Jurassic Park III
Schön, dass wir drüber gesprochen haben
Von P. Brückner

Dinosaurier mag ja bekanntlich jeder. Und das trotz der Tatsache, dass irgendein Enzym im Gehirn verhindert, dass man sich die Namen der einzelnen Saurier merken kann, wenn man das zehnte Lebensjahr vollendet hat. Logisch, dass deswegen auch alle Dinosaurierfilme mögen. Und weil wir wissen, dass jegliches Benennen der Tiere völlig sinnlos ist, mögen wir es noch mehr, wenn sie so richtig blutrünstig, mordgierig und heimtückisch sind. Da dies alles jedermann weiß, gehört selbst Steven Spielberg zum Kreis der Eingeweihten und dachte sich eines Tages, er könne doch auch mal einen Film drüber machen.

Gesagt, getan. Sam Neill wurde gecastet und Jurassic Park gedreht. Viele Zuschauer fanden die Dinos in Jurassic Park zu blutrünstig, mordgierig und heimtückisch, und so wurde es ein Kassenerfolg. Jedermann weiß nun, dass ein Kassenerfolg nach Fortsetzungen schreit, und da Steven Spielberg.... Na sie wissen schon. So ist eben Jurassic Park III in die Kinos gekommen. Auf den ersten Blick scheint alles beim alten geblieben zu sein und eine Unterscheidung von seinen Vorgängern schwierig. Aber weit gefehlt.

Genauso wie seine Dinos ist auch Spielberg lernfähig. Er hat verstanden, dass uns die Namen der Viecher, die wir da zu sehen bekommen, eh nicht interessieren. Er spart sie sich einfach. Wird man in Teil eins und zwei der Urmonster-Saga und ihrem Feriendomizil vor der Küste Costa Ricas noch mit lateinischen Namen bombardiert, gibt es im dritten Teil keine Info mehr, wie etwas zu benennen ist. Hauptsache, es ist groß.

Deshalb wundert es nicht, wenn Neill in seiner Rolle als Experte sagen darf: "Ich weiß, wie das Vieh heißt, aber ich komm nicht drauf!" Genau, weg mit dieser elenden Didaxe, es ist groß und gemein und verschluckt Menschen samt Handys. Ja: Es ist so gemein, dass es die Handys dann in seinem Bauch klingeln lässt, um andere Menschen anzulocken und sie mit Genuss zu verspachteln! So will ich Dinos sehen!

Wäre der Film so gewesen, alles wäre gut. Leider hat jedoch irgend jemand die dumme Idee gehabt, ein Film brauche eine Story. So dürfen die armen Dinos nicht 90 Minuten Menschen verschlingend über die Leinwand ziehen, sondern müssen Rücksicht auf die familiären Gefühle der auf der Insel weilenden Besucher nehmen. Die sind nämlich diesmal nicht einfach da, um zu lernen, dass sie nicht die Krone der Schöpfung sind. Nein: Mami und Pappi suchen ihren verschollenen Sohn und therapieren gleichzeitig ihre Ehe. Wie praktisch, dass die Dinos schon den Neuehemann von Mami gefrühstückt haben, sodass dieses Problem wenigstens nicht mehr zur Debatte steht. Noch schöner wäre es freilich gewesen, wenn Mami (gespielt von Tea Leoni) ebenfalls früh im Film den Magen des namenlosen Riesendinos gefüllt hätte. Uns allen wäre viel erspart worden. Ging wahrscheinlich nicht, weil das obligatorische Kind - natürlich ein Junge, natürlich unter 10 und natürlich hat er alle Literatur über Dinosaurier gelesen - in Amnesie gefallen wäre und alles über Dinos vergessen hätte. Wäre auch nicht schlimm, den Namen des ominösen Riesendinos kennt es eh nicht.

