»Was haben Sie dabei gedacht?«
Weiber im SPIEGEL
Von M. Gänsel

Sommermontag, vormittags, ziemlich heiß. Bisschen schwitzig, um Alexa von Henning-Lange zu zitieren. Kaffee Latte, natürlich. Scharf auf Nachrichten. Also der SPIEGEL, kontrovers, bunt, blätterfreudig. Los. Es ist die Nummer 32/2001, aber hey, egal.

Im Deutschland-Ressort geht die Braue zum ersten Mal ein wenig nach oben. Ein Beitrag zur sexuellen Belästigung in der Bundeswehr. Hmmm... Sind ja jetzt so viele Frauen da, klar. Harte Truppe, starker Spruch mal zwischendurch. Leider wird viel zu wenig zitiert, an Fotos von tarnanzügigen Männerpranken auf zarten Soldatinnen-Hintern nicht zu denken. Mist. Braue wieder runter. Schlapper Artikel, kommt gar nix... Stattdessen ein Sorgentelefon. Weiß zwar keine die Nummer (030 / 72 61 60-239), kann man ja auch nix machen, also... Hmpf.

So ca. zehn Seiten später schnellen beide Brauen nach oben. Atmung schneller, leichter Schweißfilm auf den Händen. Ressort Gesellschaft, yeah, das lässt selten im Stich. Foto: Scharping, Rudolf neben Rudolph, Alexandra. Lesen Sie ruhig noch mal: Zwei mal derselbe Name, einmal hinten, einmal vorne. Hui. Rumruckeln auf dem Stuhl, bequemere Sitzposition einnehmen. Er in hautfarbenem Schlips und Kragen, sie in lustig getarnter BW-Kluft. Beide strahlen sich an. Scharping hält mackermäßig Glas und Kippe, Rudolph besticht mit im Schoß verschränkten Händen. Jaaaaa, das wird gut. Knopf auf.

Daneben: "Was haben Sie da gedacht, Frau Rudolph? Die Offiziersanwärterin Alexandra Rudolph, 19, über ihr Rendezvous mit Rudolf Scharping". RENDEZVOUS. Synapsen schießen kleine Feuerwerke. Die Kleine hat ganz rote Backen, so aufgeregt ist sie. Scharping stört ein bisschen, vielleicht kann man den abdecken, höhö. Die Alexandra hat genau zum Richtigen gegriffen: Fesche, leider Brustumfang-Maßnehmen-verhindernde Bundeswehr-Joppe plus rotes, schnuckelig übers Öhrchen kiebitzendes Mützchen. Heißt das Barett? Ah, das ist doch auch so was von egal, sie sieht ganz ganz reizend aus... oh ja...

Daneben steht, was die Kleine gedacht hat. Krmpf... Erst lesen oder ...? Wenn sie Scheiß erzählt, wär's sehr sehr schade... noch mehr Knöppe auf. No risk no fun. "Auch wenn es nicht danach aussieht: Ich wollte weg, bloß weg," überrascht die Süße nicht im geringsten. Wer wollte nicht weg? Weg von Rudolf? Ist doch kein Kerl, der Schluffi. Nicht mal Uniform hat der an. Jaaaa, da müssen schon andere kommen. Alexandra ist in Ordnung. Feines Mädchen...

Sie meint es aber noch schöner, denn die beiden Turteltäubchen saßen während ihres Rendezvous' "direkt vorm Lagerfeuer, es war entsetzlich heiß, meine Wangen glühten, und ich wollte nur noch aus diesem dicken Bundeswehr-Parka raus." Jaaa, jetzt kommt sie zur Sache! Ihre Wangen glühten. Und so heiß war's. Ach. Und der dicke, dicke... Parka. Oh. Ja.

Rasend vor Geilheit liest man weiter - und nix. Was so schön begann, endet jäh in strunzlangweiligen Banalitäten. Seit drei Wochen ist Alex dabei, die "Kameraden" hatten sich verdünnisiert, eigentlich wollte sie nicht aufs Foto, aber der Fotograf... bah. Mist. Nicht mal Brüderschaft haben die getrunken?! Kann mir keiner erzählen, die besten Bilder haben wir wieder nicht gesehen, DIE hat jemand anders. Scheiße. Knopf zu. Durchgeschwitzt - für nix. Schlage vor: Flucht nach vorn!

1) Hübscheste-Offiziersanwärterin-2001-Contest
2) Modische, figurbetonte Uniformen (drei Seiten Foto-Strecke!)
3) Hintergrund-Geschichten, also so privat und so, bisschen intimer
4) Wortspiele mit Scharping und scharf und Rudolf und Wolf usw.
5) "Anpirschen" im Wald, "Maschinengewehr"-Zusammenbau und "Orientieren" im freien Gelände

Damit dürfte der Hammerkolben in Zukunft nicht mehr auf halber Strecke zusammensacken, SPIEGEL, wir wollen mehr!

© POTZDAM 2001 - M. Gänsel