Plunder, Püppchen und Proleten
Dienstag
Von Mathias Deinert


Man ist ja selbst schuld, den Verlauf eines Abends vom Angebot einer Videothek abhängig zu machen! Ein klitzewinzigkleiner Laden in den Bahnhofspassagen mit dem irreführenden Namen "Videoworld" jedenfalls besitzt eine derart plundrige Auswahl, dass ich davon nur abraten kann (dazu ein unfähiges Tussi-Personal, von dem einem besser abgeraten ist).

Uns war nach "Schtonk!" von Helmut Dietl. Und es war bereits im voraus zu ahnen, dass "Videoworld" mit seinem Sortiment von etwa hundert Videokassetten unseren Abend bestimmt nicht retten könnte. Regelrecht bemerkenswert aber war die Plattheit des ständigen Angebots und die Ordnung der Filme: Deutsche Filme sind nun mal so verdammt scheiße und eben nicht gefragt genug! Darum ist unter "Komödie" auch nur amerikanische Slapstick-Paste zu finden. Alle deutschen Filme (gleich welchen Genres) sucht man besser unter der Rubrik "Der besondere Film". Manchmal macht einem der Zeitgeist schon Angst.

Das hippe Brünett-Blondchen an der Kundentheke weiß natürlich nicht, wer oder was "Schtonk!" ist und "wie man dit eijentlich schreibt". Geil klingende Titel wie "The Sixth Sense" und "Scary Movie" könnte sie mühelos eintippen! Auch würde sie lieber andere Dinge tun, als dort zu arbeiten ("du, ick ruf disch wejen Mischa gleisch zurücke, hier kommt Kun'schaft") oder jedem Kunden ihre solarverbrannten Pietzen feilzubieten, wenn sie sich hilfesuchend zum Rechner beugt.

Beim Gang nach draußen fällt auf, dass sie von einigen amerikanischen Reißern zehn Kopien stehen haben, jedoch "Sonnenallee" zum Schleuderpreis aus den Regalen gekauft wissen wollen. So ist das mit dem Angebot an "besonderen Filmen" eben ("hey komm, Alder, däutsche Filme ham imma so scheiß Dialoge!"). Und innerlich weiß man nach so einer schmerzlichen Erfahrung, warum sich allabendlich vor "Videoworld" das widerlichste Geschmunz herumtreibt, dem man höchstens einen Sammel-IQ der ersten fünf Primzahlen zutraut. Meiden Sie also diese Peinlichkeit!

PS: Der Vorteil solcher Drecksvideotheken ist aber, dass man zuweilen einen Film wie "Fightclub" eine Woche nach offiziellem Videostart in der Ramschkiste zu DM 14,99 geboten bekommt - offizieller Ladenpreis zu der Zeit: DM 39,90. Manchmal ist Blödheit eben doch von Nutzen.

© POTZDAM 2001 - Mathias Deinert