Zetteldiebwirtschaft
Schwere Zeiten für die Kunst in Golm
Von Mathias Deinert

Am letzten Mittwoch des Juli gab Ulrike Barth ihr Diplomkonzert im Hauptfach Gesang. Sie war erst kürzlich als Amor in C.W. Glucks "Orfeo ed Euridice" am Neuen Palais zu sehen gewesen, und ihren Namen wird man hoffentlich nicht letztmalig gehört haben. Nur dies: Man muss ihre kristallklare Sopranstimme gehört, ihre frischen Zwischenspiele und -verse genossen, ihre ganze Natürlichkeit erlebt haben, um die kurzen Pausen der Sprachlosigkeit und Hochachtung nachempfinden zu können, die allen Begeisterungsstürmen vorangingen.

Etliche Plätze im Golmer Kammermusiksaal aber waren frei geblieben; und das trotz flächendeckender Plakatierung. Warum? Verliert man in Golm - immerhin die Wiege des Schöngeistes unserer Univerität - den Sinn für die Kunst? Herrn Dr. Büttner vom Institut für Musik und Musikpädagogik überrascht dies nicht sehr. Er kennt den Grund dafür, dass viele Golmer Studenten gar nicht erst wissen, was auf ihrem Campus an kulturellen Hochgenüssen stattfindet, denn "seit einiger Zeit verschwinden all unsere Aushänge. Wir pinnen Plakate an die Wandzeitungen, und wenig später sind sie abgerissen! Wohnungsangebote und andere Hinweise, die ja daneben hängen, sind seltsamerweise nie betroffen." Ebenso erging es auch Ulrike Barth, die für ihre Abschlussdarbietung plakatierte - und nur eine Stunde später all ihre Zettel entfernt sehen musste.

Wer hinter diesen Machenschaften Ränkespiele unter den Studenten oder Feindseligkeiten gegenüber einzelnen Künstlern vermutet, der vergisst, dass von diesem Phänomen ja alle hochgradig sehenswerten Veranstaltungen unserer Musiker betroffen sind.

Nun werden Sie abwinken und sagen: Was geht draußen in Golm nicht verloren!? Schließlich ist dort auch Schlüpferklau aus gemeinschaftlichen Waschbeckenhallen gang und gäbe, und es waren schon vollgeräumte Computerkabinette (nach einem vierstündigen Rundgang der Ein-Mann-Streife) bis auf den letzten Rechner verschwunden. Soweit also nichts Ungewöhnliches für diese Filzhaar- und Müsliterroristen-Enklave.

Mit den Programmaushängen aber verhält es sich anders, weil man wenig Sinn hinter solchen Aktionen erkennen kann und keine Nutznießer. Möglicherweise will man ja von Rektoratsseite schon mal andeuten, in welche Richtung es mit dem Studiengang Musikpädagogik künftig gehen wird: Der kommt uns nämlich - ähnlich grundlos wie seine Plakate - auch bald abhanden!

© POTZDAM 2001 - Mathias Deinert