»Man wäre anders...«
Der Makler empfiehlt: Burgen im Fläming
Von M. Gänsel


Schon wieder einer dieser Augenblicke: Man fällt kaum aus Potsdam raus, fährt ein paar Kilometerchen durch schönste Alleen (und schwört sich, im Herbst wiederzukommen ,das muss ja Wahnsinn sein mit den bunten Blättern), und schwups, steht man zwischen putzigen Fachwerk-Häuschen, erkennt den von einem Brunnen in der Mitte und durch ein Rathäuschen verzierten Platz als ehemaligen Markt und ahnt: Alt, sagenreich und burgig wird es werden.

Und siehe da: Einmal um die Ecke, und es erhebt sich die "Perle des Hohen Flämings" vorm ohnehin schon verwöhnten Auge, mächtig ragt das Schloss samt Turm und Torhaus gen Himmel, jäh lugt die Sonne über eine Ringmauer, die dort seit Jahrhunderten lauert. Für die, die "Fläming" für was zu essen halten: Wir befinden uns in einem "Grenzland und Brennpunkt historischer Ereignisse", auch "Reisegebiet Fläming" genannt. Denn es ist burgenvoll, weil im frühen Mittelalter Festungen offensichtlich vonnöten waren, ja es geht sogar die Mär, dass sich damals drei Riesen als Bauleute der Burgen im Hohen Fläming verdingt haben, und Wunder nimmt das angesichts der trutzigen Festungen keineswegs.

Der aktuelle Ort heißt Wiesenburg, und das Schloss ebenfalls. Seit dem 12. Jahrhundert als Burgward genannt, im 13. Jahrhundert ordentlich erweitert, während der Renaissance noch ein bisschen schöner gemacht und bis ins 19. Jahrhundert ständig wiederauf- und umgebaut, strotzt das Schlösschen schön und alt dem Verfall. Der Charme, mit dem die Anlage durch die so unterschiedlichen Stile der Zeiten äußerlich besticht, wird nun im Innern vervollkommnet: Die Schlossinnenräume werden derzeit saniert, mit leicht hochgezogenen Augenbrauen liest man von Eigentumswohnungen und Tagungsräumen. Aber dann liest man, dass das früher mal eine Jugendherberge war, und dann doch lieber Kommerz, da wirds immerhin schick.

Rein kann man also leider nicht, aber rum kann man. Hinten ist es auch viel schöner, denn da schlendert eine Freitreppe gen Terrassenbeete, Park und Wasser, da blüht und sprießt und schwimmt so manches. Im Gegensatz zu Sanssouci hat der Park dort den entscheidenden Vorteil, dass man sitzen und stehen und springen und liegen kann, wo man will - keine Parkwächter stören die Ruhe im schattigen Weidenbaum. Allerdings scheint das Personal für den Park allgemein etwas knapp zu sein, trocken müht sich ein Rhododenron-Strauch, hüfthoch wallen die Gräser.

Schön ist das alles aber trotzdem, weitläufig erstrecken sich die Wege, überall warten kleine Nischen auf Picknick-Körbchen, laden Bänke zur dollen Sichtschneise aufs Schloss. Als das vor Sozialneid auf die künftigen Besitzer der Eigentumswohnungen ohnehin schon tränende Auge schließlich im hinteren Teil des Parks einen leise vor sich hin verwahrlosenden Tennisplatz entdeckt, ist Wiesenburg aufgenommen in den erlauchten Kreis der Orte, an denen man bitte ein-, zweimal im Jahr ein paar Wochen verbringen möchte: Man wäre anders.

Wie Sie schon richtig ahnen: Es gibt nicht nur Wiesenburg. Wenn Sie auf der A9 nach Süden brettern und mutig einfach mal nach rechts abfahren, stolpern Sie andauernd über solcherlei Kleinod, sogar Orte wie Belzig, bisher einzig durch doofe Neonazis einzuordnen, nennen beeindruckende Festungen ihr eigen. In Belzig heißt das übrigens Burg Eisenhardt und bietet nach dem schweinesteilen Aufstieg einen wunderbaren Blick über - ja - Belzig und die Berge drumrum. Lobenswert zu erwähnen ist ebenfalls, dass sämtliche Burgen gastronomisch erschlossen sind und Sie die Sache in kleinen, aber feinen (und, mit Verlaub, preiswerten) Etablissements so richtig rund machen können. Und schmeißen Sie in Belzig keine Steinchen den Abhang runter - das gibt Ärger.

© POTZDAM 2001 - M. Gänsel