Potsdam wie es war
Ein Hinweis auf zwei Potsdamer Ausstellungen
Von Markus Wicke


Schauen Sie doch noch einmal genau nach. Kamen Ihnen die marmornen Beet-Einfassungen des großelterlichen Gartens nicht schon immer etwas zu prunkvoll vor für die eher kleinbürgerliche Herkunft von Opa Werner? Die Kacheln auf der Laubenveranda in der Sparte "Tulpenweg" nicht schon immer ein wenig zu holländisch für den kargen märkischen Boden? Und der Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch (eine abgeschlagene Bronzehand), die soll Tante Christa wirklich nur "gefunden" haben?

Geben Sie es doch zu, das ist alles aus dem Potsdamer Stadtschloss! Sagt ja keiner was gegen, dass Ihre Vorfahren beim Schlendern über den frisch zerbombten Alten Markt mal kurz stehen geblieben sind und etwas mitgenommen haben. Gab ja nix damals. Und da war eine leicht zerbeulte Barockuhr aus dem Stadtschloss besser als nüscht. Aber nun ist die höchste Zeit dafür gekommen, sich von den guten Stücken zu verabschieden und sie dahin zu geben, wo sie hingehören: In die Ausstellung "Minervas Mythos" im Alten Rathaus in Potsdam.

Liebevoll haben die ExpertInnen der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, allen voran Saskia Hüneke, Bruchstücke des von den Alliierten zerbombten und später von Ulbrichts Gnaden mutwillig gesprengten Stadtschlosses in das Alte Rathaus getragen. Immer noch imposant wirken diese zerbeulten und zersplitterten Reste friderizianischen Glanzes.

Vogelfreunde werden an dem niedlichen bekrönten Adlerrudiment nicht vorbeikommen, der einst das Fortunaportal schmückte; Puttenfreunde werden sich an kleinen versehrten Gesellen erfreuen, die einst die Fahnentreppe bevölkerten; und große Menschen kommen vielleicht auch an die oberen Etagen der Hochregale, die leider nicht für jeden einsehbar die kostbaren Fragmente aufnehmen.

Überhaupt die Präsentation: die fünf Atmosphären, die die Ausstellungsmacher in den verschiedenen Räumen schaffen wollten, fallen erst beim Studium des - im übrigen äußerst gelungenen - Kataloges auf: aus dem ranzigen Alten Rathaus lässt sich eben nicht all zuviel herausholen. Zu kritisieren ist zudem die großflächige Präsentation einer niedrigauflösenden Videodarstellung. Hier hätte es ein Bildschirm wohl auch getan.

Der ganz große Minuspunkt ist jedoch die Tatsache, dass nur Eingeweihte den Weg zum Alten Rathaus finden werden. Der Grund ist neben einer fehlenden Transparentwerbung wohl auch der kryptische intellektualistische Titel der Ausstellung. "Das Schloß!" von Wilhelm von Boddien seinerzeit bei der großen Berliner Stadtschlossausstellung war da war wohl eindeutiger und werbewirksamer. Nun muss Minerva herhalten, deren - neben einer gleichnamigen Plastik - noch vorhandener steinerner Kopf übrigens schon wieder Teil des Stadtschlosses ist: Günter Jauch brachte ihn als Schlussstein des wieder erstehenden Fortunaportals an.

Noch bis zum 15. Juli 2001 im Alten Rathaus Potsdam, Am Alten Markt

www.minervasmythos.de

Und noch eine Ausstellung lässt den kundigen Potsdamer in alten Zeiten schwelgen: Das städtische Museum zeigt in seinem Holländerhaus alte Messbildaufnahmen aus den Jahren 1911/12. Sie zeigen Potsdam, wie es war; mit all seinen Prunkfassaden, urbanen Plätzen und grünen Alleen.

"Zeit - Raum - Potsdam" lässt es jedoch nicht bei der Präsentation der alten Fotografien bewenden: Mathias Marx hat die Häuser und Straßen im Jahr 2000 standortgenau noch einmal abgelichtet, das Ergebnis ist eine einfache wie geniale Gegenüberstellung von Gestern und Heute. Der Betrachter erkennt wieder, rätselt, ärgert sich und möchte manchmal fast heulen ob der vielen zerstörten Häuser (wie das der Römischen Börse nachempfundene Säulenhaus am Wilhelmplatz) und Straßenbilder (wie die Burgstraße, deren früherer Straßenverlauf kaum mehr erkennbar ist).

Wenn man einen Blick auf den früheren breiten Grüngürtel auf der heutigen Breiten Straße geworfen hat, wünscht man sich den Turm der Nikolaikirche allein wegen der dadurch erzwungenen Verkleinerung der sozialistische Magistrale wieder.

Auch in dieser Ausstellung gibt es jedoch einen Kritikpunkt: In einem verdunkelten Raum wird die Illusion von Alt und Neu durch eine Überblendtechnik-Diashow auf der Leinwand perfektioniert. Doch die Dias scheinen nicht genügt zu haben. Ein Schauspieler-spielender Sprecher liest dazu mit brachialer Fistelstimme (doch, das geht sehr wohl zusammen) einen überambitionierten Potsdam-Text vom Band, den man sich gut hätte schenken können. Dazu plänkelnde Gitarrenmusik, des öfteren durchbrochen von einer weinerlichen Liedermacherstimme, die herzzerreißend jammert, auch darauf hätte man gern verzichten mögen.

Noch bis Oktober 2001 im Potsdam-Museum im Holländerviertel

Buchtipp: Potsdam um Neunzehnhundert. Nicolai-Verlag, gerade günstig weil herabgesetzt in guten Potsdamer Buchhandlungen (Die alten Messbilder als Katalog-Ersatz)

© POTZDAM 2001 - Markus Wicke