Wenn jetzt auch die Vermutung nahe liegt, Jurassic Park III sei ein Kind-versöhnt-in-schwieriger-Situation-Mutter-und-Vater-Drama, liegt nicht so falsch. Doch ist das Ganze eben mit Dinosauriern aufgepeppt. Endlich gibt es auch Flugdinos in bester Manier zu bestaunen, groß, blutrünstig und so gemein, dass sie das Familienkind ihren eigenen Kindern als Leckerei geben wollen. Da aber Dinofamilien offenbar nichts zählen, gibt es eine heldenhafte Rettung in letzter Sekunde.

Wären diese Flugechsen doch nur ein wenig zivilisierter! Sie hätten sich ja ein Beispiel nehmen können! An wem? Natürlich an unser aller Lieblingen, den Raptoren - na Sie wissen schon, diese zwei Meter hohen, tierisch intelligenten und extrem bösartig naseschnaubenden Echsen mit vier 16-cm-langen Krallen aus Teil eins und zwei - denen bleibt der Film treu. Da man aber davon ausgehen kann, dass die mittlerweile sowieso jeder kennt, ist das unproblematisch. Aufmerksamen Zuschauern ist sicher nicht verborgen geblieben, dass diese possierlichen Geschöpfe eine Evolution durchgemacht haben. Waren sie in Teil eins nur böse, entwickelten sie in Teil zwei eine Sozialstruktur. Und was ist die direkte Folge einer Sozialstruktur? Klar, ein gutes Gespräch.

Sam Neill ahnt es schon, bevor er die Insel betritt: Die Raptoren hatten eine Sprache. Die Fachwelt lacht ihn dafür aus. Damit der Zuschauer dann aber unbedingt merkt, wie falsch das war, erlebt er in ab sofort Dutzende Gespräche zwischen den Dinos. "Du, nie rufst du mich an!" "Na und, du mich ja auch nicht!" "Geht ja auch nicht, weil das Riesenvieh mein Handy gefressen hat!" "Ach so, wolln wir die Menschen da vorne fressen?" "Nö, dann denken alle wir sind böse, dabei sind wir doch so knuffig!" Laber, Laber, Laber. Selbst als die bösen Menschen ihnen zwei Dino-Eier klauen, werden sie dafür nicht zu Ragout verhackstückelt. Man kann ja über alles reden, oder!

Immerhin kommt man so in den Genuss, eine der abstrusesten Szenen im Film zu sehen. Erwischt und mit schlechtem Gewissen, trötet Sam Neill in den Gehörgang eines prähistorischen Raptors. Seine moderen Vettern scheinen aber nicht amüsiert. Gescheiterte Kommunikation? Aber nicht doch, Tea Leonie - dass sie doch ein Dino fresse - weiß wie alle Frauen natürlich, wie echter Klatsch funktioniert. "Sie tröten das Falsche" sagt sie. Jetzt kann Neill um Nuancen anders ins Horn pusten, und siehe da: Die Raptoren sind voll verständnisvoll. Packen ihre Picknickkörbe aus, und in einer durchquatschten Nacht werden alle Probleme, die man so hat, einfach weggeredet. Man versteht als Zuschauer gar nicht, warum die Menschen die Insel danach so fluchtartig verlassen? War doch alles so nett!

Wo sind meine blutrünstigen Raptoren geblieben, wozu haben sie denn diese Krallen? Klar, um ihre Kaffeetassen besser halten zu können. Alle Theorien über Saurier sind nach diesem Film neu zu schreiben. Das waren keine kaltblütigen ohne Intelligenz tötenden hirnlosen Echsen. Saurier sind wahrscheinlich hipp und kuschelig der Jacobs-Krönung Werbung entsprungen. "Das war ein schönes Fest und die Tischdecken so weiß..., ich bin ja seit neuestem Nichtraucher und Veganer...." Hat Spielberg das alles nur gemacht, um einen Dino als neuen Melittamann in die Werbung zu kriegen? Wer weiß, ich bin jedenfalls auf Jurassic Park IV gespannt In dem es darum geht, dass Raptoren in New York eine vegane Eisdiele eröffnen und Ärger mit dem Grünflächenamt bekommen, weil die alle nur Jurassic Park I gesehen haben.

© POTZDAM 2001 - P. Brückner