Bunt und nett
Straßenfest am Nollendorfplatz
Von Mathias Deinert


Das Eingangsportal bestand aus Gerüstteilen, die mit plüschig silbrigem Irgendwas überzogen waren. Und dann: Schwule. Wo man hinsah, nur bunte Schwule. (Dabei trug nahezu keiner von ihnen jene schlimme, ausladende, quitschbunte Mode am Leib, mit der mich viele Backfische hierzulande visuell belästigen; das fiel positiv auf!) Zwei schöne Tage hatte man sich ausgesucht für dieses Straßenfest, denn es war sommerlich heiß. Und ich frug mich immer wieder, wie wohl die Gesichtshaut einiger aussehen mochte nach einem Tag wie diesem, an dem die Sonne unaufhörlich auf die fette Patina aus Schminke brannte und die darunterliegende Hautschicht so richtig zum Blühen bringen musste.

Dann gab es überall Regenbogenfähnchen. Diese Fähnchen, die demjenigen, der sie schwenkt, saubere Schwulentoleranz bescheinigt, wurden an nahezu allen Ständen verschenkt. Nörgelnden Kindern wurden besagte Wimpel einfach in ihre unpolitischen Hände gedrückt, und wer unter den Erwachsenen seine Akzeptanz anbiedernd zur Schau tragen wollte, winkte mit dem Regenbogen herum, wie das Publikum des Musikantenstadls mit Länderfähnlein zur Fernsekamera. Jedem wie's sein Gruppenwusstsein braucht!

Was heutige Schwule von herkömmlichen Bürgern unterscheidet, ist ja neben dem Gefühl der Urverletzung (gesellschaftlich bedingter Andersartigkeit geschuldet) eigentlich nur noch ihr oft geziert wirkender Lebensstil und ihre Auffassung von Sexualität (die von ihnen selbst häufig mit einem anderen Phänomen, dem Sexualisiertsein, verwechselt wird). Beidem wurde eifrig gehuldigt auf diesem Straßenfest. Dem Letztgenannten aber Gott-sei-Dank nicht biologisch anschaulich, wie man es alljährlich auf gewissen Wagen in den CSD-Umzügen oder bei der Love-Parade sieht, sondern an einigen Info-Ständen. So gab der Stand des schwulen Stadtmagazins "Siegessäule" seine Zeitschrift nur in einer umweltfreundlichen Tragetasche unters Volk, auf deren einer Seite das Teilwort "homo" und auf deren anderer Seite "sexuell" in großen schwarzen Lettern stand.

Diese Zurschaustellung meiner Akzeptanz jedoch konnte ich mir getrost verkneifen, genau wie den Zwang, nach natürlich-schicken Leuten zu schauen. "Wenn ich mich hier umsehe, werde ich sofort frigide!" raunte ich meinem Freund zu und ging erst einmal zu einem Eisverkäufer, der neben großen und kleinen und Senioren- und Kinder- auch normale Portionen anbot. Zettel wurden einem zugesteckt, die warben für Internetseiten, wiesen auf Krankheiten hin - und gerade begann ich, die Leute anzulächeln, da wurde mir einer dieser Zettel zugesteckt, darauf stand "Zimmer frei" nebst dem Bilde eines Nackten und einer Telefonnummer … also bitte!

© POTZDAM 2001 - M. Deinert