Schauen Sie doch noch einmal genau nach. Kamen Ihnen die marmornen
Beet-Einfassungen des großelterlichen Gartens nicht schon immer
etwas zu prunkvoll vor für die eher kleinbürgerliche Herkunft
von Opa Werner? Die Kacheln auf der Laubenveranda in der Sparte
"Tulpenweg" nicht schon immer ein wenig zu holländisch für den
kargen märkischen Boden? Und der Briefbeschwerer auf dem Schreibtisch
(eine abgeschlagene Bronzehand), die soll Tante Christa wirklich
nur "gefunden" haben?
Geben Sie es doch zu, das ist alles aus dem Potsdamer Stadtschloss!
Sagt ja keiner was gegen, dass Ihre Vorfahren beim Schlendern
über den frisch zerbombten Alten Markt mal kurz stehen geblieben
sind und etwas mitgenommen haben. Gab ja nix damals. Und da
war eine leicht zerbeulte Barockuhr aus dem Stadtschloss besser
als nüscht. Aber nun ist die höchste Zeit dafür gekommen, sich
von den guten Stücken zu verabschieden und sie dahin zu geben,
wo sie hingehören: In die Ausstellung "Minervas Mythos" im Alten
Rathaus in Potsdam.
Liebevoll
haben die ExpertInnen der Stiftung Preußische Schlösser und
Gärten, allen voran Saskia Hüneke, Bruchstücke des von den Alliierten
zerbombten und später von Ulbrichts Gnaden mutwillig gesprengten
Stadtschlosses in das Alte Rathaus getragen. Immer noch imposant
wirken diese zerbeulten und zersplitterten Reste friderizianischen
Glanzes.
Vogelfreunde
werden an dem niedlichen bekrönten Adlerrudiment nicht vorbeikommen,
der einst das Fortunaportal schmückte; Puttenfreunde werden
sich an kleinen versehrten Gesellen erfreuen, die einst die
Fahnentreppe bevölkerten; und große Menschen kommen vielleicht
auch an die oberen Etagen der Hochregale, die leider nicht für
jeden einsehbar die kostbaren Fragmente aufnehmen.
Überhaupt
die Präsentation: die fünf Atmosphären, die die Ausstellungsmacher
in den verschiedenen Räumen schaffen wollten, fallen erst beim
Studium des - im übrigen äußerst gelungenen - Kataloges auf:
aus dem ranzigen Alten Rathaus lässt sich eben nicht all zuviel
herausholen. Zu kritisieren ist zudem die großflächige Präsentation
einer niedrigauflösenden Videodarstellung. Hier hätte es ein
Bildschirm wohl auch getan.
Der
ganz große Minuspunkt ist jedoch die Tatsache, dass nur Eingeweihte
den Weg zum Alten Rathaus finden werden. Der Grund ist neben
einer fehlenden Transparentwerbung wohl auch der kryptische
intellektualistische Titel der Ausstellung. "Das Schloß!" von
Wilhelm von Boddien seinerzeit bei der großen Berliner Stadtschlossausstellung
war da war wohl eindeutiger und werbewirksamer. Nun muss Minerva
herhalten, deren - neben einer gleichnamigen Plastik - noch
vorhandener steinerner Kopf übrigens schon wieder Teil des Stadtschlosses
ist: Günter Jauch brachte ihn als Schlussstein des wieder erstehenden
Fortunaportals an.
Noch
bis zum 15. Juli 2001 im Alten Rathaus Potsdam, Am Alten Markt
www.minervasmythos.de
Und
noch eine Ausstellung lässt den kundigen Potsdamer in alten
Zeiten schwelgen: Das städtische Museum zeigt in seinem Holländerhaus
alte Messbildaufnahmen aus den Jahren 1911/12. Sie zeigen Potsdam,
wie es war; mit all seinen Prunkfassaden, urbanen Plätzen und
grünen Alleen.
"Zeit
- Raum - Potsdam" lässt es jedoch nicht bei der Präsentation
der alten Fotografien bewenden: Mathias Marx hat die Häuser
und Straßen im Jahr 2000 standortgenau noch einmal abgelichtet,
das Ergebnis ist eine einfache wie geniale Gegenüberstellung
von Gestern und Heute. Der Betrachter erkennt wieder, rätselt,
ärgert sich und möchte manchmal fast heulen ob der vielen zerstörten
Häuser (wie das der Römischen Börse nachempfundene Säulenhaus
am Wilhelmplatz) und Straßenbilder (wie die Burgstraße, deren
früherer Straßenverlauf kaum mehr erkennbar ist).
Wenn
man einen Blick auf den früheren breiten Grüngürtel auf der
heutigen Breiten Straße geworfen hat, wünscht man sich den Turm
der Nikolaikirche allein wegen der dadurch erzwungenen Verkleinerung
der sozialistische Magistrale wieder.
Auch
in dieser Ausstellung gibt es jedoch einen Kritikpunkt: In einem
verdunkelten Raum wird die Illusion von Alt und Neu durch eine
Überblendtechnik-Diashow auf der Leinwand perfektioniert. Doch
die Dias scheinen nicht genügt zu haben. Ein Schauspieler-spielender
Sprecher liest dazu mit brachialer Fistelstimme (doch, das geht
sehr wohl zusammen) einen überambitionierten Potsdam-Text vom
Band, den man sich gut hätte schenken können. Dazu plänkelnde
Gitarrenmusik, des öfteren durchbrochen von einer weinerlichen
Liedermacherstimme, die herzzerreißend jammert, auch darauf
hätte man gern verzichten mögen.
Noch
bis Oktober 2001 im Potsdam-Museum im Holländerviertel
Buchtipp:
Potsdam um Neunzehnhundert. Nicolai-Verlag, gerade günstig
weil herabgesetzt in guten Potsdamer Buchhandlungen (Die alten
Messbilder als Katalog-Ersatz)
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