Café Olé
Das Wunderding aus der Schweiz
Von Mathias Rau


Es war im Januar diesen Jahres, da tat mein Herr Vater sehr geheimnisvoll. Er blätterte in seltsamen (dünnen!) Prospekten, surfte bis tief in die Nacht im Internet auf Seiten, die ein ".ch" im Namen trugen und unterließ es sogar, teure Geräte für die bevorstehende Gartensaison zu kaufen. Sprich: Er will sich etwas kaufen, das nicht jeder hat, vermutlich etwas Teures aus der Schweiz.

Und eines schönen Tages stand es dann da, eingepackt in einen weißen Karton. Er hatte es sich auf die Arbeit schicken lassen, wohl damit meine Frau Mama nicht die Rechnung sieht und das Ding gleich wieder zurückschickt. Mit seinem besten Cuttermesser hat er den Karton aufgemacht, mich dazugeholt und mir stolz seinen Neuerwerb präsentiert. Vorne war's silbern, an den Seiten und hinten schwarz. Jura stand drauf. Irgendwie sah es wie ein Küchengerät aus. Es hatte vier Knöpfe und acht Lämpchen. Und außerdem war links noch eine Art Behälter zu erkennen.

"Aha", sagte ich. "Und das ist...?"
"Eine Espressomaschine", erklärte mein Herr Vater stolz. Einen Moment lang überlegte ich, jetzt auf Mr. Spock zu machen. Aber bei mir klappt das mit der Augenbraue nicht so ganz. Also fragte ich nur: "Und jetzt gibt's jeden Morgen Espresso?"

"Nein. Damit kann man auch Kaffee machen. Und Cappuccino. Und Café Olé."
"Das heißt Au Lait", sagte ich. "Das ist französisch."

Er zuckte mit den Schultern und suchte nach einer freien Steckdose. Zuerst sah es so aus, als müßte Mamas Mikrowelle dran glauben. Dann stand das Ding auf dem Kühlschrank. Sah soweit dort ganz gut aus, es hatte nur den Nachteil, das dort keiner mehr rankam. Also quetschten wir es irgendwie in eine Ecke.
Nachdem ich die Rechnung gesehen, geschluckt und sie dann versteckt hatte, nahm ich die mehrsprachige Anleitung zur Hand. Wenigstens sprechen die in der Schweiz auch deutsch. Aber mein Herr Vater war schon am rumexperimentieren. "So schwer kann das nicht sein", sagte er. "Ich hab im Internet gelesen, wie das geht."

Scheinbar hat er nicht richtig gelesen. Jedenfalls leuchteten bald alle acht Lämpchen fröhlich rot auf. Eine halbe Stunde später hatten wir durch diverses Rumhantieren und Saubermachen des Maschineninneren die Lämpchen ausgekriegt. Dann kam noch Wasser in den Behälter und der Probelauf konnte beginnen.
Zuerst dachte ich, das Ding fliegt auseinander, so laut rappelte und sägte es da drin. Aber das sei normal, wurde mir erklärt. Nachdem ich mich erholt hatte, traf meine werte Mutter ein und wunderte sich erst einmal über den Neuankömmling. Statt einer Begrüßung gab's ein: "Und wie teuer war das Ding?" Zur Beschwichtigung gab's erstmal frischen Kaffee.

Der sah komisch aus. Über dem eigentlichen Kaffee war eine hellbraune Schaumschicht entstanden. Also fragte ich meinen belesenen Papa danach. Der wußte natürlich Bescheid: "Das heißt Crema. Das ist das besondere. Das entsteht, weil die Bohnen so schnell gemahlen werden und der Kaffe so schnell aufgebrüht wird." Und zum Beweis, daß das auch nicht giftig ist, schlürfte er genüßlich sein Getränk.

Was soll ich sagen, der schmeckte jetzt schon. Will sagen, schon besser als aus der gewöhnlichen Kaffemaschine oder Pulverkaffee mit heißem Wasser drüber oder sowas. Irgendwie kräftiger und frischer halt. Kurz und gut, ich gab mich damit zufrieden und betrachtete die Investition als geglückt. Also tranken wir gleich noch eine Tasse.

Dann kam das nächste Problem. Wieder ein rotes Lämpchen. Inzwischen hatte sich auch mein Herr Vater mit der Bedienungsanleitung angefreundet und erklärte, dies sei der zu entleerende Tresterbehälter. Das war nix weiter als ein Wasserauffangbecken nebst Behälter für die zusammengepreßten Reste der Kaffebohnen, sprich Kaffesatz. Blöderweise hatte er auch gelesen, daß bei normaler Kaffestärke einer dieser Reste ("Kuchen" genannt) ungefähr acht Gramm zu wiegen hat. Also holte er etwas Papier und die Briefwaage, packte einen Kuchen darauf und Juhu!, es waren acht Gramm. Alles in Butter also.

Was also sollte Sie jetzt davon abhalten, sich eine Espressomaschine zu bestellen (mal abgesehen vom Preis)? Folgendes:

Zunächst einmal ist dieses Ding mörderisch laut. Aber nicht nur beim eigentlichen Kaffeemachen, sondern auch bei einem "Spülen" genannten Vorgang. Dabei spült die Maschine eventuelle Kaffereste aus der Leitung. Und zwar bei jedem ein- und Ausschalten. Das kann einen schon nerven.

Zweitens verkalkt das Ding, und wenn man es nicht alle zwei Wochen mal säubert, schimmelt es außerdem da drin (kein Wort davon in der Anleitung übrigens).

Das Übelste ist allerdings: seitdem ich meinen Kaffe morgens aus diesem Ding beziehe, kann ich niemanden auf einen Kaffee besuchen gehen. Denn der schmeckt mir nicht mehr. Verderben Sie sich diesen Spaß nicht! Kaufen Sie keine Espressomaschine!

© POTZDAM 2001 - Mathias Rau