Vaginamonologe
Die Kunst, subversiv zu sein
Von P. Brückner

"Ich gehe in die Vaginamonologe!" Immer, wenn ich das in den letzten drei Wochen sagte, schaute mich ein Großteil meiner Freunde und Bekannten an, als hätte ich gesagt, "ich raube jetzt eine Bank aus" oder "ich kanidiere demnächst als Bundeskanzler." Da mir das aber scheinbar niemand zutraut, fragten dann immer alle, was denn bitte Vaginamonologe sind. Ich sagte dann immer "Ja, da hat eine Amerikanerin Frauen über ihre Vagina interviewt und daraus wird gelesen und in den USA ist das immer ein Happening und da gehen so Leute wie Winona Ryder oder Claire Danes in rosa Kleidern hin und das wird bestimmt total subversiv und lustig." Aber so richtig wusste ich auch nicht, was da wohl dialogisiert werden würde.

Also nix wie hin. Und richtig, alles fing schon beim Einlass mit einem unglaublich rebellischen Akt an. Circa 200 Menschen standen ordentlich geschlängelt in Zweierreihe herum, um ohne zu schubsen und zu drängeln in die Arena in Treptow zu kommen. Na ja, leider nur fast alle. Da versuchten doch tatsächlich drei Teenager, sich unter Umgehung der Reihe einfach so vor- und rein zudrängeln. Zum Glück gab es da aber das altachtundsechziger Ehepaar vor mir, er die Krawatte revolutionär nur lose um den Hemdkragen, sie im provokantem "Zicke"-Shirt, das diesen Vordränglern aber Bescheid sagte. "95 Prozent aller Leute hier stellen sich ordentlich an, nur ihr könnt das wohl nicht!" Als ich meinem Blick schweifen ließ, verstand ich auch, was der vor mir meinte, denn 95 Prozent in der Schlange waren Altrevolutionäre, die bereit waren, die Wiedergeburt der sexuellen Revolution zu feiern. Nach soviel Revolution schon im Vorfeld war ich froh, durch die Tür zu sein. Endlich drin und nun los!

Ging es dann auch gleich. Die Vagina, nein, die Lüftungsklappen im Dach schlossen sich und es wurde heiß und feucht und rosa. Vier Frauen stürzten auf die Bühne, plus Ulrike Folkerts, der Gaststar des Tages, die ihnen nachschlich. Ulrike hatte auch erst mal nichts zu tun und wurde auf einer Schaukel platziert, die von der Decke hing. Die anderen vier sprangen fröhlich über die Bühne und versuchte dem Publikum beizubringen, dass es in diesem Stück um Vaginas gehen sollte, ein Fakt, der mich sehr überraschte, an so was denkt man ja nicht beim Titel "Vaginamonologe". Auffällig war das Bemühen der Akteurinnen, es allen Recht zu machen. Meine Frage an die Regie: wenn Texte auf Deutsch gesprochen werden, kann der Sinn des anschließenden Proklamieren des selben Textes, diesmal auf Englisch, doch nur den Sinn haben, irgendein intellektuelles Ego zu steigern?

Ach ja, die Texte. Die waren so zwischen aufklärerisch bis "es wäre schön, wenn ihr wenigstens schockiert tun würdet." Vaginas aller Länder vereinigt euch, war die Message des Abends. Ja, wirklich alle sind gemeint. Die, die Singles sind, und die, die in Beziehungen leben. Mit denen sollten sich auch die schwarzen und asiatischen Pussis und sogar die jüdischen vereinigen. Leider wurde nicht geklärt, in was für Beziehungen die wohl leben.

Ein wenig baff musste ich zur Kenntnis nehmen, dass es hier nicht um Lust ging, sondern nur über das Reden darüber, deshalb wurde es auch nicht so richtig lustig. Zugegeben, der (Alb)Traum einer Protagonistin, die während eines Rendezvous mit Götz George alles überflutet und kleine Schiffe und Fische aus ihrer Vagina plätschern lässt, ist schon witzig anzuhören. Aber wie subversiv ist ein Bild, das zu Zeiten Aristoteles' schon alt war?

Jedenfalls wurden munter die Probleme der weißen amerikanischen Mittelstandshausfrau herunter gebetet. Frauen erkennt euch selbst, indem ihr eure Vaginen erkennt. Denkt nicht, es seien schwarze Löcher, nein: Eine Vagina hat Schichten, wie eine Frau halt auch, und ein toller Mann ist der, der das erkennt. Passend dazu gab es die Geschichte vom Vaginenflüsterer. Eine Frau die sich selbst erkennt, weil einer ihrer Lover immer zu ihr sagt, er möchte sie sehen und erkennen. Sie versteht erst nicht, dann aber kommt sie drauf; er will einfach ihre Möse sehen, und das verleiht Frau dann ein unglaubliches Selbstvertrauen und endgültige Selbsterkenntnis.

Jetzt könnte man denken, was für ein patriarchaler Mist. Diese Annahme könnte durch das dauernde Gerede darüber, dass Frauen allein lustunfähig seien, bestätigt scheinen, doch weit gefehlt. Hier ist der emanzipatorische Akt der Veranstaltung zu finden. Vaginas, das heißt Frauen, sind halt so. Klar Patriarchat machst du Frauen zu flutenden, irrationalen, lustunempfänglichen, hysterischen Wesen, aber wir Zuschauer findens ab jetzt toll! Und ein bisschen peinlich auch dieses dauernde Hersagen des Wortes Muschi, aber das können wir ja weglachen, leicht verunsichert, aber unglaublich feministisch. Gott sei Dank gab es nicht die "Wir legen alle Hemmungen ab und stehen auf und rufen gemeinsam FOTZE"-Aktion. Ich gebe zu, es wäre mir peinlich gewesen, so billig zu einer subversiven Befriedigung zu kommen.

Ach ja, da war ja auch noch Ulrike. Die durfte jetzt auch mal ran und las einen Text über eine Vergewaltigung. Das war schlimm. Schlimm vor allem, weil sich ein Großteil der Zuhörer sich jetzt in der Gewissheit zurücklehnen konnte, es Vergewaltigern und Klitorisverstümmlern mal so richtig gezeigt zu haben. Schlimm aber auch, weil es weh tat zu sehen, wie eine Profischauspielerin zwei Dritteln des Publikums den Rücken zuwandte. Vielleicht wäre eine Probe vor der Vorstellung gut gewesen?

Als am Ende noch zur Rückeroberung des Wortes Fotze aufgerufen wurde, brandete stürmischer Applaus auf, und so verließ ich die Veranstaltung mit dem Vorsatz, es allen recht zu machen. Leider blieb es bei zwei Versuchen. Als ich an der Theaterbar stehend der Mittvierzigerin vor mir zurief "eh Fotze, wie fandest du es denn", musste ich danach fluchtartig das Terrain räumen. Irritiert aber unverzagt sagte ich meiner Freundin später am Abend: "Ich möchte gern dein Wesen erkennen, zeig mir mal bitte deine Vagina!" Meine Freundin blickte mich mit gerührten Blick an und haute mir dann Klaus Theweleits "Männerphantasien" auf den Kopf, als Hardcover. Aua, das tat weh.

© POTZDAM 2001 - P. Brückner