Im nordwestlichen Teil des
Parks von Sanssouci findet sich auf einem kleinen Hügel,
in Wiese eingebettet, eine Gruppe von ziemlich ramponierten
Mauern. Wer zufällig darauf stößt und im Reiseführer
nachschlägt, findet zwischen "Neues Palais" und
"Drachenhaus" keinen weiteren Eintrag. Wer von einem
Potsdamer hingeführt wurde, hört den Satz: "Des
isser, der Prinzenspielplatz."
Man erkennt nur Bruchstücke, der Großteil
ist mit Gras überwachsen und modert im Erdreich. Hier erhebt
sich ein Giebel, dort zieht sich ein Graben entlang; kleine
Treppchen beflügeln die Phantasie und man bedauert, die
Zinnsoldaten zuhause gelassen zu haben. Die Anlage mutet militärisch
an - große Löcher sehen wie Kanonenhalterungen aus.
Ein Spielplatz für künftige Feldherren: Das wundert
in Preußen keinen.
Man raucht eine Zigarette, man nickt beifällig,
der Potsdamer ist stolz - und weiß auch nicht mehr darüber
zu erzählen. Immerhin weiß er, dass es dieses Miniatur-Bauwerk
gibt. Im Sommer hocken Familien hier auf Picknickdecken und
lächeln cool über Touristen, die fragenden Blickes
um die Anlage herumlaufen. "Des is der Prinzenspielplatz,"
sagen sie bedeutsam. Doch das ist falsch.
Das Fort im Park von Sanssouci, wie Eingeweihte
das Bauwerk nennen, wurde im Auftrag von Kaiser Wilhelm II.
im Jahre 1893 als Modell errichtet, um militärisch mithalten
zu können. Denn ein Ereignis mit wunderschönem Namen
erschütterte ab 1880 die Fachwelt der Festungsbauer und
die Generalstäbe der europäischen Armeen: die Brisanzgranatenkrise.
Seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts
experimentierte man nämlich mit neuem Sprengstoff; die
daraus hergestellten Granaten machten alle bis dahin errichteten
Befestigungsbauten zu überflüssigen Pappwänden
(die Sprengkraft einer Granate heißt Brisanz). Kaiser
Wilhelm II. ließ das Fort bauen, um Verteidigungsmöglichkeiten
gegen die neuen Granaten zu testen - die Panzerfestung mit einer
Kombination aus Panzerkuppeln und Betondecken wurde im Maßstab
1:10 testtauglich errichtet.
Was wie eine Kanonenhalterung aussieht,
ist tatsächlich eine Einfassung für ein Panzerturmgeschütz.
Die Zinnsoldatentreppchen sind in der Tat Aufgänge - von
der Kehlkaserne zur oberen Galerie. Wer wissen möchte,
was sich hinter Zentralwerk, Spitzgrabenwehr, Anschlussbatterien
und Grabenkoffer verbirgt, sei auf eine kleine Broschüre
verwiesen, die Peter Feist veröffentlich hat: "Das
Fort im Park von Sanssouci" (Berlin 1995). Feist bezeichnet
das Fort als "außerordentlich bedeutsames Denkmal
der deutschen Militärgeschichte" (Ebd., S. 3) und
bedauert den Verfall des Modells. Der Putz platzt ab, die Gräben
wachsen zu, Sammler bedienen sich fleißig.
Und wirklich scheint sich bis heute niemand
darum zu scheren: Keine Tafel informiert über das Bauwerk,
in Reiseführern findet das Fort kaum Erwähnung. Verantwortlich
ist die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten
Berlin-Brandenburg, die dem aus gut unterrichteten Kreisen stammenden
Gerücht, die ganze Anlage würde in naher Zukunft zugeschüttet,
gern widersprechen darf.
Es finden sich sicher, über die Motivation
darf man geteilter Meinung sein, genügend Militärexperten,
die den historischen Wert ausreichend schätzen und den
Erhalt des Forts unterstützen würden. Das Ganze zuzuschütten,
nur um sich Erklärungen und Arbeit zu ersparen, scheint
widersinnig.
In jedem Falle: Gehen Sie schnell noch einmal
hin, sehen Sie es sich an, stellen Sie sich Kaiser Wilhelm II.
vor, wie er das Fort im Juli 1893 bei einem Festschmaus entgegennimmt.
Und murmeln Sie doch bitte Brisanzgranatenkrise vor sich hin,
wenn Sie die Picknickfamilien anlächeln.
Literatur für den Festungsfreund:
Volkmar Braun / Herbert Jäger / Hertwig Neumann: POTSDAM
- Kaiser Wilhelms Modellfort von 1893 im Park von Sanssouci
und die Panzerfrage der Festungen. Wesel 1992.
Walter Dumbsky: Die deutschen Festungen von 1871 bis 1914: Strategische
Bedeutung und technische Entwicklung. Frankfurt a. M. 1987.
Martin Schönemann: Das wilhelminische Sanssouci. Potsdam
1990.
|