An alle Sprayer!
Prinzenspielplatz, die letzte
Von M. Gänsel

Stellen Sie sich bitte den Edward Munch'schen Schrei vor. Dies wäre die Pose, mit der die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg jedwede Erwähnung der Worte "Prinzenspielplatz" oder "Fort von Sanssouci" oder "Steinhaufen schräg links vorm Neuen Palais" quittieren. Das Gegenüber lässt aus Mitleid schnell und verlegen ab - und schweigt.

PotZdam mahnte, die PNN diskutierten immerhin beide Seiten, irgendwelche Studenten der Uni Potsdam gar vermaßen u.a. auch dieses Gebiet (da ging es aber eher um Gartenbau), ein Verein gründete sich! In Spandau! August diesen Jahres, allein der Rest ist - Schweigen.

Die Genannten hatten, mit Ausnahme der Studenten, die ja nichts wissen, etwas gemein: Alle fanden es irgendwie ein Stück weit nicht richtig, dem von der Stiftung bevorzugten Vorschlag des Zuschüttens des Prinzenspielplatzes zu applaudieren. Teile der Genannten waren strikt dagegen. Die Begründungen lagen meist im Bewahren, im Edlen, im Guten. PotZdams Motivation: Ohne den Prinzenspielplatz gerät das Wort Brisanzgranatenkrise in Vergessenheit. Wider den Sprachverfall!

Und jetzt: Zugeschüttet.

Das - und mehr - liegt darunter:

Die Gründe für das Verschütten liegen offiziell im Bewahren, im Edlen, im Guten. Die wahren Gründe treffen auf extrem dünnem Eis eben jene Argumente, mit denen die Gegner des Wiederaufbaus der Garnisonkirche arbeiten: Angst vor einem Nazi-Wallfahrts-Ort, Militär-Gedöns-Antipathie, Kriegstreiber-Gegnerschaft.

Überraschend mag an dieser Stelle scheinen, dass es sich bei den Gegnern der Garnisonkirche und den Befürwortern des Zuschüttens des Prinzenspielplatzes NICHT um ein und dieselben Leute handelt. Vernunftbegabte Menschen auf ersterem, die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg auf letzterem Posten. Niemand hat die Absicht, die Stiftung der Vernunftunbegabung zu bezichtigen. Jedoch: Mit Ruhm bekleckert sich einer, der die Augen zumacht und denkt, man sieht ihn nicht mehr, in diesen Zeiten allumfassenden Informationsflusses mitnichten.

Zugeschüttet. Bewahrt. Im Millionenjahre alten Erdreich. Dortselbst kriecht Wilhelm Zwo und rammt kleine Kanonen in eine Voltaire-Puppe. Preußen soll Geist sein, Bildung, Kosmopolit. Die Geschichte des Prinzenspielplatzes ist eine Geschichte von Unverständnissen.

Vielleicht begehrt der Spandauer Verein auf. Vielleicht ist nicht aller Unmut Potsdamer Bürger auf die Brandenburger Straße begrenzt. Die Farce der alljährlichen Schlössernacht findet bereits ohne die Potsdamer statt, der Parkeintritt ist Sache der kleenen Punks. Natürlich ist es viel verlangt, sich für den Erhalt eines Wortes - Brisanzgranatenkrise! - nicht nur auszusprechen, sondern eben jenes Wort im zivilen Ungehorsam gleichsam flächendeckend zu verbreiten. Schreit! Sprüht! Wehrt euch!

Hat einer eigentlich ein schnelles Foto gemacht, als unlängst auf die schönen roten Baustellen-Wände am Stadtschloss die Worte

"WENN STADTSCHLOSS, DANN FICKEN!"

gesprüht waren?

© POTZDAM 2004 - M. Gänsel / Foto: Markus Wicke