den Privaten, und nicht mal ausgedachtes.
Das passiert wirklich.
|