Wortgefechte
Donnerstag
Von Thilo S.

Ich bin verzweifelt. Ich finde mich in meiner Sprache nicht mehr zurecht. Früher, als Kind, da ging es mir gut, da dufte ich jedes Wort verwenden, das ich kannte (also, außer "Arsc.hloch" zu einem meiner beiden Elternteile), aber das ist heute, 30 Jahre und viele Aufklärungssendungen später, leiderleider vorbei.

Es hat harmlos angefangen. Irgendeine Forscherin, die wohl ein paar Fördergelder erhält, hat eine Untersuchung herausgegeben, welche neu-modischen Worte auf altes Vokabular zurückgehen. Und dabei festgestellt, dass das hier in der Gegend zu Werbezwecken gebrauchte Wort "Region Main-Franken" zurückgeht auf den Ausdruck "Gau Main-Franken" des dritten Reiches.

Und hat vor einem allzu leichtfertigen Umgang mit Nazi-Vokabular gewarnt.

Und da fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren. Wie oft hatte ich in letzter Zeit auf die Frage "woher kommst Du" mit einem fröhlichen "Main-Franken - wir sind der Schwanz, der mit dem Löwen wedelt" geantwortet. Weiaweia. Kein Wunder, dass mich alte Bekannte und neue Unbekannte vorwurfsvoll ansahen. Klar, die mussten doch denken, ich wäre ein Nazi. Ich! Der ich doch so wachsam bin!!

Jetzt wird mir auch klar, warum Hans-Dieter, mein früher bester Freund, nicht mehr mit mir redet, seit jener aus dem Tierheim (allein schon das Wort "heim" im Zusammenhang mit "Tier" klingt verächtlich) mit einem neuen Gefährten (gottseidank konnte ich soeben das Wort "Kamerad" gerade noch vermeiden) kam und ich Riesenrind ihn fragte, welche HUNDERASSE das Vieh sei..... Warum habe ich nicht das Wort HUNDEART gewählt??

Auf der anderen Seite sollte ich meinen ehemaligen Freund im Auge behalten. Ich vermute nämlich, dass er einen deutschen Schäferhund hat. Hitler hatte auch einen. Das macht mir Hans-Dieter auch ein wenig verdächtig... Ob er am Ende Republikaner wählt?? Aber ich schweife ab.

Ich bin dann wirklich in mich gegangen. Bei Gewitter rede ich nicht mehr vom "Blitz" (der in so schlimmen Worten wie "Blitzkrieg" vorkommt), sondern von einer "elektrostatischen Lichterscheinung", ich vermeide den Terminus der "Ausgangsstellung" beim Sport, der natürlich nicht der "Körperertüchtigung" dient, ich kenne keine "Juden", sondern nur noch Israelis und wenn es bei mir daheim brennt, dann rufe ich nicht die der Wehrmacht so ähnlich klingende (und deren Stahlhelm benutzende) "Feuerwehr", sondern das technische Hilfswerk (obwohl.... gab es nicht auch einmal ein "Winterhilfswerk"?) oder die Krisenreaktionskräfte. WERWOLFfilme schaue ich mir schon lange nicht mehr an, nur noch Filme, in denen sich Menschen offen zu ihrer Lycantrophie bekennen. Und wenn ich dann meine Umwelt betrachte, dann erschrecke ich manchmal, wie viel rechtes Gedankengut, noch in jedem von uns steckt.

Zum Beispiel mein Nachbar. Dieses Faschoschwein hat neulich behauptet, er habe bei seiner letzten Grippe die Krankheit mit Hilfe von Wickeln förmlich AUSgeSCHWITZt. Ich habe ihn ob der Verhöhnung der Opfer von Terror und Gewaltherrschaft sofort zulink gewiesen, er hat mich beausländisch angesehen und die Haustür hinter sich ins Schloss geworfen. Die Sau mit ihrer antisemitischen Hetze. Ich weiß, dass er neulich ein VOLKSfest besucht hat!

Wir müssen uns einfach nur besinnen, aufmerksam bleiben. nicht nur im täglichen Sprachgebrauch. Generell, jetzt. Und dann ist es ganz einfach. Auch im Straßenverkehr. Früher bin ich oft gedankenlos rechts abgebogen. Diese Zeiten sind vorbei. Ich meide die von den Faschisten gebauten Autobahnen, zumindest in Deutschland, und fahre lieber Überlandstrassen, denn es gibt keinen Rechtsabbiegeort, den ich nicht auch durch dreimaliges Linksabbiegen erreichen könnte. Und an das Rechtsfahrgebot halte ich mich hier im Staat der Richter und Henker sowieso schon lange nicht mehr!

Ich gebe zu, dass ich mich offen und ehrlich geschämt habe. Wie oft habe ich bedenkenlos das Wort "VAUWE" in den Mund genommen, wo doch jeder weiß, dass die Wolfsburger (dieser Name geht übrigens angeblich auf den Spitznamen Hitlers, nämlich "Wolf" zurück) seinerzeit Kübelwagen für die faschistische Wehrmacht gebaut haben, genauso, wie Porsche und BMW Motoren für Panzer und Flugzeuge lieferten. Einmal, ich traue mich das jetzt kaum zu sagen, habe ich mit dem Gedanken geliebäugelt, einen OPEL zu erwerben, wo doch gerade die den "Opel-Blitz" hergestellt haben.

Und deswegen gibt es mir auch zu denken, dass Berlin wieder Deutschlands Hauptstadt ist. Denn das war sie im dritten Reich auch schon.

Wir sollten darüber nachdenken, Städte wie Nürnberg ("Stadt der Reichsparteitage"), München ("Hauptstadt der Bewegung"), Goslar ("Reichsbauernstadt") und überhaupt alle Städte, die irgendwie mit der Unkultur der Unmenschen des dritten Reiches zusammenhängen, zurückzubauen - oder wenigstens um zu benennen, wie die Polen das mit "Litzmannstadt" bereits vorbildlich getan haben.

Und deswegen verabschiede ich mich in Briefen auch nicht mehr mit "freundlichem Gruß" (klingt zu sehr nach "deutschem Gruß") sondern mit einem herzlichen "Salve"....

obwohl.......

......."Maschinengewehrsalve"?

© POTZDAM 2001 - Thilo S.