Den Irish Pub im S-Bahnhof Hackescher Markt
kennt der eine oder andere wahrscheinlich. Das man da gut essen
und vor allem trinken kann, ist auch nicht unbekannt. Und bei
der Anzahl der Gäste, die da rumschwirren, ist es wohl
auch nicht ungewöhnlich, den einen oder anderen komischen
Kunden zu sehen.
Das Pärchen, dem ich da letztens begegnen
durfte, gehört wohl dazu. Ich sitze also nichtsahnend,
mein Guiness trinkend an der Bar. Die Umgebung ist laut und
recht verraucht, also gute Atmosphäre. Aber der Geräuschpegel
sinkt auf die Hälfte und die Luft wird auch schlagartig
dünner, als die Tür auffliegt und irgendwo gegenhämmert
- Stopper oder vielleicht sogar Wand. Wer die Tür kennt,
weiß, wie schwer das zu bewerkstelligen ist. Ich drehe
mich also wie fast jeder andere im vorderen Raum um und erwarte,
jetzt so eine Art Holzfäller zu sehen. Aber Pustekuchen.
Mit seinen knapp Einsfünfundsiebzig
steht da ein kleiner Glatzkopf im üblichen Outfit, das
heißt grüne Bomberjacke, weißgraue Tarnhose
und Springerstiefel. Und er grinst frech durch die Gegend.
Mühsam stapft er zu einem Tisch, so
knapp fünf Meter von mir weg. Scheinbar sind ihm seine
Stiefel zu klein. Dann fläzt er sich auf seinen Stuhl und
bestellt laut und deutschlich: "Ein Bier! Bitte!"
Nachdem er sich ein Kopfschütteln von der Kellnerin eingefangen
hat und das Bestellte bekommen hat, trinkt er schnell und hörbar
- wie sich das halt so anhört, wenn einer mit halboffenem
Mund schluckt.
Irgendwann wird's ihm zu heiß, und
die Jacke fliegt achtlos auf die Bank an seinem Tisch. Und jetzt
kommt er mir richtig komisch vor. Nicht wegen dem Umstand, dass
ein Nazi in einer nichtdeutschen Kneipe ein Bier trinkt. Nazis
sind inkonsequent. Und auch nicht wegen seinem "Deutsche
Landser"-T-Shirt. Daran gewöhnt man sich.
Aber ich habe noch nie einen magersüchtigen
Nazi gesehen. Das XS-Shirt flattert dermaßen um seine
deutschen Schultern, dass ich ihn spontan auf maximal sechzig
Kilo schätze. Wahrscheinlich tut er deshalb so aufgeblasen.
Das allerdings denn auch nicht mehr lange. Denn gerade, als
es mir reicht und ich mich wieder meinem Guiness zuwenden will,
fliegt die Tür erneut hörbar auf. Und ich drehe mich
wieder um.
Und im Türrahmen steht, mit dem gleichen
dämlichen Grinsen, das Nazivollweib schlechthin. Groß,
blond, breit. Schon bald hat sie ihr Zielobjekt erspäht
und trampelt an den Tisch unseres Klappernazis. Treffsicher
schlägt sie ihm die Hand auf den Rücken (wobei er
fast auf den Tisch fällt) und setzt sich dazu, bestellt
ein Bier. Inzwischen rafft Mr. Landsershirt hastig seine Bomberjacke
von der Bank zusammen und hängt sie ordentlich über
seine Lehne. Auch fläzt er sich nicht mehr so dahin, sondern
sitzt jetzt gerade wie ein 1A-Musterschüler. Und an seinem
Bier nippt er nur noch in der Art eines Weinverkosters.
So sitzen die beiden eine Weile nebeneinander
und trinken Bier. Und schließlich legt der Nazi den Kopf
auf die breite Schulter (und der paßt da tatsächlich
fast rauf) seiner Walküre. Tolles Bild. Kuschelnazis.
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