Penetra-, Deflora- und Ejakulationen
Freitag
Von M. Gänsel und P. Brückner

Sex ist in Filmen, neben Gewalt, immer ein Garant für eine Altersfreigabe ab frühestens 16. Sex ist auch das immer wiederkehrende Thema in Tomb Raider. So ist die Altersfreigabe auch folgerichtig. Freudig können nun also alle, die schon immer mal davon geträumt haben, dass so eine tolle Cyberfrau wie Lara Croft endlich ein lebendiges Gegenstück bekommen hat, ins Kino gehen. Um Angelina zu sehen.

Manche sind danach wahrscheinlich bitter enttäuscht ob der Enthaltsamkeit, die der Film zeigt. Nur einmal eine kurzbehoste Jolie. Klar gibt es da noch die Duschszene, aber so richtig kann sie die Langeweile nicht vertreiben. Muss sie aber auch gar nicht, denn dieser Film ist voll von Sex. Allerdings von theoretischem. Und wenn's danach ginge, müsste der Film ab 21 sein, ja ab 30, wenn nicht ab Uni-Abschluss.

Nachdem ich Tomb Raider im Kino gesehen hatte, musste ich erst einmal nachschauen, ob der Regisseur des Films eine Frau gewesen ist. Wäre dem so gewesen, hätte ich beim guten alten Sigmund Freud, den ich sonst eher arglistig beäuge, Abbitte leisten müssen. Tomb Raider hätte dann einfach als der filmgewordene Penisneid in die Geschichte Hollywoods eingehen können. War aber dann doch keine Frau, die Regie führte. Immerhin spielt eine Frau die Hauptrolle - Kompliment übrigens an Angelina Jolie: Das Zur-Seite-Neigen des Kopfes hat sie der animierten Lara wirklich gut abgeschaut, und da ihre Knie um Längen besser aussehen als die ihrer animierten Kollegin, könnte alles gut sein.

Ist es ja eigentlich auch, bis auf ein paar unwesentlichen Kleinigkeiten. Etwa die Frage nach den seltsamen Geschossen, die Frau Jolie anstelle von Brüsten trägt. Erzähle mir keiner, in den Studios wäre es heutzutage unmöglich, einen harmonischen Atombusen darzustellen. Die SOLLTEN so aussehen, meine Damen und Herren. Egal was sie anhat, immer stehen sie unnatürlich-sperrig vom Körper ab. Jetzt wird mancher sagen, manchmal ist eine Zigarre einfach eine Zigarre. Basta. Ich als Raucher würde dem nur zu gerne zustimmen. Doch der Film strotzt nur vor weiteren Penissymbolen.

Neben den Brüsten, die natürlich immer von Laras Schießeisen eskortiert sind (das macht dann vier Schwänze auf einmal Blas-mich-Lippen), wird sich fröhlich durch die Phallussymbolik gefilmt. Mal liegt sie breitbeinig vor einem riesigen, als Teleskop getarnten DING und starrt verzückt in den Himmel. Mal greift sie beherzt nach den Schäften von zwei Pistolen, die auf einem weißen Seidenkissen kredenzt werden. Der Kinobesucher seufzt beine-zusammen-klappend auf. Ja, Ja, Pistolen, da war doch was, von Schwertern, Schlüsseln und Messern gar nicht zu reden, die natürlich auch immer in ein jeweils passendes Loch gestoßen werden. Wenns hakt, wird stärker gestoßen. Und von wem? Man ahnt es: Lara ist die Alles-in-Alles-Rammerin.

Natürlich gibt es ein paar Alibi-Männer im Film, aber es hat wohl einen Grund, wenn sie Hillary heißen. Der Bösewicht (den eigentlich Pierce Brosnan hätte spielen sollen, aber nicht gespielt hat) soll als sehr potent daher kommen und darf deswegen auch seine Künste im Messerwerfen zeigen. Angelina schlägt ihn dabei um Längen, guckt dabei auch noch schiefköpfig und hat den unwürdigen Feind als impotent geoutet - genauso schaut der jetzt auch drein. Angelina hat außerdem wie gesagt zwei Phallusbrüste und ist damit ohnehin zum Übermann geworden. Scheinbar vertraute die Regie ihrer metaphorischen Bildersprache dann doch nicht.

Zum Glück, denn so hat der Film eine der fulminantesten Sexszenen, die ich kenne. Sie kennen sicher diese indischen Muttergöttinnen. Riesig groß, steinern, gern sitzend, ja thronend, Hand links Hand rechts. Wissen Sie? Was tut man, wenn so eine ein Gefäß zwischen den Beinen hat, das unbedingt zerdeppert werden muss, damit die Welt gerettet werden kann? Logisch: Man nimmt einen Pflock, der waagerecht aufgehängt ist, schwingt ihn immer und immer wieder und... na Sie können sich's denken. Zuerst versuchen's die Männer, denen es, wie wir wissen, allsamt an Schwung fehlt. Was tun? Die helfende Hand Laras wird fällig, und so darf sie lustig auf dem Riesenschwanz reiten und ihn durch überzeugendes Bewegen ihres Unterleibs in Form bringen (Kubrick wäre stolz auf Angelina Jolie). Der Mörderpflock, vorn mit einer superspitzen Spitze (sic!) bewehrt, schwingt näher, immer näher auf die Urmutter zu. Angelina legt sich ins Zeug wie eine Irre. Schließlich trifft Spitze auf Gefäß, Gefäß PLATZT mit großen Getöse, pfeilgerade heraus SPRITZT etwas, das, nehmen wir Rücksicht, eierschalenfarben ist. Dichte etwas größer als Wasser. "Was ist denn das für eine komische Flüssigkeit?" darf einer der Schauspieler denn auch fragen, und ich nehme an, dass sie das Band da einfach haben weiterlaufen lassen. Der Kinobesucher fällt in seinen Sessel zurück und raucht die Zigarette danach.

Was bleibt ist die Frage, ob das alles Absicht war? Ich hoffe doch, denn wegen der dünnen Story kann den Film ja wohl keiner gedreht haben. Und die Absicht, einsame Computercracks zu foppen, möchte ich auch niemandem unterstellen. Letztlich MUSS es Absicht gewesen sein. Sonst hätte Freud ja Recht.

© POTZDAM 2001 - M. Gänsel & P. Brückner