Ach wie schön wäre es. Ein deutscher
Superstar. Jemand zum Anhimmeln, Idealisieren, Orientieren.
Eine Frau, die stark wie ein Rhinozeros ist, singt / tanzt /
schreibt und nebenbei noch Mode macht. Ein Mann, der schön,
charmant und immer absolut richtig entscheidend aus dem TV spricht.
Ein deutscher Superstar, das ist wie ein französischer
Frosch-Schützer. Gibt's nicht.
Stattdessen gibt's das, was der Idiot am
Nebentisch gerne PROMI nennt. Es gibt Prominente in Deutschland.
Das ist so bezeichnend wie beeindruckend, welch bescheuertes
Wort es geschafft hat, das englische STAR zu ersetzen. In Deutschland
gibt es Prominente. Weil man hier maximal prominent wird, was
a) nichts anderes als bekannt bedeutet und b) suggeriert, dass
das wenig mit Eigenleistung zu tun hat - und c) ganz galant
unterschlägt, dass das Wort ursprünglich auch maßgebend'
bedeutet. Wenn man "Promi" hört, denkt man an
blutleere normale Durchgeknallte, die enge Kleider oder noch
engere Blondinen anhaben. Man denkt an eine dumpf wabernde Masse
unbedeutender Personen, von denen man die wenigsten kennen (und
schon gar nicht lieben!) lernen möchte und denen Persönlichkeit
abgeht. Schade.
Also müssen wir, wie so oft im Leben,
nach Amerika schauen und uns dort holen, was uns hier fehlt.
Da gibt's Superstars in Massen, für jeden Geschmack was
dabei. Deren Sprache ist nicht deutsch, das ist doof, aber so
schwer ist ja englisch nicht. Doch bis man englisch denken kann,
das dauert, und man wäre ja so gern ganz eins mit dem Star,
ich meine im Traum. Sie verstehen. Aber immerhin gibt's Superstars
in Amerika, wenn für uns auch nur in der Light-Variante.
Denn was man hierzulande über die lesen kann, jammert ja
den Hund. In den Staaten kursieren viel mehr Informationen,
sag ich Ihnen. Ein bisschen leiden hier dadurch auch die amerikanischen
Superstars.
Unlängst bei Madonna war das ja anders.
Madonna in Berlin, also wer das nicht mitgekriegt hat. Da liefen
die Zeitungen über und die Lokalsender auch, da dudelte
es rauf und runter im Radio, und alle waren froh. Man ließ
sich so richtig gehen und kolportierte die Einkäufe der
coolen Mutter (Fenchel!!), das war wichtig, alle wollten es
wissen, weil das doch Madonna war! Das funktionierte auch ganz
wunderbar und keiner störte sich. Weil Madonna einen ganz
ungeheuren Vorteil hat: Sie ist Amerikanerin.
Und die erste Regel für einen Superstar
lautet: Bigger Than Life. Größer geht's nicht. Der
/ die ist so toll, dass es wehtut. So perfekt, dass wir immer
nur die Augen verdrehen können. Niemand stellt das infrage,
keiner pinkelt ihnen ernsthaft an den Karren. Wir lesen / hören
/ sehen. Und lächeln. Weil wir sie / ihn lieben. Weil das
da ein Superstar ist.
Der erste von drei Gründen, warum es
in Deutschland keine Superstars gibt, ist eben dieser: Deutsche
mögen keine Deutschen. Sie sind einander spinnefeind, missgünstig
und verschlagen denunziatorisch. Sie können sich selbst
nicht leiden, also muss der Nachbar herhalten. Bzw. der Schauspieler,
das ist doch kein Schauspieler, der mag ja gute Rollen gehabt
haben, aber das mit seiner zweiten Frau. Deutsche sind viel
zu neidisch, um jemanden aus ihren eigenen Reihen uneingeschränkt
toll zu finden. Sie können keinem der ihren wirklich gönnen,
was ihnen selbst versagt bleibt.
Zweitens ist Obergrund, aber auch Basis
für erstens: Das mit dem Anhimmeln hatten wir schon mal.
Uneingeschränktes Gutfinden ist schon einmal barbarisch
schiefgegangen. Ein Typ, der eine steile Karriere hinlegte und,
aus dem Volk für das Volk, geradezu Obersuperstar war.
Wir haben ihn geliebt, er war unser Vorbild, bigger than Hitler
geht kaum. Aber das ist eben schiefgegangen. Der Obermacker
war eine Bestie, und wir liebten eine Bestie. Das passiert uns
nicht noch mal. So blöd sind wir nicht noch mal. Ich weiß
nicht genau, was zuerst da war: Die Verweigerung der Medien,
jemanden ganz an die Spitze zu schreiben. Oder die Verweigerung
des Volkes, jemals wieder so bedingungslos zu vergöttern.
Der dritte Grund ist so peinlich, dass es
zu Boden schauen macht: Wir müssen immer nachhaken. Deutschland
ist das Land der Dichter und Denker, und also bitte, sehen Sie
doch mal genau hin. Promis werden heillos überfordert,
indem man ihnen Fragen zu Rot-Grün stellt. Es wird ein
Fragebogen vorgelegt, der einem IQ-Test ähnelt. Schwachstellen
finden. Entlarven. Skandale tragen immer nur dazu bei, den Prominenten
zu schädigen, nie wird sein Status dadurch aufgewertet
(Wie etwa beim Fenchel-Kauf von Madonna - bitte stellen Sie
sich kurz einen Zeitungsartikel vor, der den Fenchel-Kauf von
Veronica Ferres ähnlich schwärmerisch beschreibt.
Gibt's nicht. Und das liegt erst einmal nicht an der Ferres.)
Weil Deutsche sich im grüblerisch analytischen Welthass
mehr als gefallen, wird jeder bemeckert, genüsslich klein
und erst mal ordentlich zur Schnecke gemacht. So wachsen keine
Stars. So wachsen Persönlichkeitsstörungen, die im
12 Apostel am Savigny-Platz sitzen und schreiend darauf warten,
erkannt zu werden.
Den paar Nasen, die nach Amerika gehen (Schweiger
oder Potente etwa), kann ich's nicht verdenken. Sie wollen AUCH
mal. Den paar, die's geschafft haben (Eichinger, Kier), gratuliere
ich von Herzen. Den andern wünsche ich Durchhaltevermögen
in der unteren Mittelklasse, höher kommen'S net. Klar ist
es schade. Was hätte man aus BSB, Klaus Meine und diesem
Hartmut-PUR-Dings nicht machen können! Aber wir sind ja
in Deutschland.
Gott - sei - Dank.
PS: Harald Schmidt ist kein Star. Er ist
auch kein Prominenter. Schmidt ist eine Marke, ein Label, das
mit S anfängt. Wie Siemens oder Sony. Schmidt verbindet
man mit intellektuellem Sprachwitz und rhetorischem Geschick,
mit Nonsens und Frivolität. Er ist der einzige in Deutschland,
der das geschafft hat. Wie, darüber können Sie gerne
nachdenken.
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