The Arabian Way of Life
Komm ich heut nicht, komm ich morgen auch nicht.
Von M. Gänsel

Also nix gegen Ausländer. Die sind eben anders. Ist ja auch schön. Jetzt zum Beispiel ist es zehn Uhr abends, und die kleinen Scheißer meiner Vermieter kreischen noch auf dem Hof, hurtig wird ein Plastikauto geschändet, rufend Basketball gespielt, und Vierjährige können auf dem Fahrersitz eines Autos wirklich STUNDEN verbringen - die Tür selbstverständlich immer wieder zuschlagend und aufmachend. Bisschen wie in Italien. Und die Jungs sind wirklich süß.

Im Winter wird nicht gestreut, das scheint irgendwie typisch deutsch und damit doof zu sein - nein man legt den Weg von der kachelglatten Außentreppe ("Kacheln warn übrig, ist billig!!") bis zur Straße mit plattgewalzten Pappkartons aus, da rutscht man auch nicht.

Wenn die Wände im Hausflur nässen, ist es eben eine Frage der Streich-Frequenz - irgendwann MUSS die Farbe doch decken und der Scheißfleck weg sein. Wenn irgendwas kaputt ist, Heizung, Dach etc., wird grundsätzlich erst mal selbst geguckt, bis zu den Knöcheln ölig schwarz steht man dann vor der Technik / Baustelle, um drei, vier Tage später zu resignieren und einen Fachmann zu holen. Aber man hat alles versucht, das scheint wichtig zu sein. Wenn man hinten links etwas anfängt, ist man todsicher überzeugt von der Sache, mit euphorischem Eifer wird Tag und Nacht gearbeitet - bis die Lust plötzlich im Nirvana verschwindet, weil vorne links das ja viel besser wird, also da müssen wir jetzt ran, das da hinten, stell da mal was vor, wie sieht denn das aus.

Eine der obersten Regeln: Es geht noch billiger. Und wenn die Farbe nicht fürs ganze Haus reicht, streichen wir eben nur bis zur Hälfte, erster Fensterabsatz, mein Gott, sieht doch auch schön aus?! Wer sagt, dass man Kaninchenverschläge nicht bewohnbar machen kann? "Guck mal, haben wir alles neu gemacht, und dahinten ist sogar eine kleine Dusche und ein WC!" Stolz geschwellt die Brust, erwartungsvoll der Blick - da MUSS man anerkennend nicken, auch wenn man hier keine zehn Minuten eingesperrt sein möchte. Wenn du die liebevoll gepflanzten Stiefmütterchen im Hof nicht bewunderst, diskret auf das Herunterfallen der einen oder anderen Kachel in deiner Küche hinweist oder leichten Ärger über den immer wieder auf dein Rad knallenden Basketball signalisierst - du bist unten durch.

Arabisch leben, das heißt wahrhaft leben und leben lassen. Und es heißt auch teilnehmen am Leben des andern. Nicht so böse deutsch kontrollierend. Sondern freundlich und kontrollierend besorgt. Sie helfen dir, wo sie können. Und auch, wo sie nicht können.

Sie sind freundlich und sagen dir gern, wenn du besonders scheiße oder extra gut aussiehst. Sie sorgen sich um den schlimmen Husten, der aus deinem Bad schallt. Sie passen auf, wann du nach Hause kommst, wen du dabei hast und dass das Rad nicht geklaut wird - da können sies auch kaputtmachen, eh? Schließlich sind sie die ersten, die sich zum Reparieren anbieten. Morgen heißt in drei Wochen, billig heißt umsonst, und schön heißt sexy. Die Grenzen bestimmt man selbst, bis hierhin oder weiter, wies beliebt. Es ist wie Familie mit 200 km Sicherheitsabstand, man mag sich, man geht sich selten auf die Nerven, und wenn Tante Anna unbedingt will, dass ich einmal im Jahr das rosa Klein anziehe, dann bitte zieh ich's an. Tut keinem weh.

Klar sind 15 Grad in der Wohnung nicht schön, wenns draußen minus 4 hat, aber wenn jetzt geschlafen werden muss, dann muss jetzt gewartet werden, bis aufgewacht und etwas unternommen wird. Und weil Sonntag ist, kann erst morgen was unternommen werden, und "Du kannst bei uns baden!" ist doch ein nettes Angebot. Man kann ja wirklich, und man tut es auch, weil es frühestens ab Mittwoch wieder warmes Wasser geben wird. Wenn man das weiß, tuts einem ja nicht weh, nicht wahr. Und ändern, ändern kann man das sowieso gar nicht, eh.

© POTZDAM 2001 - M. Gänsel