Am Anfang war er ja ganz toll, der Literaturladen Wist & Ressel
mitten auf dem Potsdamer Broadway: Der alte Mief der Lehrlingsbuchhandlung
war Anfang der 90er einem hellen, büchervollen Raum gewichen,
in dem die Jungunternehmer Carsten und Siegfried jeden dürstenden
Literaturfreund lächelnd empfingen. Der bibliophile Geist hatte
endlich ein Heim gefunden.
Für
sein Geld bekam man nicht nur ein gutes Buch, sondern auch gratis
eine Empfehlung / Kritik / Diskussion - manchmal auch mehr,
als einem lieb war. Denn wenn der Carsten mal ins Reden kam,
konnte eine einfache Buchbestellung schon mal ihre 20 Minuten
dauern. Zeit war bei Wist & Ressel nie Geld.
Überhaupt
war Handel ihre Sache nicht, wie sie gegenüber der PNN mutig
erklären. Und so geschah, was geschehen musste: Zunehmend schien
es, als betrachteten die beiden ihren Laden eher als Bühne für
ihre Eitelkeiten, allmählich verhielt sich die Dauer der Gespräche
umgekehrt proportional zur Masse der angebotenen Bücher - 1997
übergab man die Hälfte der Verkaufsfläche an einen schicken
Handy-Shop. Doch auch im verbleibenden Raum rissen die beiden
selbsternannten Idealisten das Ruder nicht mehr rum, die Regale
lichteten sich immer mehr, und was drin stand, wollte man auch
nicht kaufen. Das anfangs gut durchdachte Sortiment war nur
noch rudimentär erkennbar.
War
es finanzielle Not oder doch einfach nur Faulheit? Im Zweifelsfall
ist der Ami schuld: Die "Veramerikanisierung des Buchhandels"
nennen die beiden unflexiblen Potsdamer als Grund für ihr Scheitern.
Den Massenbuchhandel wollten sie vermeiden, doch zu einer Alternative
hat es offensichtlich auch nicht gereicht; sie erlagen dem fatalen
Irrtum, einen Buchladen ohne Kundschaft betreiben zu können.
In
den Potsdamer Neuesten Nachrichten bekamen die selbsternannten
"Paradiesvögel des ostdeutschen Buchhandels" noch einmal reichlich
Gelegenheit, den verlotterten Verlauf der letzten zehn Jahre
zu rechtfertigen. "Wir sind nicht aus Inkompetenz gescheitert,
haben inhaltlich nichts versaut," reden sie sich die Sache schön.
Sie haben aber eben einzig Bücher angeboten, die sie selbst
vertreten können und dabei jedoch das wichtigste in einem Laden
vergessen: den Kunden. Und nun stehen sie mit ihrem hohen Anspruch,
eine elitäre Buchenklave zu betreiben, letztlich alleine da.
Die
Welt will nicht, wie sie wollen, und also ist jetzt Schluss
mit Literatur.
Schade.
PS:
Weiß jemand, wann Nico Gehn einen Buchladen eröffnet?
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