Schlössernacht, vorher
Ausnahmezustand in Sanssouci
Von M. Gänsel

Kann man sich eigentlich im Park verstecken am Tag der Schlössernacht, im Gebüsch lauern und kichernd die Zeit abwarten, bis es endlich Abend wird und nachts? Sodann hervortreten in einem günstigen Moment, DM 44,- glatt sparen und dahingehen? Kann man? Ich schätze: nein.

Denn oh, eine Wachmannschaft ist aufgelaufen. Schwarz gekleidet rennen sie schon am Nachmittag des Tages, dem die Nacht, DIE Nacht folgt, kreuz und quer durch den Park Sanssouci. Walkie-Talkies in der Hand und den Körper, gleich ob Mann ob Frau, John-Wayne-like wiegend, gerade vom Pferd gestiegen, Sonnenbrillen dunkelschwarz. Vielerlei Vorbereitungen werden getroffen, ein paar aufgeregte Touristen kommen gar nicht richtig zum Schloss-Gucken, sogar kleine Transporter rasen von hier nach dort. Schwarze Zweierpacks durchkämmen den Park.

Es ist ohnehin nicht so ruhig wie sonst, aber das hat auch niemand erwartet. Motorengeräusche, Musikfetzen, selbst die Raben sind aufgeregt und schwärmen krächzend von hier nach dort. Aber das alles wird übertroffen:

"LEINEN SIE IHREN HUND GEFÄLLIGST AN!! DEN HUND AN DIE LEINE!!!"
und
"RUNTER VOM FAHRRAD! ABSTEIGEN!!! RUNTER VOM RAD!"

Man kann's gar nicht so groß schreiben, wie's laut gebrüllt wurde. Elend laut. Überschlagende Stimme, so ein Kieksen immer, inklusive. Wäre fast von der Bank gefallen. Und nicht nur einmal, immer wieder ertönen andere Stimmen, ausnahmslos von schwarzen Sheriffs in Höchstform geprügelt. Die Radfahrer, meist Touristen mit gemieteten Rädern, halten verdutzt an: Auf ihren kleinen Plänen ist dies hier als Radweg eingezeichnet, sie wissen nicht, dass heute Ausnahmezustand ist. Eine ältere Dame sinkt langsam zur Seite weg, als keine zwei Meter vor ihr einer der Schreier freidreht und das mit dem Runter-vom-Rad brüllt. Sie kann sich mit dem Fuß abfangen, strauchelt aber dennoch ordentlich. Sie ist so verdutzt, dass sie umgehend wieder aufsteigt und weiterfahren will, die zweite Wachschutz-Person brüllt alles noch einmal. Noch lauter. Sind das Schlagstöcke da am Gürtel?

Ein paar Studenten fahren auch ihren gewohnten Weg, einer ist gar mit Fahrrad UND Hund unterwegs, natürlich ohne Leine, das Tier. Vier Schwarzbrüller vereinen sich, haben den Jungen jedoch zu spät gesehen, der nun ordentlich in die Pedale tritt. Die Verfolgung per pedes wird kurz aufgenommen, jedoch nach wenigen Metern beendet: SCHREIEN ist im Rennen nicht möglich. Der Student winkt freundlich zurück, als er entschwindet.

Als ich in Höhe Hans-Sachs-Straße wieder hinausgehe, teste ich die Wehrhaftigkeit des Zaunes, der dort seit einem Monat und einzig im Hinblick auf die Schlössernacht errichtet wurde. Letztes Jahr gab's keinen Zaun, Hans-Sachs-Straße war Schwachstelle, durchlässig, zu viele Menschen, Potsdamer auch noch, kamen da einfach so rein.

Der Zaun wird das verhindern. Die Schwarz-Nasen werden verhindern, dass sich jemand bis zum Einbruch der Dunkelheit versteckt, ob nun mit Fahrrad und Hund oder ohne. Wahrscheinlich wird der Park gegen 20 Uhr mit Bewegungsmeldern gekämmt, die auf die Eintrittskarten geeicht sind. Da könnten kleine Chips drin sein, die elektronische Weiß-Westen-Signale aussenden. Wenn man so ein Signal nicht aussendet, hat man Pech und wird erschossen. Die haben auch Hunde, wetten. Aber an der Leine.

© POTZDAM 2001 - M. Gänsel